Emerald City

Hifumi schaute etwas schüchtern.

"Naja, weniger erschreckt oder doof, mehr... überrascht. Ich habe nicht erwartet, hier heute abend eine Bekannte zu treffen."

Sie nestelte an ihrer Gebetsperlenkette.

"Ich bin eigentlich nur hier für unverbindliche Flirts. Mit Mädchen, die Spaß daran haben einen Abend lang meine Gebieterin zu sein, und die ich dann nie wieder sehe."

Sie fand den Mut, Kitty wieder direkt in die Augen zu schauen.

"Mit einer Bekannten wie dir, Kitty... Mit der ich auf einer Ebene als Jungmaga bin... Da ist es dann komisch, wenn ich mit dir als meiner Herrin geturtelt habe, und wir uns dann ständig sehen."

Bei der Einladung zögerte sie.

"Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich mag. Das mit dem Sambuca war das erste mal, dass ich irgendwas getrunken habe.

Und ich weiß auch noch nicht, ob mein Auftreten das ist was ich will. Also im Bett. Ich... ich kenne es halt nur so, dass ein Mädchen submissiv und gefügig sein sollte und sich erobern lässt. Aber unter zwei Mädchen, da klappt das ja nicht wenn beide abwarten."

Die Japanerin lachte nervös.

"Tut mir leid, ich klinge bestimmt wie ein albernes und unreifes Teenagermädchen vor ihrem ersten Kuss. Und ein bißchen bin ich es ja auch."

"Alles gut" Kitty erwiderte ihren Blick freundlich und vor allem. Sie schien nichts von dem, was Hifumi sagte, in irgendeiner Weise schlimm zu finden. Über ihre Offenheit in diesen Dingen, nickte sie allerdings respektvoll. Hifumi zeigte hier mehr Selbstreflexion als so manch andere in einem halben Jahr.

Sie lächelte die andere warm an. "Du klingst gar nicht albern, nur wie jemand, der noch nicht weiß, was er oder sie mag. Und das ist voll okay. Das wissen viele nicht - nur die wenigsten geben es auch zu. Das ist nämlich super mutig"

Dann legte sie den Kopf schief und lächelte noch breiter. "Wie wärs, wenn wir erstmal sehen, ob wir einen Drink finden, den du magst - und gucken wir mal, ob wir hier eine Frau für dich finden, mit der du auch ausprobieren kannst, was du magst?"

"Es ist noch früh am Abend, da will ich auf jeden Fall nichts so starkes. Ich kenne mich da einfach so wenig aus!" Hifumi zögerte und überlegte. "Normalerweise, wenn ich in Situationen bin wo andere trinken, greife ich zu einer Coke. Vielleicht, wenn ich in die Richtung suche..." Das Handydisplay des Dienstmädchens leuchtete auf und zeigte eine japanische Wikipediaseite. On-the-fly übersetzend las Hifumi den Einleitungssatz laut vor. "Karimōcho ist ein Rongdrink, der aus Cola und Rotwein besteht..." Sie blickte etwas entschuldigend vom Display auf. "Kann sein dass ich das falsch ausgesprochen habe, und dass Calimocho oder Calimoxo richtiger wären. Englisch geht inzwischen ganz gut für mich, aber Spanisch..." Hifumi verbeugte sich leicht. "Vielmals Entschuldigung für mein Versagen!" Man sagte den nahegelegenen Kanadiern nach, Großmeister der Entschuldigungen für Belanglosigkeiten zu sein, aber von Fernost konnten sie noch viel lernen.

"Kennst du das, Kitty? Ist das gut?" Die Japanerin dachte erneut nach. "Frauen in Amerika, die trinken gerne Rotweine, ja? Hier, in einer Bar für Frauen, da kriegt man das bestimmt. Und wenn ich Rotwein nicht mag, ist da der Colaanteil, dann wird das nicht so schrecklich." Sie lachte nervös auf. "Ich komme bestimmt voll ahnungslos rüber, besonders für eine erfahrene Barkeeperin wie dich. Aber vor diesem Oktober, da habe ich noch nie was getrunken. Anständige Mädchen machen so was einfach nicht, weil entweder sind sie schwanger, oder sie stillen gerade. Da ist kein Raum für Alkohol."

Sie kicherte über den Vorschlag, verkuppelt zu werden. "Wohlerzogene Zofe, abzugeben in vertrauensvolle Hände? Du bist auch sehr kinky, Kitty!"

Kitty musste lachen. Wieder klang es in keinster Weise gehässig. Es war einfach das überraschte Lachen von jemandem, der sich freute, dass sein Gegenüber so wunderbar einzigartig war. "Calimocho klingt doch gut", urteilte sie freundlich. "Ein bisschen ungewöhnlich, aber lecker - und vor allem nicht zu stark."

Sie legte Hifumi eine Hand auf den Rücken. Nur leicht und freundschaftlich. "Ich glaub in Filmen tatsächlich. Aber ja, Rotwein zeigt, dass man kultiviert ist. Es ist eleganter als Bier. Und die meisten, die Rotwein trinken, würden sagen, sie trinken ihn weil er gut schmeckt - nicht weil sie betrunken werden wollen." Sie erklärte das mit völliger Ernsthaftigkeit. Als wäre es gar keine ungewöhnliche Situation, dass jemand so wenig Erfahrung mit Alkoholika hatte. Und dann zuckte sie einfach die Schulter. "Naja, irgendwann ist immer das erste Mal - und ich glaub, es gibt so viel schönere Sachen, die man als Frau machen kann als dauernd schwanger zu sein oder zu stillen."

Dann kicherte sie mit. "Na wenn du es so ausdrückst, bin ich die Königin des Kinks."

"Dann probiere ich das doch einmal. Einen Calimocho, bitte!"

Die korrigierte Aussprache nahm Hifumi schnell an. Nach dem Probeschluck nickte sie.

"Ja, geht leicht runter. Vielleicht ein bißchen zu leicht. Macht die Cola jedenfalls fruchtiger, und, und..." Etwas hilflos rang sie nach Worten. "...und naja, etwas weiniger. Wie manche Soßen. Könnte mich dran gewöhnen."

Hifumi erwiderte den Händedruck, und legte ihrerseits eine Hand auf Kittys Rücken. Selbst solche Gesten waren aufregend für die scheue Betschwester.

"Um ein Haar wärste ja meine Kink-Königin für heute nacht geworden."

Falls Kitty es zuließ, wanderte ihre Hand hinab zur Taille und berührte sie sacht. Ein bißchen flirten war schließlich noch dran, bis sich anderes ergab, und die Blondine hatte früher signalisiert dass sie dafür offen war.

"Aber sag mal, Kitty wir kennen uns ja kaum. Wie war dein Zuhause? Ich nehme an nicht so... religiös, so konservativ wie meines. Aber andererseits auch keine Piratenmannschaft."

Kitty schloss sich in der Bestellung an. Sie fand, dass Hifumi es verdient hatte, ein bisschen solidarische Gesellschaft zu bekommen. Und sei es nur in Bezug auf Cola und Rotwein.
Dass es ihrem Gegenüber schmeckte, ließ sie lächeln. "Das ist doch super. Und ja, Soßen machen die Sachen oft weicher - aber gibt ihnen eben auch irgendwie mehr ... Charakter. Es wird einfach spannender."

Sie ließ es zu, angefasst zu werden. Kitty hatte mit derlei noch nie Schwierigkeiten gehabt. Irgendwie war Berührung ja auch nur ein weiteres Lebenselexir.
"Keine Sorge", grinste sie und sah noch ein wenig piratiger aus als zuvor. "Wir finden schon noch eine Kink Königin für dich. Und wenn wir ein bisschen suchen, finden wir eine, die noch viel kinkier ist als ich." Ihre Augen blitzten.

Hifumis Frage aber ließ ihr Lächeln ein kleines bisschen erstarren. Ihr Gegenüber mit der Hand auf ihrer Taille würde spüren, dass sich ihr Rücken unmerklich straffte. Einen Moment überlegte sie zu lügen oder Hifumi schroff abzuweisen, doch die Kombination aus dem Alkohol in ihrem Blut und einer Art zärtlichen Zuneigung zu der so unerfahrenen Japanerin ließen ihre Miene wieder weicher werden.
"Naja" Sie dehnte es und kaufte sich damit ein wenig Zeit. "Nein, du hast schon Recht. Bei mir Zuhause war nicht viel mit Religion oder überhaupt dem ... Anstand. Und Piraten waren meine Eltern auch nicht. Meine Eltern waren in einer Kommune und haben sich der Liebe und dem Frieden verschrieben." Ihre Wangen röteten sich etwas. "Ich durfte eigentlich alles ... außer gewöhnlich sein."

Hifumi spürte, dass ihrem Gegenüber das Thema Familie irgendwie unangenehm war.[1] Sie wollte sie aber nicht bloßstellen, indem sie es ansprach - zumal sie Kitty ja auch nicht besonders kannte.

"Was sind dein Sternzeichen und deine Blutgruppe?

Ich selbst habe die Blutgruppe A. Man sagt Frauen mit meiner Blutgruppe nach, dass wir klug, kreativ und hilfsbereit wären. Aber auch ziemlich stur, verstockt und verklemmt."

Sie kicherte.

"Wenn da was dran ist, dann brauche ich wirklich eine Kink-Königin. Eine, die mich lehren kann, wie Mädchen untereinander Liebe machen."

[1] Wahrnehmung + Empathie: 3 3 8 3 9 4 Link