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Dort wo Künstler zu Hause sind [Alan, Liam]
Verfasst: Mi 14. Mai 2025, 18:31
von Liam Carpenter
Das Gebäude Ecke Pine Street and Third Avenue war eine Mischung aus Apartments und Geschäftsräumen. Namentlich: Mc Donalds, Money Tree und einer Mischung aus Spirituosen- und Zigarrengeschäft. Liam versicherte mit einem Blick auf das Klingelschild, dass er den richtigen Eingang gefunden hatte. Der quadratische Komplex schien unzählige Türen zu besitzen. Und nur ein Bruchteil davon führte in die Apartmentflure und Treppenhäuser die den Zugang zu den dortigen Wohnungen ermöglichten. Blackwell. Hier musste er sein. Er drückte den Klingelknopf und wartete auf das Knistern der Gegensprechanlage.
„Ich bins. Liam.“, verkündete er dem Gerät.
Re: Dort wo Künstler zu Hause sind [Alan, Liam]
Verfasst: Do 15. Mai 2025, 09:04
von Alan Blackwell
"Ah ... iam!" krächzte es aus dem Lautsprecher - der sicher schon bessere Tage erlebt hatte - zurück. "... omm hoch! I ... ch dir die ...ür auf!" Erst ein Klacken, dann ein durchgehendes Summen. Liam drückte gegen die Tür, die nach ein wenig Widerstand schließlich leise quietschend aufsprang.
Das Treppenhaus lag im Halbdunkel; staubverhangen und von der Zeit gezeichnet – ein stummer Zeuge längst verblasster Tage. Alles schien in ein tristes Grau getaucht, als hätte sich jede Farbe aus dem Raum zurückgezogen. Nur der hölzerne Handlauf, in warmem Braun schimmernd, durchbrach die Eintönigkeit - während er sich in gemächlicher Kurve die Stufen emporzog.
"Ganz oben! Es sind ein paar Stufen!" zerriss Alans Stimme die ansonsten fast schon gespentische Stille. "Die Tür ist offen - ich setze schnell das Wasser für den Tee auf!"
Stufe um Stufe führten Liam weiter nach oben. Zu dem Ort, der Alan als seine derzeitige Heimat diente. Als er schließlich das Dachgeschoss erreichte und die geöffnete Tür sah, steckte Alan bereits wieder den Kopf hinaus. "Freut mich, dass du hier bist! Komm ruhig rein!" freudig winkte er Liam zu sich.
Die Wohnung von Alan wirkte auf den ersten Blick recht geräumig - zumindest der Teil, in dem Liam stand. Erst als dieser sich darüber bewusst wurde, dass es außer diesem Raum nur noch ein kleines Bad in Größe einer besseren Abstellkammer gab, erkannte er, dass der vermeintliche Wohnkomfort lediglich eine gut inszenierte Illusion - und teilweise auch der minimalistischen Einrichtung geschuldet war. Abgesehen von einer schmalen Kochnische, einem Bett, einem Schrank und einem einfachen Schreibtisch mit passendem Stuhl war kaum nennenswerte Einrichtung zu erkennen – wären da nicht die zahllosen Bilder und Staffeleien gewesen, die den Raum in ein chaotisches Atelier verwandelten.
Sowohl die Wände als auch das abgenutzte Parkett waren übersät mit Farbklecksen in allen erdenklichen Tönen. Liams Blick blieb schließlich an der Wand über dem Bett hängen, wo in großen Lettern „Licorice Chamber“ geschrieben stand.
Während Liam sich noch neugierig umsah und der Wasserkocher leise zu brodeln begann, war Alan bereits damit beschäftigt, einen wackeligen Klapptisch aufzustellen und zwei betagte Holzstühle drumherum zu arrangieren – eine provisorische Geste von Gastfreundschaft inmitten schlichter Verhältnisse. "Entschuldige bitte den Minimalismus. Ich bekomme nur sehr selten Besuch und habe es mir entsprechend zweckmäßig eingerichtet."
Re: Dort wo Künstler zu Hause sind [Alan, Liam]
Verfasst: Do 15. Mai 2025, 13:28
von Liam Carpenter
Das Zwielicht das ihn im Treppenhaus umfing war irgendwie bedrückend. Und wenn er als erfahrener Unicampusbewohner das so wahrnahm dann musste es echt super bedrückend sein.
Neugierig betrat er die Wohnung und sah sich um. Tatsächlich erinnerte ihn der minimalistisch eingerichtete Raum an sein Wohnheimzimmer, auch wenn er insgesamt merklich größer ausfiel und Alan ihn sich nicht mit einem Mitbewohner teilen musste. Ein Wohnheimzimmer mit deutlich mehr Leinwand. Tatsächlich waren es die zahlreichen Bilder und Staffeleien die dem Raum eine chaotische Behaglichkeit verliehen und die spärliche Einrichtung erfolgreich kompensierten.
„Danke für die Einladung.“
Sein Blick blieb an der Wand über dem Bett hängen. Licorice Chamber… das hatte er noch nie gehört.
„Ist das eine Anspielung auf irgendetwas?“, erkundigte er sich und deutete mit einer Handbewegung in Richtung des Schriftzuges um Alan deutlich zu machen worauf er Bezug nahm.
Vielleicht war das ein Film- oder Buchzitat oder der Name einer Band die er nicht kannte.
„Bitte mach dir keine Umstände. Ich wohne auf dem Campus. Ich bin Kummer gewohnt.“, schmunzelte er und überlegte einen Moment ob es die Situation verbessern oder katastrophal verunglücken lassen würde, wenn er Hand an den Tisch legte um Alan zu helfen. Er entschied sich dafür das Schicksal nicht herauszufordern.
Stattdessen öffnete er den Reißverschluss seiner Umhängetasche und kramte einen Moment darin herum, bis er schließlich ein Buch zu Tage förderte: The River that made Seattle – A Human and Natural History oft he Duwamish.
„Ich hab dir was mitgebracht. Ich hoffe, du magst lesen.“
Re: Dort wo Künstler zu Hause sind [Alan, Liam]
Verfasst: Fr 16. Mai 2025, 07:46
von Alan Blackwell
"Eine Anspielung?" Alans Blick wanderte zur Wand; zu dem Schriftzug, der dort prangte. So präsent dieser einst in seinem Verstand gewesen war, so sehr war er mittlerweile Teil des Hintergrunds geworden – kaum mehr bewusst wahrgenommen.
"Ah – ja! Tatsächlich. Es ist eine Anspielung." Er lächelte leicht, während er sich mit der Hand durch den Bart fuhr. „Du musst wissen, ich bin ein riesiger Lakritzfan. Ich liebe den Geschmack – aber auch die Farbe. Lakritzschwarz ist kein gewöhnliches Schwarz. Es ist... warm, beinahe mystisch. Und weil das hier der Ort ist, an dem ich besonders oft Lakritz esse, habe ich ihn Licorice Chamber getauft. Ein beinahe mystischer Name für eine beinahe mystische Süßigkeit, sozusagen."
Er machte eine kurze Pause, bevor er verschmitzt hinzufügte: "Ist so ’ne Eigenheit von mir. Ich gebe meinen Wohnungen immer Namen. Jede einzelne hatte einen. Es hilft mir, eine Verbindung zu dem Ort aufzubauen. Ich wohne dann nicht mehr nur irgendwo - ich wohne dann an meinem Rückzugsort. Meinem Refugium. Die durch den Namen geschaffene Verbindung gibt mir eine Illusion von Sicherheit. Und wenn man den ganzen Irrungen und Wirrungen des Lebens alleine begegnen muss, ist Sicherheit etwas, was man wirklich zu schätzen lernt. Ich denke, es ist nicht viel, was den Menschen vom Wahnsinn trennt - und Sicherheit hilft, die Linie nicht zu überschreiten. Wobei ich mir in letzter Zeit echt nicht mehr sicher bin, ob ich die Linie nicht längst überschritten habe ..."
Nachdem Tisch und Stühle schließlich in einer halbwegs stabilen Formation standen, schlenderte Alan zur Kochnische. Mit geübtem Griff öffnete er den leicht schief hängenden Hängeschrank, dem beim Aufklappen ein protestierendes Knarzen entfuhr, und förderte zwei ungleiche Tassen zutage. In jede legte er ein Tee-Ei, als handle es sich um ein kleines, tägliches Ritual von großer Bedeutung. Ein für Liam unbekanntes Liedchen pfeifend und mit der Selbstverständlichkeit eines Mannes, der nicht daran zweifelte, dass die Teezubereitung ein kleines Kunstwerk für sich ist – goss er das heiße Wasser darüber.
Kurz darauf kehrte er mit den dampfenden Tassen zurück, stellte sie behutsam auf den Tisch und schaute zu Liam: "Du musst mir für die Einladung nicht danken - ich freue mich sehr, dass du hier bist! Setz dich ruhig – fühl dich wie zu Hause. Nur ohne Mietvertrag, natürlich." es dauerte ein paar Sekunden, bis sich aus dem neutralen Gesichtsausdruck des Malers ein Lächeln schälte, welches schließlich zu einem breiten Grinsen wurde.
<Echt jetzt, Alan? Du fängst schon wieder an, seltsam zu werden!>
"Sorry, manchmal packt mich der Schalk." setzte er ob seiner Gedanken sofort nach, dann ließ er die Finger über das Buch streichen und wechselte schnell das Thema: "Ich lese sehr gerne. Danke! Ich bin echt gespannt, weil ... äh ... ich meine - man sieht den Fluss und nimmt ihn unterbewusst sofort als selbstverständlich wahr, ohne sich Gedanken darüber zu machen. Es ist halt ein Fluss. Aber was da eigentlich dran hängt - was der Fluss für die Menschen und die Stadt getan hat ... wie wichtig er für die Natur und die Geschichte der Region ist ... das sind so Dinge, die man gar nicht realisiert. Ist wie mit Bärchenwurst. Als Kind isst man die und freut sich drüber, versteht aber das Tierleid dahinter gar nicht. Eigentlich ist das schon fast 'ne bewusste Täuschung, weil etwas, womit man sich beschäftigen sollte ... worüber man zumindest mal nachgedacht haben muss ... hinter einer fröhlichen Lüge versteckt wird ... oh, apropos versteckt!" mit einem Satz springt Alan auf und geht in eine der Ecken des Ateliers; zieht alte Leinen von Leinwänden und scheint irgendetwas zu suchen.
"Die Nautilus! Irgendwo hier muss sie sein...."
Re: Dort wo Künstler zu Hause sind [Alan, Liam]
Verfasst: Fr 16. Mai 2025, 09:12
von Liam Carpenter
Die Erklärung hinter der Aufschrift überraschte Liam in ihrer Tiefsinnigkeit. Er hatte etwas irgendwie… leichtherzigeres erwartet. Aber letztendlich… sich einen neuen Ort langsam aber sicher zu einem zu Hause zu machen taten sie alle in irgendeiner Form und Weise, oder nicht? Indem man ihn mit Dingen füllte die einem etwas bedeuteten. Dinge mit denen Erinnerungen verbunden waren oder denen ein Gefühl von Behaglichkeit anhing. Alan hatte einfach einen anderen Weg für sich gefunden diese Empfindung von „Daheim“ zu erzeugen.
„Ich bin eher Typ Schokolade.“, antwortete Liam schmunzelnd.
„Aber ich kenne das Gefühl was du meinst. Nur ist es für mich mehr…“
Er suchte einen Moment nach einer passenden Umschreibung.
„… mit dem Land verbunden. Das Land um Seattle ist das Land meines Stammes und mit keinem Ort bin ich mehr verbunden als mit der Erde und dem Wasser auf dem meine Vorfahren seit Jahrhunderten lebten. Ich bin also eher draußen zu Hause.“
Das klang fürchterlich kitschig, war aber genau das was er über zu Hause, Sicherheit und Heimat empfand. Nirgendwo fühlte er sich sicherer und… richtiger.
„Wie geht’s dir im Moment? Wie kommst du mit der ganzen… Magisache zurecht?“
Er hatte damit die erste Zeit ziemlich gehadert und wollte Alan gerne eine Unterstützung sein soweit er das eben sein konnte als jemand der selbst kaum akzeptiert geschweige denn verstanden hatte was Erwachen eigentlich bedeutete. Er hatte seine ganz eigenen Baustellen mit diesem Thema.
Er stellte die Tasche neben einen der Stühle und hängte seine Jacke einfach über die Lehne bevor er sich vorsichtig setzte. Das arme Ding sah so altersschwach aus, dass er im ersten Moment Sorge hatte, dass das Gewicht der Jacke es bereits überforderte. Aber offenbar steckte noch genug Leben in dem Stuhl um ihn gefahrlos zu tragen.
„Ich glaube ein Stück weit ist Selbsttäuschung notwendig damit wir nicht alle über das was wir einander oder unserer Umwelt antun den Verstand verlieren. Ich nehme den Leuten nicht unbedingt übel, dass sie Unwissend sind. Wir sehen die Dinge um uns herum immer durch einen Filter von Einflüssen und Erfahrungen. Ich nehme ihnen übel, wenn sie es wissen und es trotzdem tun. Deswegen esse ich kein Fleisch mehr. Ich kann nicht darüber hinwegsehen wie viel Leid hinter dieser Industrie steckt. Ich versteh nicht wie Menschen das überhaupt können.“
Sein Blick folgte Alan als dieser Aufsprang und begann eine bestimmte Leinwand zu suchen.
Re: Dort wo Künstler zu Hause sind [Alan, Liam]
Verfasst: Di 27. Mai 2025, 11:47
von Alan Blackwell
"Schokolade ist auch toll - und man kann sie mit Lakritze füllen...warte kurz!" Alan lässt ab von der Leinwandsuche und macht einen schnellen Schritt zurück zur Küchenzeile. Zwei, drei Handgriffe später stand er auch schon wieder bei Liam am Tisch und schob diesem eine kleine Schale mit runden Schokokugeln unter die Nase.
"Probier' mal. Das ist Schokolade mit einem kleinen Kern holländischer Lakritze! Ich könnt' den ganzen Tag nichts anderes essen ... oder magst du gar keine Lakritze?" Alans fragender Blick heftete nur kurzzeitig an Liam, dann widmete er sich wieder der Suche nach der Nautilus.
"Ich finde das übrigens irgendwie witzig – denn auch wenn ich echt kein Naturkind bin: draußen habe ich nie das Gefühl, nicht zu Hause zu sein. Aber sobald ich ein Haus betrete, wirkt es fremd, und mir wird schlagartig bewusst, dass ich mich tatsächlich in der Fremde befinde. Fast so, als würde mein Unterbewusstsein in der Natur eine Art ursprüngliche Heimat wiedererkennen ... oder so. Klingt seltsam, ich weiß – aber ich kann es nicht besser ausdrücken. Vielleicht liegt es daran, dass der Mensch einst noch im Einklang mit der Natur lebte und diese Heimat nennen durfte. Frei nach dem Motto 'es steckt in den Genen' ... wie der Reflex zu atmen, nachdem man auf die Welt kommt. Aber dazu müsste es ja allen Menschen so gehen - und ob dem so ist, weiß ich halt auch nicht. Das ist wieder so eine Sache, wo ich mich frage, ob es eine Studie dazu gibt - und wenn nicht, warum nicht. Also ganz normaler Alan-Gedankenalltag..."
Während er sein Gedankenkarussell aussprach, zog Alan gedankenverloren an der falschen Stelle, was zur Folge hatte, dass mehrere Leinwände in seine Richtung kippten. Mit einem leisen Fluch stellte er sich ihnen entgegen, drückte sie zurück und versuchte, sie wieder ins Gleichgewicht zu bringen – was ungefähr so erfolgreich war, wie der Versuch, ein Kartenhaus im Wind zu stabilisieren. Eine besonders widerspenstige Leinwand klebte geradezu an seinem Ärmel, eine andere kippte mit sanfter Grazie auf eine Farbpalette.
"Ich arbeite hier in kontrolliertem Chaos", murmelte er mehr zu sich selbst als zu Liam,
"Betonung auf 'kontrolliert' ... zumindest theoretisch."
Nachdem das spontane Leinwandballett beendet war, trat Alan einen Schritt zurück, warf einen prüfenden Blick auf das Schlachtfeld aus Kunst und Chaos – und begann, mit der Entschlossenheit eines Archäologen auf einem besonders widerspenstigen Grabungsfeld, erneut nach der Nautilus zu suchen.
"Du bist Vegetarier? Oder Veganer? Die dunklen Lakritzschokokugeln sind ohne Milch!" Alan deutet aus der Entfernung auf die Schale.
"So weit habe ich es nie geschafft. Ich bin einfach zu picky, was das Essen betrifft - ich mag zwar durchaus Gemüse, aber ich kann es nicht ausschließlich essen, ohne schlechte Laune zu bekommen. Habs mal für ein paar Monate probiert - und musste mich geschlagen geben. Vielleicht ist es wie so eine Art Sucht und ich habe den kalten Entzug nicht lange genug betrieben - aber ich versuche seitdem zumindest drauf zu achten, beim Fleisch keine Billigware zu kaufen. Und es steht auch nicht länger täglich auf meinem Speiseplan - ich koche viel vegetarisch, vegan ... und auch das eine oder andere Ersatzprodukt taugt mir inzwischen recht gut. Nur auf Soja reagiere ich leider nicht so gut, Naja, und für den letzten konsequenten Schritt reicht es halt auch nicht. Ich bin einfach zu schwach ... zu undiszipliniert .... Noch. Wenns so weitergeht, schleicht sich das vielleicht auch irgendwann aus. Wenn ich bedenke, was ich noch vor Jahren an Fleischmengen in mich reingeschaufelt habe - heute wo ich bewusster einkaufe ... zumindest so weit es die Mittel zulassen ... sieht das ganz anders aus. In gewisser Weise kann ich beide Seiten nachvollziehen - und ich finde, da ist viel Potenzial, die Welt ein Stückchen besser zu machen ... wenn denn beide Seiten aufeinander zugehen würden. Leider passiert das nicht oft - stattdessen gibts meistens gleich 'nen Glaubenskrieg, der niemandem etwas bringt."
Alan schob eine bemalte Staffelei zur Seite, nur um im nächsten Moment über einen offenen Malkasten zu stolpern, der quietschend unter seinem Fuß nachgab.
"Na großartig", murmelte er, während sich eine Tube Zitronengelb wie ein zerplatzter Insektensack auf dem Boden entleerte. Er balancierte sich zurück ins Gleichgewicht, stieß dabei aber mit dem Ellbogen eine kleine Leinwand um, die polternd auf einen Turm aus leeren Pizzakartons fiel.
"Nicht die Nautilus ... nicht mal annähernd", seufzte er, während er die mit halbnackten Feen bemalte Leinwand wieder aufrichtete. Er blickte sich um. Zwischen Farbspritzern, schiefen Gemälden und einem halb aufgegessenen Lakritzlolli, der an einem Pinsel klebte, wirkte das ganze Atelier wie ein absurdes Korallenriff.
"Ich schwöre, dieses Bild hat Beine bekommen ..."
Alan suchte weiter und blieb an einem überklebten Selbstporträt hängen, das ihm mit schielendem Blick entgegengrinste, zuckte mit den Schultern und murmelte:
"Du warst auch mal eine gute Idee – irgendwann zwischen zwei Uhr nachts und zu viel Energy Drinks."
Er wühlte sich weiter durch das kreative Durcheinander, wobei jedes verschobene Bild eine kleine Lawine aus Pinseln, Lappen oder Farbtuben lostrat, die sich mit leisem Klackern ihren Weg über den Boden durch das Atelier suchten.
"Die Magisache ... sie nervt!" Alan musste lachen.
"Es kam so überraschend - wie aus dem Nichts. Und jetzt ist es da und steht wie ein riesiger Elefant im Raum. Ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehen soll. Du sagtest letztens im Eden, dass dein Erwachen schon ein Jahr her ist? Hast du vielleicht ein paar Anfängertipps für mich? Ich bin ja noch recht frisch dabei - und irgendetwas tief in mir sträubt sich nach wie vor dagegen. Sogar auf zweierlei Art: Einerseits will ich es nicht wahrhaben und andererseits wünsche ich mir, es wäre nie passiert. Komisch, oder? Da bekommt man eine Gabe, für die andere Menschen töten würden - und ... will sie eigentlich gar nicht. Fühlt sich damit überfordert. Wenn man anderen Magi so zuhört, dann gehen die ganz selbstbewusst damit um und nutzen ihre Magie selbst für die banalsten Zwecke - das wiederum ist etwas, wo ich mich frage, ob das wirklich nötig sein muss. Ich meine ... warum tun sie das? Wäre es nicht viel angebrachter, Magie nur dann einzusetzen, wenn es unumwindbar ist? Wenn man ... damit Menschen helfen könnte oder es um Leben und Tod geht oder so? Quasi mit Bedacht agieren, statt sich von der erlangten Macht langsam korrumpieren zu lassen - denn du kannst mir erzählen, was du willst - genau das tut sie, die Macht. Je länger man sich mächtig fühlt, desto mehr verliert man den Bodenkontakt! Davon bin ich überzeugt. Und was ist, wenn man das selbst gar nicht merkt? Das macht mir Angst. Ich habe Angst, mich zu verlieren, wenn ich es der Magie erlaube, mein Leben zu bestimmen ..."
Sein Blick blieb an einer halb mit einem Leinentuch bedeckten Ecke hängen, in der mehrere verstaubte Leinwände an der Wand lehnten wie vergessene Soldaten eines Farbfeldzugs. Mit einem letzten Seufzer kämpfte sich Alan durch ein Meer aus Pappbechern und einem zerfledderten Notizbuch, das sich hartnäckig an seine Sohle klammerte. Mit wenigen Schritten erreichte er die Leinwand und zog mit einem Ruck das Tuch herunter – und tatsächlich, da war sie: die Nautilus.
"Na also", murmelte der Maler, strich sich eine grüne Haarsträhne von der Stirn (vermutlich Smaragdgrün extra deckend) und grinste.
"Du warst die ganze Zeit hier – sag' das doch gleich!" Vorsichtig nahm Alan die Leinwand an den Seiten und balancierte sie durch das Chaos seines Ateliers. Er wich einem wackeligen Bücherstapel aus, der gefährlich nach Existenzialismus roch, bugsierte auf dem Weg zum Tisch mit der Hüfte eine Farbdose zurück ins Gleichgewicht und stellt die Leinwand schließlich mit triumphierenden Grinsen vor Liam ab.
"Tadaa! Die Nautilus. In ihrer ganzen tentakeligen Pracht." dann setzte er sich auf den Stuhl und blies sich einen Staubflusen vom Ärmel.

Re: Dort wo Künstler zu Hause sind [Alan, Liam]
Verfasst: Di 27. Mai 2025, 19:22
von Liam Carpenter
Liam nahm die Schale mit der Lakritze entgegen, stellte sie dann aber erst einmal unangerührt auf den Tisch. Schön mittig damit das Gewicht das altersschwache Möbel auch ja nicht überforderte.
„Dein Kopf scheint ein ziemlich geschäftiger Ort zu sein.“, antwortete er und konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Er empfand diese Offenheit als etwas sehr Sympathisches. Zumal Alans Gedankengänge häufig vielschichtiger und interessanter waren als dem Künstler selbst bewusst zu sein schien. Zugegeben die Präsentation war manchmal ein wenig… individuell. Aber das schmälerte den Inhalt nicht im Geringsten.
„Ich persönlich glaube viele Menschen empfinden eine instinktive Verbundenheit zur Natur ohne sich dem bewusst zu sein. Seattle ist so groß. Man könnte den ganzen Tag hier herumwandern und würde nicht ein Haus zweimal sehen. Und trotzdem nehmen die Leute Zeit, Mühe und Kosten in Kauf um es stattdessen lieber auf dem Trail zu tun.“
Als die Leinwände ins Kippen gerieten verspürte er den dringenden Impuls aufzustehen und irgendetwas an diesem in Bewegung geratenen Gebilde festzuhalten. Aber die Angst überwog, dass er es irgendwie schlimmer machen könnte. Also blieb er bis auf die Stuhlkante nach vorne gerutscht sitzen und zuckte ganz unwillkürlich zusammen als eine der Leinwände in formvollendeter Eleganz mit der Farbpalette kollidierte. Es war… als würde man einer Münze zusehen die sich auf ihrer Kante drehte. Jeder unbedachte Atemzug, jede Bewegung konnte sie zum kippen bringen und man konnte nie sicher sein ob sie auf der richtigen Seite zum liegen kam. Was auch immer in diesem Fall die richtige Seite war.
„Ich bin Veganer.“, antwortete er, und tatsächlich hatte er durchaus Appetit auf eine der Schokokugeln, konnte den Blick aber nicht recht von dem Disasterballet das sich im Zimmer abspielte lösen.
„Pass auf, dass du nicht…“
Zu spät. Gelbe Farbe ergoss sich auf den Fußboden und fügte dem Gesamtkunstwerk das dort bereits im Entstehen war eine weitere Nuance hinzu. Offenbar ein insgesamt ziemlich schmerzhafter Prozess – Zumindest für Allans Geldbeutel - wenn alle Farbflecken dort auf ähnliche Weise entstanden waren. Er erinnerte sich daran, dass irgendein berühmter Mensch mal etwas über Kunst und Leiden gesagt hatte. Aber er konnte das Zitat nicht zur Gänze zusammenfügen.
„Ich wünschte ich könnte dir dazu irgendetwas schlaues sagen. Oder zumindest irgendwas Motivierendes. Aber die Wahrheit ist, ich wusste lange nicht was mit mir los ist und ich bin weit davon entfernt es zu verstehen. Ich meine… ich wusste mein Leben würde anders sein, wenn ich nach Hause komme, aber da habe ich an… aus den Augen verlorene Freunde gedacht, mit denen sich meine Wege vielleicht nicht wieder kreuzen würden. Daran, dass vielleicht mein Lieblings Café geschlossen worden sein könnte. Dass man vermutlich die Flure in Trakt B endlich neu gestrichen hat. Und daran, dass meine Kommilitonen über Filme reden würden die ich nicht gesehen habe. Nicht an so absurde Dinge wie… Mord und Werwölfe und Magie. Und das Problem ist nicht einmal das sie absurd sind. Ich meine natürlich sind sie das. Aber damit könnte ich mich arrangieren. Das Problem ist das all das jetzt mein Problem ist. Es sollte aber nicht mein Problem sein. John sollte noch am Leben sein und ich sollte niemals erwacht sein. Und zwar nicht, weil ich seine Probleme nicht will, sondern weil er sie vermutlich irgendwie hätte lösen können, während das Beste was ich bisher zu Stande bekommen habe ist mir eine blutige Nase zu holen.“
Je länger er sprach umso deutlicher schlich sich ein Unterton von Verzweiflung und zielloser Frustration in seine Stimme. Und als ihm klar wurde wie nah der Damm hinter dem er all das verschlossen hielt dem Bersten war, zwang Liam sich dazu einmal tief durchzuatmen um diese Gefühle wieder zurück in die dunkle Ecke zu verbannen in der sie sonst den ganzen Tag über saßen um ihn klammheimlich auszulachen. Er war schließlich nicht hier um Alan mit seinen Selbstzweifeln zu überschütten.
Um sich von diesen Gedanken für den Moment zu distanzieren stand er auf um sich das Bild aus der Nähe anzusehen.
„So ähnlich hab ich mir die Nautilus von der Form her auch immer vorgestellt. Wie ein Fisch unter Fischen. Aber in meinem Kopf hat sie mehr Schnörkel. Es ist wirklich spannend das Meer so bedrohlich inszeniert zu sehen. Ich hab das selbst nie so empfunden.“
Re: Dort wo Künstler zu Hause sind [Alan, Liam]
Verfasst: Mi 28. Mai 2025, 07:36
von Alan Blackwell
"In meinem Kopf herrscht ein größeres Chaos als in meinem Atelier. Es ist ein Labyrinth mit tausend Abzweigungen - und alle sind miteinander vernetzt. Kennst du das Sprichwort 'sich in den Gedanken verlieren'? Das kann ich gut. Zu gut. Manchmal merke ich es gar nicht und werde dessen erst bewusst, wenn mich irgendjemand drauf anspricht und fragt, weshalb ich so abwesend wirke. Manchmal bin ich von mir selber genervt - vor allem, weil diese Gedanken in der Regel nichts weiter als Spinnerei sind. Zeitverschwendung, die von innen heraus auf mich einprasselt und mich nicht in Ruhe lässt; mir teilweise sogar verbietet, klare Gedanken fassen zu können. Fast so, als wäre der Kopf viel zu voll mit ... Spam!" mit einem Ausdruck existenzieller Tiefe, den sonst nur Philosophen beim Blick in Gewitterwolken tragen, rührte Alan nachdenklich in seinem Tee – wobei er versehentlich einen Pinsel statt des Löffels erwischte und es einen Moment dauerte, bis ihm der ungewöhnlich bittere Duft auffiel. "Oh, verdammt! Genau das meine ich! Dann passieren immer solche Sachen!" fluchte Alan, während er den Pinsel erschrocken aus der Tasse zog – nun triefend mit einer Mischung aus Earl Grey und Tiefschwarz. Kurz entschlossen tauchte er ihn in ein Glas mit der Aufschrift 'NICHT TRINKEN!!!', welches vermutlich Terpentin oder einen anderen Farblöser enthielt. Die Flüssigkeit darin zischte leise, als sich Teerfarbtöne mit altem Pigmentschlamm verbanden. Alan schnappte sich ein altes Küchentuch, das bereits alle Farben des Regenbogens gesehen hatte, und tupfte den Pinsel trocken – irgendwie. "Na gut ...", murmelte er, als er aufstand "... da dürfte noch genug heißes Wasser im Kocher sein. Bin gleich wieder bei dir!" schnell stand er wieder in der kleinen Kochnische, zwischen Farbdosen, verirrten Pinseln und einem halb aufgerissenen Kekskarton. Dort angelte Alan eine frische Tasse aus dem Schrank – oder vielmehr das, was im Atelier als 'frisch' durchging: leicht getönt vom letzten Aquarellversuch, aber grundsätzlich sauber und funktionstüchtig. Er goss das noch dampfende Wasser aus dem Kocher langsam über das Teesieb und während der Tee zog, balancierte er mit der Tasse zurück durch das kreative Minenfeld auf dem Boden; vorsichtig, als trüge er einen Schatz.
"Mord? Werwölfe? Was zum Fick?" Alan riss entgeistert die Augen auf.
"Willst du mir etwa sagen, es gibt wirklich Werwölfe? Oder gar so Krams wie Vampire? <Wieso nicht, du kannst ja auch Magie wirken, Alan!> Vielleicht sogar Wechselbälger? Himmel hilf...! Und überhaupt: Mord? Wer ist John? Oh Gott!"
Langsam dämmerte ihm, dass er bislang nur an der Oberfläche der Welt der Magi gekratzt hatte. Das, was er wusste, war kaum mehr als ein Staubkorn auf dem Deckel einer Schatztruhe – oder eher: der winzige Tropfen am Rand eines Suppentellers, dessen Inneres tief, fremd und unheimlich war. <Oh shit!> Hinter dem Tellerrand, tief in der brodelnden Schüssel verborgen, lauerte eine andere Realität. Und wenn Alan Liams Ausführungen richtig deutete, dann war diese Realität nicht nur seltsam - sondern auch verdammt gefährlich.
"Ich wusste nicht, dass da so viel mit dranhängt. Wir kriegen also nicht nur diese fragwürdige Gabe sondern werden auch gleich in eine Welt voller - jetzt wo sie existieren vermutlich ehemaliger - Fabelwesen und Gefahren geworfen? Na super. Ich kündige! Wo ist der Vertrag, den ich nie unterschrieben habe?" Alan stemmte die Hände in die Hüften, schnaubte durch die Nase und warf einen Blick zur Decke, als erwarte er dort oben einen kosmischen Personalverantwortlichen, der ihm mit einem Klemmbrett und einem müden Lächeln das Austrittsformular reichen würde. Doch statt göttlicher Intervention antwortete ihm nur ein leises Knarzen aus den Dachbalken – vermutlich der stille Kommentar eines alten Hauses, das schon lange wusste, dass niemand je so einfach wieder aus dieser Welt hinausfinden würde.
"Das ist wie in einem schlechten Buch, Liam. Was kommt als als Nächstes? Elitäre Machtgefüge, in denen erfahrene Magi sich über die Neuerwachten stellen und sie vielleicht sogar für ihre Zwecke missbrauchen? Machtkämpfe? Oder Intrigen? Sowas ist nicht meine Welt. Ich bin mehr so ... die Butterblume auf der Wiese. Ich steh' total auf Harmonie und alles-ist-gut und alle-haben-sich-lieb ... blutige Nasen und Mord sind da 'ne ganz andere Hausnummer!"
Alan wedelte mit den Händen in der Luft, als könnte er die Vorstellung von Intrigen und Blutvergießen einfach wegwedeln wie lästige Fruchtfliegen. "Wirklich, Liam – ich bin Team Lavendeltee, nicht Team okkultes Schattengerangel!" dabei drehte er sich schwungvoll um, nur um im selben Moment mit dem Fuß eine Farbtube zu erwischen, die sich mit einem kläglichen 'Plopp' verabschiedete und ihren Inhalt in einer großzügigen lila Pfütze auf dem Boden verteilte.
Alan starrte auf das Malheur, seufzte schwer und murmelte: "Siehst du? Genau deswegen sollte ich nicht in gefährliche Parallelwelten geraten. Ich komm ja nicht mal mit pigmentierter Flüssigkeit klar." Alan blieb wie angewurzelt stehen und atmete tief durch.
"Okay. Contenance! Es hilft ja alles nix." er klatschte sich leicht mit beiden Händen auf die Wangen, als könne er sich selbst zur Ordnung rufen. Für einen Moment wirkte er wie ein zerstreuter Schauspieler kurz vor dem großen Auftritt – nervös, aber entschlossen. Dann wandte er sich wieder Liam zu und sagte mit ernsterer Stimme: "Liam, ich kenne deine Probleme zwar nicht im Detail, aber meine Mutter hat immer gesagt: Wenn du helfen kannst, dann hilf. Und ich weiß verdammt gut, wie mies es ist, mit all dem allein dazustehen. Also - du kannst auf mich zählen. Ehrensache."
Alan wusste selbst nicht genau, warum ihm so viel daran lag, Liam beizustehen. Vielleicht war er ein hoffnungsloser Idealist? Vielleicht war es in der Sympathie begründet, die er für Liam empfand? Vielleicht war es aber auch die stille Verzweiflung in dessen Blick, die Alan an eigene Nächte erinnerte – Nächte, in denen niemand gekommen war, um ihn aufzufangen. Oder möglicherweise war es einfach dieser instinktive Impuls, der sich meldete, wenn jemand zu zerbrechen drohte. Alan hatte das Gefühl, dass Liam genau wie er in eine Welt geworfen worden war, für die es keine Anleitung gab und in der jeder so ziemlich auf sich selbst gestellt war.
Re: Dort wo Künstler zu Hause sind [Alan, Liam]
Verfasst: Mi 28. Mai 2025, 18:39
von Liam Carpenter
Liam nickte.
„Ich kann dir versichern Werwölfe sind sehr real.“
Es war wirklich schwer nicht an etwas zu glauben das einen gegen Wände warf.
Er rieb sich die Schulter und verzog dabei das Gesicht als sich ein unangenehmes Pochen seinen Rücken hinab fortpflanzte. Die Prellung war weit genug abheilt dass er sie nicht mehr bei jedem Atemzug spüre, aber eine falsche Bewegung oder Berührung genügte und sie machte sich unangenehm bemerkbar. Vermutlich würde es noch eine ganze Weile dauern bis er sich ganz davon erholt hatte.
„Entschuldigung bitte, ich wollte dich nicht beunruhigen. Und ich will dich da wirklich nicht mit hineinziehen.“
Alans Reaktion erschien ihm wie ein Echo seiner eigenen Überforderung. Und in gewissermaßen war sie das vermutlich auch. Sie waren beide ganz unvermittelt in eine Welt geworfen worden die sie kaum richtig erfassen, geschweige denn verstehen konnten. Es war eigentlich nicht fair von ihm Alan noch mehr davon aufzubürden. Aber jetzt wo er einen Teil davon ausgesprochen hatte, drängten sich so viele Worte von innen gegen seine Lippen. Er musste einfach mit jemandem reden. Jemandem dem gegenüber er offen sprechen konnte. Seufzend gab er auf und ließ sich zurück auf den Stuhl sinken.
„Weißt du es ist so dass… mein Stamm hat…“
Wie hatte sie es ausgedrückt.
„… eine Affinität dazu Werwölfe hervorzubringen. Bitte frag mich nicht was das bedeutet abgesehen davon dass es unter den Mitgliedern meines Stammes Werwölfe gibt. Es gibt wohl soetwas wie Kraftknoten im Reservat. Kraftknoten die Magier nutzen können die für die Werwölfe aber besondere Orte sind. Jedenfalls… John… John war ein Mitglied meines Stammes. Ein Magus. Der einzige Magus. Und er ist getötet worden. Vor einem Jahr. An dem Tag als ich erwacht bin. Bei einem Zusammentreffen der Magiergemeinschaft. Es gab wohl eine Art magisches Duell zwischen ihm und einer Frau namens Yubilee die Kraft von einem dieser besagten Knoten gestohlen haben soll. John hat versucht zu vermitteln und das war anscheinend die Art und Weise wie entschieden werden sollte ob sie den Werwölfen übergeben wird oder gehen kann. Kurz nach dem das Duell beendet war, war John tot…“
Er schwieg einen Moment um Alan wenigstens die Chance zu geben seiner wirren Erklärung zu folgen. Aber er tat sich schwer damit das alles auf das nötigste herunterzubrechen. Dazu konnte er selbst viel zu wenig Muster, Plan oder Zusammenhang darin erkennen.
„John hat eine Schwester… Kele. Sie ist eine Garou, also ein Werwolf. Sie hat alles mit angesehen und hat die versammelten Magier angegriffen. Seitdem ist die Beziehung zu den Werwölfen schlechter denn je. Yubilee ist geflohen und der Mord an John ist nie aufgeklärt worden. Es… das ist einfach nicht richtig, weißt du. Niemand aus der Magiergemeinschaft hat sich darum gekümmert der Sache auf den Grund zu gehen. Ich hab versucht etwas herauszufinden aber… ich war nicht dabei und es ist so lange her… Ich tappe immer noch völlig im Dunkeln.“
Er verstummte mit einem hilflosen Schulterzucken. Er hatte überhaupt nichts erreicht außer alte Wunden aufzureißen und dumme fragen zu stellen.
„Weißt du ich… ich sollte nicht… John sollte noch am Leben sein.“
Re: Dort wo Künstler zu Hause sind [Alan, Liam]
Verfasst: Fr 30. Mai 2025, 08:05
von Alan Blackwell
"Ich kann dir versichern Werwölfe sind sehr real."
Alan starrte Liam an, als hätte dieser gerade behauptet, der Mond bestünde aus Käse. Werwölfe. Real. Zwei Worte, die in Alans Kopf wie Billardkugeln gegen alle bisherigen Überzeugungen prallten. Natürlich hatte er nie wirklich geglaubt, dass solche Wesen existieren. Das war Stoff aus Horrorfilmen; abgenutzte Halloween-Klischees – nicht Teil der Welt, in der man Miete zahlte, Steuererklärungen vergaß und Tee trank.
"Ist das nur eine ... Metapher? Also ... 'Werwolf' ein Pseudonym für 'nen stark behaarten Hells Angels? Oder meinst du wirklich Menschen, die sich bei Vollmond in 'nen Wolf verwandeln und dann ihrem Drang nachgeben, zu jagen?"
Allein das Wort Werwolf war so überladen mit Klischees, dass Alan gar nicht wusste, wo er mit dem Zweifeln aufhören und mit dem Panikschieben anfangen sollte. Wenn Liam das ernst meinte - und verdammt, er sah leider nicht aus, als würde er scherzen - dann hieß das, dass Hollywood nicht nur zur Hälfte recht hatte, sondern dass ein Teil seiner Vorstellung von Realität dringend überarbeitet werden musste.
Alan versuchte sich das vorzustellen: Menschen, die sich verwandeln. Nicht metaphorisch, wie seine Ex-Freundin, wenn sie mal wieder Hass auf ihn schob, sondern so richtig wirklich. Haare, Zähne, Klauen – das ganze, volle, haarige Programm. Instinktiv tastete Alan nach seinem Teebecher, als würde der warmgehaltene Earl Grey plötzlich als letzte Bastion rationaler Stabilität dienen.
"... und die ganzen Klischees? Silberkugeln? Selbst zum Werwolf werden, wenn man von einem gebissen wurde? Ist da auch was dran? Weißt du das? Ich ... kriege das irgendwie nicht so richtig in meinen Kopf. Als ob mein Verstand den Gedanken zu blockieren versucht. Genau so fühlt es sich mit der Magi-Sache an - und das ist irgendwie ein echt bescheuertes Gefühl."
Alan zog die Schultern hoch, als könne er sich damit gegen die einbrechende Absurdität des Moments wappnen, und nippte mit übertriebener Seelenruhe an seinem Tee, während er sich mit dem Ärmel eine Farbschliere von der Stirn wischte. Irgendwo in seinem Kopf formte sich die völlig unangebrachte Frage, ob Werwölfe wohl auch laktoseintolerant sein konnten. Typisch. Immer dann, wenn das Leben ihn mit einer metaphysischen Axt traf, dachte er an so unsinnige Dinge wie Milchprodukte.
"Okay." Alan schien sich langsam gefasst zu haben. "Zuerst einmal: Du ziehst mich nirgendwo mit rein, mach' dir da mal keinen Kopf. Dir brennt es auf der Zunge und im Herzen - das ist okay. Und es hilft, darüber zu sprechen. Und wenn es mein Entschluss ist, dir da zur Seite zu stehen - dann brauchst du deswegen kein schlechtes Gewissen zu haben. Ich weiß wie scheiße es ist, wenn der Körper ob der Last auf den Schultern nicht aufrecht stehen kann." <Ja, auch dein Leben war oft kein Ponyhof, Alan - wie oft hast du dir gewünscht, dass dir jemand die Hand reicht und dich aus dem Dreck zieht...> "Und ich weiß auch wie scheiße es ist, wenn man da alleine durch muss. Versteh' mich nicht falsch - ich weiß, dass wir uns erst seit kurzem kennen und eigentlich auch so gut wie nichts übereinander wissen. Und ich weiß auch wie komisch das klingen muss, wenn ich dir meine Hilfe anbiete. Du hättest alles Recht der Welt, mir einen krankhaften Helferkomplex ober böse Absichten - so nach dem Motto 'er hilft mir und das kostet mich später die Seele' zu unterstellen ... das ist okay. Damit komme ich klar ..." ein leiser Seufzer entwich Alan – nicht aus Resignation, sondern aus purer Reizüberflutung. "Ich mag' dich, Liam. Du bist ein netter Kerl. Und mit wem soll ich auf dem großen Fluss paddeln, wenn dich die Werwölfe wegfuttern, hm?" Alan blinzelte kurz, als ihm bewusst wurde, dass "wegfuttern" vielleicht nicht die empathischste Wortwahl in einer Unterhaltung über mögliche Todesgefahr war. "Ahhhh, ich kann mich mal wieder nicht ausdrücken." <Sortiere deinen Denkkasten, Alan! Was willst du sagen? Das Liam der erste Mensch seit Monaten ist, der mehr als ein paar Sätze mit dir gewechselt hat? Das du von Menschen in der Regel eher abgeschreckt bist, weil sie sich mit ihrem Verhalten oder ihren Worten in eine Position bewegen, die in dir den Fluchtreflex weckt? Das es bei Liam seltsamerweise nicht so ist und du ihn deswegen jetzt schon als guten Freund siehst? Das wär doch echt creepy, nach so kurzer Zeit. Auch wenns ja irgendwie so ist. Keine Fluchtgedanken. Gleiche Wellenlänge und so.> "... und wenn ich jetzt weiterrede und andere Beispiele dafür suche, was ich ausdrücken will - dann wirds vermutlich peinlich." ein langer Seufzer folgte dem Monolog, während Alans Finger nervös auf dem Tisch trommelten, als suchten sie nach der ultimativen Erklärung.
"Weißt du ich... ich sollte nicht… John sollte noch am Leben sein."
Alan schluckte. Die plötzliche Ernsthaftigkeit in Liams Stimme traf ihn unvorbereitet.
"Hey...", sagte er leise und rückte seinen Stuhl ein Stück näher: "Du hast ihn nicht ... ersetzt ... weil du wolltest. Und schon gar nicht, weil du irgendetwas falsch gemacht hast.
Alan sah Liam einen Moment lang an, als wollte er ihm mit Blicken versichern, dass es okay war, überfordert zu sein.
"Manchmal hat das Leben einfach ... irre Wendungen. Und plötzlich stehst du da, mit einer Verantwortung, die eigentlich gar nicht dir gehört. Alan zögerte kurz, dann versuchte er ein kleines, schiefes Lächeln: "Wenn ich für jede Verantwortung, die mir plötzlich aufgedrückt wurde, einen Tee bekäme ... na ja, ich wäre zwar immer noch überfordert, aber wenigstens hydriert. Mach' dir keinen Kopf - du hast es dir nicht ausgesucht! Es ist einfach so passiert - und vielleicht kannst du es eines Tages akzeptieren." Für einen Moment starrte Alan auf einen Farbfleck am Boden, als würde der ihm weiterhelfen können. "Also, ich sag’s mal so: Ich hab zwar nicht alles verstanden, was du da gerade erzählt hast ... aber das mit Johns Tod ... das klingt nicht nach 'Pech gehabt, falscher Ort, falsche Zeit'. Das riecht für mich als außenstehenden Zuhörer mehr nach Absicht beziehungsweise - wie du schon sagtest - tatsächlich Mord. Wenn sich da irgendwelche Magier diese Kraftknoten unter den Nagel reißen wollen – und die Werwölfe die natürlich nicht einfach hergeben – dann macht so ein bisschen Chaos doch plötzlich Sinn, oder? Ein Mord hier, ein bisschen Zwietracht da ... und schwupps: die Fronten sind verhärtet, alle schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein – und irgendwer Drittes freut sich, weil er sich hinterher ganz gemütlich auf die Trümmer - also die Kraftknoten - setzen kann. Ist doch fast schon verdächtig clever. Oder ich bin einfach zu paranoid. Oder zu müde. Oder beides. Whatever - man sollte mit Kele reden. Was vermutlich aufgrund eben dieser Sache als Magus nicht einfach werden sollte - ich nehme an, da hast du dir die blutige Nase geholt?" Alan fuhr sich fahrig durchs Haar und verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. "... oder wars, weil dein Stamm eine Werwolf-Affinität hat und du ein Magus bist? Es ist bestimmt schwer, als Magus in einem Stamm voller Werwölfe? Und diese Yubilee ... vielleicht macht es auch Sinn, sich mit der einmal zu beschäftigen?" Alans Gedanken sprangen wild umher und raubten seinen Worten die Struktur. Irgendwo polterte eine Leinwand, aber Alan ignorierte es tapfer - aber das Geräusch schien einen Schalter in seinem Verstand umzulegen und ihn aus dem unkontrollierten Redefluss zu reißen: "Oh, es tut mir Leid, Liam! Ich möchte mich da nicht einmischen. Ich meine ... ich möchte es schon, aber ich habe nicht das Recht dazu! Wenn dir die Sache zu privat ist und du es dir nur von der Seele reden möchtest, ohne dass ich meinen Senf dazugebe - dann höre ich sofort auf darüber nachzudenken und lausche nur still!" Alan machte eine theatralische Geste, als würde er einen Reißverschluss über seinen Lippen zuziehen.