Die Chipmunks

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Adrian Williams
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Registriert: Do 18. Sep 2025, 16:29

Die Chipmunks

Beitrag von Adrian Williams »

Es war mittlerweile ganz schön kalt geworden. Der Wind pfiff eisig durch Adrians Collegejacke, seine Hände waren in den Taschen vergraben, während er zügigen Schrittes über den grauen Bürgersteig ging. Das allerdings nicht, weil er fror. Sondern weil seit zwei Jahren Hektik jeden seiner Tage erfüllte und er gar nicht mehr langsamer gehen konnte.
Sein Blick lag am Boden, nahm die abgeplatzten Ecken der Bodenplatten und ihre über die Jahrzehnte immer schiefer stehenden Flächen aber nicht wirklich wahr. Was er wahrnahm war "Battle Beast", deren Sängerin gerade eine absurde Ballade darüber sang, wie sie während einer Weltraumreise auf einer fremden Welt gestrandet war und den Weg nach Hause suchte. Das Wichtige war aber nicht der Text, auch wenn der ihn manchmal durch seine Blödheit aufheiterte - und er war sich sicher, dass es auch so gedacht war. Das Wichtige waren die Wut und die Kraft, die in Noora Louhimos Stimme lagen. Sie schrie und gröhlte an seiner Stelle. Gegen all den Trübsinn und die Hoffnungslosigkeit, füllte seine Batterien wieder auf.

Was für ein Scheißtag schon wieder. Er war kein Stück mit seinen Studien weitergekommen. Stattdessen war er nur im Labor gewesen und hatte geschraubt. Das machte so auch schon lange keinen Spaß mehr. Aber er brauchte die Kohle dringender als einen kleinen Schritt in Richtung Abschluss. Oder redete er sich das nur ein, weil er keine Lust mehr auf Theoriebücher hatte und mit der Arbeit prokrastinierte? Es war zum Verrücktwerden. In seinem Kopf herrschte Chaos. Ein Labyrinth aus halbfertigen Überlegungen, von denen die meisten negativ auszugehen drohten.

Er öffnete die Tür zu seinem Wohnhaus und polterte die Treppe hinauf, deren hohlen Widerhall im Hausflur er dank noise cancellation nicht wahrnahm. Auch den Gruß seiner Nachbarin erwiderte er nur, weil er wusste, dass er gekommen sein musste "Abend Mrs. McDowll!" Jetzt erst nahm er die Kopfhörer runter und lächelte die ältere Dame freundlich an, die gerade vor ihrer Tür gefegt hatte.
"Schönen Abend noch, mein Lieber." hörte er sie noch sagen, ehe sie sich in ihre Wohnung zurückzog. "Ja, für Sie auch, Mrs. McDowell."
Er schob den Schlüssel ins Schloss, zog die Tür zu sich ran, damit er ihn auch drehen konnte und öffnete sie mit einem Ruck. Denn sie klemmte. Subtilität war da nicht zu machen. Jeder wusste, wenn er nach Hause kam. Manchmal fragte er sich, ob ihm dadurch Dinge entgingen.

"Heeey, bin zu Haaause!" rief er langgezogen in die Wohnung, aus deren tieferem Inneren ein gemütliches, gelbliches Licht drang. Er schlüpfte aus seinen Sneakers und schob sie an die Wand, streifte die Jacke ab und warf sie über die Lehne eines Stuhls in der Nähe der Tür. Eine helle Stimme kam aus der Wohnung zu ihm zurück "Heeey!"

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Adrian Williams
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Re: Die Chipmunks

Beitrag von Adrian Williams »

Das klang doch gar nicht schlecht. Adrian lief an der offenstehenden Klotür vorbei und stieg dabei mit einem großen Schritt über einen schwarzen Rucksack, der mitten im Flur lag. Die Schlafzimmertür mit dem Taylor Swift Poster war verschlossen.

Es war keine besonders ausladende Wohnung. Im Prinzip war es nur ein Zimmer mit einer Küchenniesche und eben das Schlafzimmer, in das man gerade so ein Doppelbett hineinbekam – wenn man vorher mit Buddelschiffen geübt hatte.

Im Wohnzimmer stand eine gut durchgesessene Couch, die Adrian second hand gekauft hatte. Sie hatte nur runde Ecken und einen grauen Bezug, der überall schon aufgerieben war. Davor lagen drei Zeitschriften auf dem Boden, sowie eine Ansammlung von Kleidungsstücken. Auf dem Hocker, der eigentlich immer als Beistelltisch umfunktioniert wurde, lag das leere Papier eines Schokoriegels. Sein Blick fiel darauf, er seufzte. ”Was?! Ey, du kommst schon wieder SO spät. Ich hatte Hunger. Ich hab‘ immer noch Hunger.” Ihre Stimme hatte von der Tür aus noch so süß geklungen. Seine liebe, kleine Schwester. Jetzt war sie schon wieder auf Konfrontationskurs.

”Ich hab‘ nichts gesagt.” versuchte er, mit diplomatischer Kürze. Aber er wusste, dass es nicht durchgehen würde.

”Ich hatte Hunger! Und Zucker bringt Energie. Außerdem war’s nur einer.”

”Hey, ich hab‘ ja nichts gesagt. Aber… im Kühlschrank muss doch noch was sein. Und ich weiß, dass du schon ganz gut kochen kannst, Chipmunk.” er schmunzelte, versuchte sie mit einer Mischung aus charmanter Stichelei und Kompliment wieder reinzuholen.

Jetzt reichte es. Ihre beiden schwarzen Zöpfe flogen wild um ihren Kopf, als sie sich mit aller Kraft aus dem viel zu weichen Sofa stemmte, um an Adrian vorbeizustürmen.

”RAAAAH!” stöhnte sie wütend und ging zum Kühlschrank um ihn aufzureißen. ”Ja hier, toll. Ich mag keine Scheiß Hot Dogs.”

Mit einem tiefen Durchatmen erschien Adrian in ihrem Rücken. Gerade rechtzeitig, um die aus dem Kühlschrank fliegende Packung Würstchen aufzufangen.

”Was, wieso nicht?“ verteidigte er seinen Einkauf.

”Eh? Weil da TOTE TIERE drin sind, du Froschhirn! Das ist voll daneben. Ich fress‘ ja auch nich‘ Mrs. McDowall, bloß weil die aus Fleisch is‘.”

Ein ungesehenes Augenrollen hinter ihrem Rücken und ein weiteres, tiefes Durchatmen. ”Okay.” begann er so ruhig wie irgend möglich. ”Pancakes?”

Es verging ein langgezogener Augenblick, in dem beide einfach so dastanden. Sie mit der offenen Kühlschranktür in der Hand, er abwartend dahinter.

”Sollst mich nich‘ „Chipmunk“ nennen. Bin kein kleines Kind mehr…” kam es verbittert, aber irgendwie vom vorherigen Wutausbruch erschöpft.

”Sorry, hab ich vergessen.” gab Adrian zu und drückte sanft ihre Schulter. “Cathy.“ Sie machte die Türe wieder zu und drehte sich herum, um ihn zaghaft zu drücken, aber nur kurz. Dann ging sie zurück zum Sofa und murmelte

“Ape-rian“

Er schmunzelte erleichtert. Vorerst war die Bombe entschärft. Gespielt warnend begann er ”Das hab ich gehört. Also Pancakes?”

Sie hatte schon wieder ihr Smartphone vor der Nase und sagte knapp, aber süßlich “Jap.“

”Weißt du, du kannst mir echt helfen.”

”Nope.” sie schaute nicht einmal auf, während sie ihren Freunden Messages tippte.

Er überlegte kurz, ob er sie noch mit etwas aufziehen sollte, weil sie sich aufführte wie ein Teenager, obwohl sie gerade einmal 11 war. Aber stattdessen machte er sich an die Pancakes. Genieß den Frieden, solange er anhält.

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