Emerald City

Liam hatte sich mit Adrian an einer der zahlreichen Fahrradreparaturstationen verabredet die sich über den Campus verteilten wie Streusel auf einem Stück Kuchen. Sie erinnerten ein bisschen and die Reifendrucksäulen wie man sie an Tankstellen fand und enthielten neben einer Luftpumpe auch Reifenflicken und Kleber, sowie das nötige Werkzeug für kleine Reparaturen.
Da er heute Morgen mal wieder beinahe die Kette verloren hatte schob er seinen Drahtesel aktuell lieber. Es war ein recht altes Rad dem man aber die liebevolle Pflege durchaus ansehen konnte. Der Rahmen war blau und beklebt mit zahlreichen bunten Fischaufklebern und die Klingel hatte die Form einer Kaffeetasse. Hinten im Körbchen schmiegten sich gesellig zwei To-Go Thermo-Becher und eine Tupperdose mit Schokokeksen aneinander.
Er stoppte auf Höhe der Station und sah sich nach Adrian um.

Nach ein paar Minuten konnte Liam den bunten Vogel angelaufen kommen. Er hatte wie immer einen Recht beschwingten, wenn nicht ist stürmischen Gang an sich. Auf seinem Kopf thronten die Kopfhörer. Heute trug er einen alten, halb leer aussehenden, hellblauen Rucksack auf dem Rücken.

Die Reparaturstation kannte er, daher hielt er zielstrebig darauf zu, bis er seinen neuen Bekannten entdeckte und lächelnd eine Hand zum Gruß hob. Als er schließlich das Fahrrad und dessen liebevollen Besitzer erreichte, blieb er stehen. Sein Blick musterte das Rad und die durchhängende Kette. Er nickte, nahm die Kopfhörer ab und widmete sich Liam.
"Hi, Liam! Na, alles klar bei dir? Hast du die Hausarbeit schon fertig?" dabei stellte er seinen Rucksack ab, woraufhin ein sanftes, metallisches Klimpern ertönte.

„Hi Adrian! Das hier ist der Patient. Ich hab heute morgen schon wieder die Kette verloren.“
Er machte eine Geste als wolle er das Rad präsentieren wie einen Neuwagen. Dann seufzte er leise als seine Hausarbeit zur Sprache kam.
„Erinnere mich nicht daran. Es ist nicht so als würde ich keine Fortschritte machen, aber… naja Pareto… Struktur steht. Inhalt steht. Formatierung und Korrektur dauern ewig.“
Diese verfluchte 80/20 Regel… warum musste dieser Mann damit immer recht haben obwohl er schon so lange tot war.
„Bedien dich. Ich hab Kaffee und Kekse mitgebracht.“
VERNÜNFTIGEN Kaffee.
„Meinst du, du kannst das wieder richten mit der Kette?“

Der Mechaniker nickte fachmännisch und nahm das präsentierte Gefährt in Augenschein. "Verstehe, dann wird's Zeit."
Mit dem Thema Hausarbeit hatte er nicht gerade den Gute-Laune-Punkt bei Liam getroffen. Er seufzte in Mitgefühl. "Hach ja... das nervt echt. Irgendwann will man's auch nicht mehr lesen, huh?"

Mit einem Lächeln nahm sich der Buntschopf einen Keks und nickte Liam dankbar zu. "Cool, danke!" er steckte sich den Keks in den Mund um beide Hände frei zu haben und drehte das Rad auf den Kopf, sodass es auf Lenker und Sitz stand und die Räder gen Himmel zeigten. Dann hockte er sich davor, drehte am Pedal und beobachtete kauend wie die Kette Glied für Glied über die Zahnkränze rollte. Immer wieder sprang sie über. Es rasselte deutlich hörbar.* "Hm." machte Adrian und stellte sich wieder hin. Er leckte sich über die Lippen und schaute sich nach dem Kaffee um, von dem er sich einen nahm. Er führte ihn an seine Nase und roch an den aufsteigenden Dämpfen. Das war etwas Anderes als das, was man aus Susan rausbekam. Anerkennend nickte er Liam zu und nahm einen Schluck. Dann deutete er auf das Rad.

"Die Kette ist zu lang geworden. Wir könnten 'n paar Glieder rausnehmen, damit es wieder passt." er zuckte mit den Schultern "Oder 'ne neue Kette draufziehen." er deutete mit dem Kopf in Richtung des Rucksacks. "Ich hab eine mitgebracht. Aber ich würd's erstmal mit der alten versuchen. Dann hast du die neue in Reserve, falls es echt nicht mehr geht."

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Fahrrad analysieren: Int+Tech gg. 7 = 3 Erfolge

Liam atmete mit einem hörbaren Seufzen aus und ließ das als abschließenden Kommentar zu seiner Hausarbeit so stehen. Das Thema interessierte ihn durchaus. Das war gar nicht das Problem. Aber all die Formalia und Anforderungen an eine wissenschaftliche Arbeit waren manchmal schon ein bisschen strapaziös. Auch wenn ihm natürlich klar war welchen Sinn und Zweck sie besaßen und dass es durchaus relevant war sich darüber Gedanken zu machen. Es war einfach nur sehr trocken.
Er nahm die Kaffeebecher aus dem Korb damit Adrian das Rad umdrehen konnte und sah ihm dann aufmerksam bei der Anamnese zu.
„Das klingt nach einem guten Plan. Magst du mir erklären was du machst? Dann kann ich mir nächste Mal hoffentlich selbst helfen.“
So unbezwingbar konnte das Problem ja wohl nicht sein.
Während er Adrian beim werkeln zusah begann er sich langsam an das Thema heranzutasten, dass ihm seit dem Ausflug zum Duwamish Gardens Park im Kopf herumging.
„Wir haben übrigens einen gemeinsamen Bekannten: Mateo. Die Welt ist echt sowas von klein manchmal. Falls er dir von seinem unfassbar coolen Unipatenonkel erzählt haben sollte: das bin ich.“
Er lächelte schief um zu unterstreichen wie wenig ernst er das cool meinte.

"Oh ja, klar." Adrian grinste und nahm noch einen Schluck Kaffee, ehe er den Becher behutsam am Boden abstellte und in seinem Rucksack kramte. "Ich hab ehrlich gesagt gegoogelt. Ist ewig her, dass meine Mom mit mir 'n Rad repariert hat. Aber das Prinzip is eigentlich ganz leicht." er zog ein Werkzeug mit einer schmalen Aussparung und einer blauen t-förmigen Handkurbel aus dem Rucksack und präsentierte es Liam mit einem stolzen Grinsen. "Das is'n Kettennieter." er stand auf und beugte sich zu Liam, damit er es genauer sehen konnte. "Hier schau mal, da kommt so'n Bolzen raus, wenn man's zudreht." er winkte seinen neuen Freund zum Fahrrad und hockte sich davor um auf die Verbindung zweier Kettenglieder zu deuten. "Hier, die beiden Glieder halten durch so einen ähnlichen Bolzen zusammen. Den schiebt der Nieter dann raus oder rein." Er begann, die Kette straffer zu ziehen und sich das Ganze nachdenklich anzuschauen. "Jetzt müssen wir nur rausfinden, wie viele Glieder wir rausnehmen müssen, damit's wieder passt." er zuckte mit den Schultern "Aber zur Not machen wir's halt mehrmals."

Er zog den Kaffeebecher zu sich heran und nahm einen weiteren Schluck, ehe er sich eine geeignete Stelle suchte, um den Kettennieter anzusetzen. Dann fing Liam ein interessantes Small Talk Thema an. Adrian erstarrte kurz vor Überraschung und drehte den Kopf zu Liam. "... Echt jetzt?!" er lachte auf. "Das gibt's doch nicht. Hat er wirklich! Ich hätt' es mir gleich denken können, dass Du das bist. Wow, freut mich dich kennenzulernen, supercooler Unipatenonkel." er klopfte ihm gegen den Oberarm und zwinkerte.
"Ja und falls er Dir... oh Mann, was hat er Dir über mich erzählt?" jetzt schielte er ein wenig verschüchtert zu Liam und versuchte, seine Konzentration in Richtung Fahrradkette zu lenken. Es gehörte sich ja auch nicht unbedingt, auf diesem Wege Mateos private Gespräche auszuspionieren. Besonders, wenn sie von der Art waren, die er sich spontan vorstellte. Er winkte ab "Nee, lass gut sein, das geht mich nichts an... Ich bin froh, dass er dich hat. Er ist hier noch ganz schön allein, hab ich das Gefühl."

Liam hockte sich neben Adrian ab um erst das Werkzeug und dann die Kette zu begutachten.
„Das sieht simpler aus als ich erwartet habe.“
Aber ja… klar. Bolzen hält Kettenglied. Warum sollte es komplexer sein als das.
„Hmm… zwei vielleicht.“, versuchte er die Länge abzuschätzen die sie abnehmen mussten.
„Vielleicht drei. Aber ich denke better safe than sorry und wir fangen mit zwei an. Was denkst du?“
Später noch ein weiteres rausnehmen war vermutlich einfacher als eins wieder rein zu fummeln.
Er verlagerte sein Gesicht ein wenig um hinter ihnen nach den Keksen greifen zu können.

Die freundliche Geste mit der Adrian ihm das Prädikat supercool unangefochten überließ malte ein Schmunzeln auf sein Gesicht.
„Sehr viel Gutes.“, antwortete er ein wenig vage um Adrian ein bisschen die Unsicherheit zu nehmen ohne dabei Mateos Privatsphäre zu verletzen.
„Ich glaub nicht, dass das lange so bleibt. Also dass er alleine ist, meine ich. Er hat hier in nicht mal einem Semester mehr Bekanntschaften geschlossen als ich in nem ganzen Jahr.“
Er hatte nicht das Gefühl, dass es Mateo schwer fiel Anschluss zu finden. Er ging sehr gerne und offen auf Leute zu und hatte ein Talent für einen sympathischen ersten Eindruck.
„Geh mal mit ihm zum Karaoke. Er ist ein echter Partylöwe.“
Der Tonfall verriet das freundschaftliche Necken das hinter diesen Worten steckte. Auch wenn sie in Teilen durchaus ernst gemeint waren. Er bewunderte Mateo dafür wie wenig Hemmungen er hatte sich auf diese Bühne zu stellen.

Er nickte, während er bereits den Kettennieter ansetzte um die Glieder zu entfernen. "Klingt gut."
Adrian hielt die Hand so, dass er den herausfallenden Bolzen und das Kettenglied auffangen konnte. Er schob den Bolzen halb ins Glied, damit er nicht verlorenging und legte es dann auf den Boden unter dem Rad um mit dem nächsten fortzufahren.

Dass Mateo viel Gutes über ihn erzählt hatte, wusste er nicht zu kommentieren. Er schmunzelte nur verlegen. Er hatte echt keine Ahnung, welcher Art die Gespräche zwischen den beiden waren, wie vertraut und offen. Und selbst wenn, was würde Mateo über ihn sagen?

"Stimmt, er ist nicht scheu." dann hob er die Augenbrauen erstaunt an. Mateo war ein Partylöwe? "Karaoke? Ja, das müsst ich mir echt mal anschauen. Er hat erwähnt, dass er sich auch was dazu verdient mit Singen. Ist bei einer Band eingesprungen." dann nickte er in Richtung Liam "Und du singst auch? Ich bräuchte erstmal ein paar Drinks, damit ich mich selbst nicht mehr höre."

Liam hob abwehrend die Hände.
„Ich würde lieber sterben als Karaoke zu singen. Mir ist das super unangenehm. Ich bewundere jeden der sich da so zwanglos drauf einlassen kann.“, gab er ganz offen zu.
„Ich bin zu verkopft für sowas.“
Er hatte eine Tendenz dazu die Dinge zu zerdenken.
Um einen Moment Zeit zu gewinnen nippte er an seiner Kaffeetasse. Jetzt wo er den Bogen zu Mateo geschlagen hatte starrte der Elefant im Raum ihn erwartungsvoll an und er hatte nicht die geringste Ahnung wie er ihn zur Sprache bringen sollte ohne, dass es für sie beide maximal unangenehm wurde. Schließlich gab er es auf und entschied sich das Problem frontal anzugehen. Jedoch nicht ohne mit einem leisen Seufzen Adrians guter Meinung über ihn hinterher zu trauern.
„Okay… ich kann das nicht ansprechen ohne das es irgendwie awkward wird. Ich schwöre ich habs versucht. Deswegen mach ichs jetzt einfach wie mit einem Pflaster und frag dich ganz direkt. Dir ist bestimmt klar, dass Mateo mehr als nur ein bisschen für dich über hat. Und naja als wir uns das erste Mal getroffen haben… da meintest du, du würdest in deiner Freizeit mit deiner Freundin abhängen. Ich mein Freundin ist super unspezifisch und vielleicht hast du das auch nur gesagt damit der komische Entenflüsterer dir nicht auf den Wecker fällt, aber… es ist mir wieder eingefallen als Mateo mir von dir erzählt hat und ich möchte einfach nicht, dass man ihm das Herz bricht.“
Immerhin war es jetzt raus.

Die Offenheit, mit der Liam seine Unsicherheit zugab, war sympathisch. Nicht jeder musste ja im Mittelpunkt stehen und Karaoke war schon eine spezielle Sache. Adrian nickte ihm anerkennend und bekräftigend zu. Dann machte er sich daran, die verkürzte Fahrradkette wieder zu verschließen. Es war jetzt deutlich mehr Spannung darauf, was gut war. Was er vielleicht zu wenig bedacht hatte, waren die schwarzen, öligen Finger mit denen er hier weggehen würde.
In Gedanken suchte er nach dem nächstgelegenen Waschbecken, da hörte er Liams Seufzen neben sich. Er machte eine Pause und nahm selbst noch einen Schluck Kaffee. Jetzt bloß nicht zu genießerisch gucken, aber der Kerl hatte wirklich einen besseren Geschmack als er.

Adrian schaute Liam an. Der wirkte auf einmal ziemlich dramatisch, hatte aber Probleme zum Punkt zu kommen. Hatte Adrian irgendwas verpasst? Schließlich dämmerte es so langsam, als ihr erstes Treffen zur Sprache kam. Ein Schmunzeln der Erleichterung trat in das zuvor angespannt lauschende Gesicht von Adrian. Bei der Bezeichnung "komischer Entenflüsterer" musste er sogar lachen. Er machte eine abwinkende Geste um der Situation die Schärfe zu nehmen, ehe er mit Worten besser erklären konnte, was Liam wissen wollte. "Okay also... ich hab's nicht nur für den komischen Entenflüsterer gesagt." er machte eine Pause und überlegte, was er dazu sagen sollte. Letztlich zuckte er mit den Schultern "Wir sind einfach BFFs. Mit der Uni und der Arbeit sehen wir uns nicht so oft, darum haben wir mittwochs 'n festen Termin, verstehst du?"
Er wandte sich wieder dem Fahrrad zu, auch wenn er nicht so recht die Konzentration hatte, direkt weiterzumachen. Also schaute er das Rad erstmal nur an. "Ich will Mateo auch nicht das Herz brechen. Aber du siehst ja, ich brauch 'n Termin um meine Freundin zu sehen. Er hat mehr Aufmerksamkeit verdient. Und ich weiß nicht, wie." er warf Liam einen reumütigen Seitenblick zu. "Romantik ist zur Zeit nicht meine Stärke."