Schnitzen will gekonnt sein [Liam]

[Liam Carpenter]

„Kann man das erkennen?“
Liam drehte das kleine Stück Holz hin und her und betrachtete es von allen Seiten, während Lontra ihn mit kritischem Ausdruck auf dem Gesicht dabei beobachtete. Er hatte es sich auf einem der flachen großen Steine am Flussufer bequem gemacht und sie trieb neben ihm in der Luft aus dem Rücken als würde sie sanft von einer unsichtbaren Strömung bewegt.
„Ich denke schon.“, stellte sie fest, nur um dann einen Atemzug später nachzusetzen…
„Wenn das ein Erdnussflip sein soll.“
… und dabei das kurze Aufflackern von Schöpferstolz das in Liam hochkroch mit einem Eimer Eiswasser abzulöschen.

Er seufzte.
„So schlimm? Ich finde die Flügel sind mir ganz gut gelungen.“
„Siehst du das ist das Problem. Erdnussflips sollten keine Flügel haben.“, gluckste sie belustigt und drehte sich dann mit einer fließenden Bewegung auf den Bauch um den Kopf in die aufgestützten Hände zu legen. Auf welcher metaphysischen Oberfläche auch immer ihr das möglich war.
„Warum fragst du nicht deine Mutter ob sie das für dich macht?“
Mit einem letzten kritischen Blick auf den kleinen Erdnussflipfasan gab Liam diesen Versuch auf, warf ihn neben sich ins Gras und angelte nach einem neuen Stück Holz.

„Ich finde es sollte schon meine eigene Arbeit sein. Ich finde das drückt mehr Respekt und Wertschätzung aus. Am Ende ist die Kette dann vielleicht nicht ganz so hübsch wie meine Mutter sie machen würde, aber irgendwie… persönlicher.“
Das kam ihm in diesem Zusammenhang wesentlich wichtiger vor als die reine Ästhetik.
„Also bevor mein Anhänger aussieht wie eine nasse Gurke wäre mir die mir die weniger persönliche Variante deiner Mutter lieber. Du machst doch auch einen Otter oder?“
Lontra brachte es fertig die Frage zugleich interessiert und vorwurfsvoll klingen zu lassen. Als wolle sie ihn präventiv für ein Nein bereits schelten. Als wäre der Gedanken an ein Nein bereits absolut empörend.
„Natürlich. Der Otter kommt in die Mitte.“
Darüber der Mond als Symbol für den Ursprung der Magie. Rechts und links daneben würden Fasan und Lachs ihren Platz finden. Warum das so sein musste wusste er nicht genau. Konnte es jedenfalls nicht in Worte fassen. Bei der Anordnung der Tiere folgte er einer Art Instinkt. Demselben Instinkt der ihm sagte, dass seine Kette am Ende mehr als vier Figuren umfassen würde, auch wenn sich ihm jetzt noch nicht offenbart hatte von welcher Gestalt die anderen Tiere waren. Die Zeit würde ihm zeigen ob es andere Geister gab die bereit waren ihn zu führen und ihm beizustehen.

Er hatte noch immer nicht völlig verarbeitet was sich gestern Morgen vor ihm abgespielt hatte, als er versuchte der Tarotkarte ihre Informationen zu entlocken. Er hatte sich dem Land hier immer sehr verbunden gefühlt, aber niemals wäre er auf die Idee gekommen die Geister die es beseelten um Hilfe zu bitten. Sein Selbstbild war von dem eines Schamanen so weit entfernt gewesen wie es nur hatte sein können. Schließlich hatte er zwanzig Jahre ohne die Gabe des Sehens gelebt. Und doch waren sie gekommen als er sie gerufen hatte. Das alles kam ihm noch immer sehr surreal vor. Er war über den Punkt hinaus, dass er die Realität der Ereignisse anzweifelte. Was ihm schwer zu akzeptieren fiel war eher die Erkenntnis, dass er daran beteiligt gewesen war sie zu bewirken. Und doch ließ es sich nicht leugnen.

Er wusste nicht recht wie er darüber denken sollte. Das war eine wahnsinnig große Verantwortung. Noch eine Verantwortung mehr von der er nicht wusste ob und wie er ihr gerecht werden konnte. Und zugleich wusste er, dass man ihm ein besonderes Geschenk gemacht hatte. Eines für das er seine Wertschätzung unter anderem dadurch zum Ausdruck bringen wollte, dass er diese Kette anfertigte. Er wünschte nur wirklich er wäre ein bisschen begabter in diesen Dingen.
Unschlüssig wie er beginnen sollte drehte er das frische Holz in seiner Hand und blickte dann zu Lontra hoch die ein abfälliges Geräusch von sich gab.
„Sieht zu sehr nach Kartoffel aus. Kannst du gleich dahin werfen wo das andere liegt.“, kommentierte sie und Liam seufzte schon wieder.
„Aber ich hab doch noch gar nicht mit diesem Stück angefangen.“