Die Augen des Engels

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Mateo
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Registriert: So 31. Aug 2025, 14:42

Die Augen des Engels

Beitrag von Mateo »

Die Stadt war laut, lebendig, unübersichtlich. Zwischen Beton, Glas und Stahl bewegten sich Menschen wie Wasserströme – fließend, unberechenbar. Mateo stand auf dem Rand eines niedrigen Daches, die Hände ruhig an den Seiten, den Blick auf die Gasse unter ihm gerichtet. Es war nicht das erste Mal, dass er Parcour machte. Aber heute war etwas anders. Es war das erste Mal in dieser Stadt. Der Stadt, die er kennenlernen mußte. Seiner neuen Heimat.

Er griff in die Tasche seiner Jacke und holte den Rosenkranz hervor – schlicht, aus Holz und Messing, von seiner Großmutter gesegnet. Die Perlen glitten durch seine Finger, während er leise sprach. Kein lautes Gebet, sondern ein innerer Ruf.

„Heiliger Erzengel Gabriel… schärfe meine Sinne. Lass mich sehen, was verborgen ist. Führen, nicht nur fliegen. Amen.“

Die Welt um ihn begann sich zu verändern. Nicht sichtbar – nicht mit den Augen. Aber spürbar. Der Effekt war subtil, aber tiefgreifend. Eine grundlegende Übung seiner Magie, die es ihm erlaubte, den Raum um sich herum zu „fühlen“. Nicht durch Sehen, Hören oder Riechen – sondern durch reines Bewusstsein. Die Stadt wurde zu einem Muster, das sich in seinem Geist ausbreitete: Mauern, Vorsprünge, Bewegungen, sogar die Vibrationen der vorbeifahrenden Autos.

Er konnte den Verlauf der Gasse spüren, die Höhe der Container, die Textur der Backsteinwand, die Entfernung zum nächsten Geländer. Es war, als hätte Gabriel selbst ihm die Karte der Welt in die Seele gelegt.

Mateo atmete tief durch. Dann sprang er.

Sein Körper bewegte sich wie Wasser über Stein – fließend, präzise, geführt. Jeder Schritt war sicher, jeder Griff intuitiv. Er war nicht schneller als sonst, aber bewusster. Die Stadt war kein Hindernis, sondern ein Lied, das er mitsang. Und während er sich durch die urbane Landschaft bewegte, wusste er: Dies war mehr als Training. Es war Gebet in Bewegung.

Am Ende der Strecke, als er auf einem Dach zum Stehen kam, blickte er zurück. Die Welt war wieder still. Aber in ihm hallte sie nach – klar, geordnet, gesegnet.

Abernmals holte er seinen Rosenkranz hervor und schaute in Richtung des Himmels. "Ich danke dir, Heileriger Erzengel Gabriel, für den Segen, den du mir hast zuteil werden lassen. Amen"

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