Die Kapelle war leer. Nur das flackernde Licht einer einzelnen Kerze tanzte über die Gesichter der Heiligen, die in stiller Erwartung an den Wänden hingen. Mateo kniete auf dem kalten Steinboden, den Rosenkranz fest um die Finger geschlungen. Seine Lippen bewegten sich kaum, aber jedes Wort war ein Ruf – nicht aus Routine, sondern aus Not.
Der Tag war grau gewesen. Die Gesichter in der Schule, die Worte, die ihn trafen wie Schläge. Der Übergriff – schnell, brutal, sinnlos. Mehrere Jugendliche, voller Hass, hatten ihn überfallen. Ihre Gewalt war blind, aber gezielt. Als er sich endlich losreißen konnte, war sein Körper zerschlagen, sein Geist erschüttert. Doch er war nicht gebrochen. Mit letzter Kraft hatte er sich in die Kapelle geschleppt – blutend, taumelnd, verzweifelt.
„San Pedro Calungsod,“ flüsterte Mateo, „du warst jung. Du hast geglaubt. Du hast gelitten. Sieh mich....“
Es war kein Gebet mehr. Es war ein letzter Atemzug. Ein Ruf aus der Tiefe seines Wesens. Und dann veränderte sich etwas.
Die Luft wurde schwer. Nicht stickig – bedeutungsvoll. Die Kerze flackerte nicht mehr. Sie brannte still, wie eingefroren in der Zeit. Und dann: Klang. Kein Geräusch, sondern ein inneres Beben. Ein Chor, leise und doch allumfassend. Licht, nicht blendend, sondern warm und durchdringend.
Ein Engel erschien. Gehüllt in Flammen und Gesang. Ein Wesen aus den Himmlischen Heerscharen des Erzengels Michael – sein Avatar.
Mateo sah ihn nicht mit den Augen, sondern mit dem Herzen. Die Welt öffnete sich. Die Muster der Schöpfung begannen sich zu zeigen – in den Rissen der Wand, im Rhythmus seines Atems, im Gewicht der Worte, die er nie ausgesprochen hatte.
Der Rosenkranz in seiner Hand begann zu glühen. Nicht heiß, sondern lebendig. Die Perlen strahlten wie kleine Sonnen, und Mateo spürte, wie sich die Realität verformte. Gebet wurde zu Macht. Die Engel sangen – und Mateo sang mit.
Es war brutal und heilig zugleich. Schmerz und Licht, Blut und Gnade.
Als er die Augen wieder öffnete, war die Welt nicht mehr dieselbe. Die Kerze brannte wieder normal. Die Kapelle war leer. Aber in ihm war etwas erwacht – eine Stimme, ein Licht, eine Ordnung. Magie, geboren aus Gebet. Ein Gebet, das sein Leben gerettet hatte.
Er stand auf, langsam, wie jemand, der zum ersten Mal geht. Die Schmerzen waren noch da, aber sie waren mehr ein stilles Echo.
Ein neuer Weg hatte begonnen. Und Mateo war nicht mehr allein.