Die Nacht war still.
Seattle lag unter einem feuchten Schleier aus Nebel und Straßenlicht, und Mateo saß auf dem Dach von Maple Hall, die Knie angezogen, die Stirn gegen die Jacke gelehnt.
Er hatte gehofft, der Wind würde helfen.
Den Kopf freimachen.
Die Gedanken sortieren.
Aber sie blieben.
Wie Stimmen, die nicht verstummen wollten.
„Du bist nicht bei dir.“
Die Stimme kam nicht von außen.
Sie war in ihm.
Klar.
Sanft.
Aber unnachgiebig.
Mateo hob den Kopf.
Sein Avatar stand neben ihm, wie aus dem Nebel geformt.
Ein jugendlicher Engel, kaum älter als zehn, mit Augen wie tropisches Wasser und Flügeln aus Licht und Klang.
„Du versuchst, deine Kräfte zu kontrollieren, ohne dich selbst zu kennen. Das ist gefährlich.“
Mateo seufzte.
„Ich versuche, klarzukommen. Das ist alles.“
Der Avatar setzte sich neben ihn, die Bewegungen fließend, fast menschlich.
„Du bist ein Magus. Aber du bist auch Mateo. Und wenn Mateo sich selbst verleugnet, wird der Magus nie ganz sein.“
Ein Moment der Stille.
Dann sagte Mateo leise:
„Mein Leben hat sich nicht komplett geändert. Nur weil ich jetzt Magus bin, bin ich nicht plötzlich jemand anderes.“
Der Avatar sah ihn an, mit einem Blick, der Mitleid und Mahnung zugleich war.
„Aber du tust so, als müsste sich nichts ändern. Als könntest du alles tragen, ohne dich selbst zu sehen.“
Mateo schwieg.
Er dachte an seine Familie.
An seine Eltern.
An seine Brüder.
An die Verantwortung, die er nie wollte, aber jetzt hatte.
„Wenn du mehr mit dir selbst beschäftigt bist als mit dem, was du beschützen sollst, wirst du dein Potential nicht erreichen. Und du wirst andere in Gefahr bringen.“
Die Worte hallten nach.
Nicht wie ein Vorwurf.
Wie eine Wahrheit, die sich nicht wegdiskutieren ließ.
„Es ist nicht einfach,“ sagte Mateo.
„Ich weiß nicht, wie man das macht. Wie man ehrlich zu sich selbst ist, wenn man nicht mal weiß, was man fühlt.“
Der Avatar legte eine Hand auf seine Schulter.
„Dann fang damit an, es zuzulassen. Nicht alles zu wissen. Nicht alles zu kontrollieren. Sondern einfach zu sein.“
Mateo schloss die Augen.
Der Wind war noch da. Doch ebenso die Gedanken und sie blieben unsortiert.