Preparati la bara! [Hifumi, Elena (SL)]

[Hifumi]

Viele andere wären in Panik verfallen, wenn sie sich plötzlich tot wiederfänden. Nicht aber Hifumi. Sie wusste, dass der Tod unausweichlich war - und dass er nur einen Trittstein in das nächste Dasein darstellte, und auch nur solange, wie man noch im Samsara gefangen war.

Als erstes prüfte sie ihre Außenwelt. Weder besonders heiß, noch besonders kalt. Gut. Damit erwartete Hifumi keine Wiedergeburt in den buddhistischen Höllen.
Als sie in sich hineinhorchte konnte sie auch kein verzehrendes Verlangen feststellen. Gut. Ihr war also keine Wiedergeburt als hungrige Tote bestimmt.
Sie schaute an sich herab. Weder trug sie ein weißes Gewand, noch fehlten ihr die Beine. Sie sah eigentlich so aus wie lebend, samt der gleichen Kleidung. Also auch keine Jurei. Das ließ nur einen Schluss zu für die strenggläubige Buddhistin.

"Ich... ich bin eine Ikiryo? Eine Projektion meinerselbst - als körperloser Geist? Und ich hätte das tun können, all die ganze Zeit?"

Hifumi schaute an sich herab, strich sich über ihren Körper. Halb fasziniert, halb ehrfürchtig, aber keinesfalls erschreckt oder eingeschüchtert.
Die brave Betschwester hatte viele Defizite, aber Angst vor dem Tod, Angst davor diesen Bereich auszuloten und zu erforschen - das gehörte nicht dazu. Vielleicht hatte Elena doch die richtige Wahl bei der Auswahl ihrer Schülerin getroffen.

"All die anderen Leute - ihnen ist weder besonders heiß noch besonders kalt. Sie wirken auch nicht hungrig und ruhelos. Sind... sind sie auch Ikiryo? Oder wie passt dieses Totenreich ins Bild?"

Die Japanerin wirkte sehr wissbegierig. Wollte sich mit eigenen Augen (oder dem, was Geister stattdessen haben) ein Bild davon machen und vervollständigen, wo die Toten hingingen - nicht nur aus religiösen Schriften, deren Autoren behaupteten, diese Dinge zu verstehen.

[Mystiker]

Elenas Mundwinkel hoben sich nur eine Winzigkeit, während sie Hifumis Reaktion musterte. Sie war offensichtlich zufrieden mit der Reaktion ihrer Schülerin. "Nun. s gibt viele Glaubensbereiche und alle haben ihre eigene Definition von Hölle und ewigen Leben nach dem Tod. Nichts davon trifft so richtig zu. Dies ist das Totenumbra. Es ist der Platz an dem verstorbene Seelen kommen, bevor sie vollends sterben und ins das große Vergessen gesogen werden, welches sich dort unten befindet." sie deutete auf den ummauerten Ring in der Mitte des Platzes. "All diese Seelen, die du hier siehst sind gestorbene Menschen und Magier. Was man hier interessanterweise nicht findet sind Werkreaturen wie die Wölfe." sie seufzte.

"Du hättest das...noch nicht tun können. Deine Kräfte sind noch nicht weit genug für diese Art der Reise. Uns unterscheidet derzeit, dass ich im Gegensatz zu dir, hier nur zu Gast bin." Sie sah Hifumi aufmerksam an. "Dein Körper liegt noch in meinem Wohnzimmer auf der Schwelle zwischen Leben und Tod. Du hast zwölf Stunden, um deinen Weg zurück zu finden. Schaffst du es nicht, wird der silberne Faden, der aus deiner Brust kommt reißen und du wirst sterben. Kommst du aber zurück, bist du offiziell ein Mitglied der Euthanatos und wir werden dein Studium des Schicksals und der Sphäre der Entropie weiter vertiefen." Sie schmunzelte. "Ich erwarte dich." mit diesen Worten und einem Lächeln verblasste Elenas Gestalt und lies Hifumi erst einmal allein zurück.

[Hifumi]

Wißbegierig saugte Hifumi diese neuen Informationen auf. "Totenumubara...?" sprach sie dieses fremde Wort nach, wollte schon weitere Fragen stellen, aber da war Elena auch schon verschwunden.

Waren 12 Stunden viel Zeit? Wenig Zeit? Die Japanerin hatte zudem keine Ahnung wo sie war, wo dieser Ort in Relation zu Elenas Wohnung lag - und ob Richtungen, Oben, Unten, ja das ganze Konzept von Raum und Zeit eine Rolle spielte in dieser fremden Dimension.

Der Silberfaden war wohl so etwas wie eine gespannte Nabelschnur, etwas das die Richtung zu ihrem Körper anzeigen konnte. Hifumi drehte sich, bis der Silberfaden möglichst geradeaus zeigte. Und dann setzte sie sich in Bewegung, darauf bedacht in niemanden zu laufen, und gesunden Abstand zu dem Brunnen des Vergessens und seinen Eruptionen zu halten. Sie hatte keine Ahnung was es mit ihr machen würde, wenn sie damit in Kontakt käme, aber es wäre sicher nichts gutes.

[Mystiker]

Hifumi stellte bald fest, dass der Faden sich als Kompass nur bedingt eignete, denn er schien einfach aus ihrem Körper heraus zu kommen, aber nicht direkt eine Zielrichtung anzuzeigen. Er bewegte sich zwar auch nicht, aber er zeigte beinahe immer direkt von ihr weg, egal in welche Richtung sie sich bewegte. Nur, wenn er sich etwas kräuselte zeigte er leicht in eine andere Richtung. Aber dieses kräuseln schien keinerlei Bedeutung zu haben.

Hifumi verließ bald darauf den Platz auf dem sie "erschienen" war und tauchte in das Gewirr aus Gassen zwischen den halb verfallenen Häusern ein, die den Platz umgaben. Es war schwer hier drin eine gewisse Orientierung zu waren. Zwar sah hier nichts gleich aus, aber Hifumi hatte auch nicht das Gefühl, dass Richtungen und Entfernungen hier so funktionierten wie sie es gewohnt war.

Außerdem hatte sie das ungute Gefühl beobachtet zu werden. Immer wieder stellten sich ihre "imaginären" Härchen auf, auch wenn sie sich sicher war, dass es eher ein ungutes Gefühl war, schien ihr Geist dieses Gefühl noch einmal umzudeuten. Hifumi beschleunigt ihre Schritte. Dann plötzlich trat ein Wesen aus aus einem der Gebäude hinaus, was auf den ersten Blick nicht hier her gehörte.

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Die Gestalt, die offensichtlich einen Eulenkopf hatte, winkte Hifumi in das Gebäude und lies dabei eine gewisse Dringlichkeit erkennen, bevor es wieder zurück trat. Inzwischen hatte Hifumi nicht nur das Gefühl verfolgt zu werden, sondern auch das Gefühl, dass sie dieser Erscheinung folgen sollte, wenn sie nicht endgültig in Vergessenheit geraten wollte.

[Hifumi]

Den Silberfaden als Kompass zu gebrauchen - es hätte so gut klappen sollen, aber tat es nicht. Je mehr sie herumirrte, umso mehr fühlte Hifumi sich wie die gehetzten Kandidaten im Wabenlabyrinth in Takeshi's Castle - von einem ähnlichen Raum in den anderen stolpernd, die Orientierung verlierend, nur noch darauf wartend dass ein Wilder sie fauchend ansprang, von Tür zu Tür hetzte, und dann im brackigen Wasser zu landen. Nur dass die Einsätze hier nicht so waren, dass sie nur nass und für diese Woche ausscheiden würde - es ging um den Tod, vielleicht sogar das Vergessenwerden.

Ehe sie der eulenköpfigen Figur folgte, faltete Hifumi die Hände und wiederholte immer wieder und wieder ihr Gebet, mit dem inniglichen Wunsch sicher heimzukommen.

"...Nam-Myoho-Renge-Kyo, Nam-Myoho-Renge-Kyo, Nam-Myoho-Renge-Kyo..."

Gepriesen sei das Lotus-Sutra. Das eine eherne Gesetz, dem sich alle unterwerfen mussten, ganz gleich ob Götter, Dämonen, eulenköpfige Fremde, Vergessensbrunnen, oder dumme mädchenliebende Schlampen wie Hifumi. Mit diesem Gebet immer noch auf den Lippen folgte sie der Gestalt, die sie so herbeirief. Nicht dass sie dieser Gestalt sonderlich vertraute. Aber für den Moment gab es wohl einfach keinen anderen Weg, der nicht nur daraus bestand blindlings von ähnlich aussehender Gasse zu anderer ähnlich aussehender Gasse zu stolpern, mit der vagen Hoffnung auf ihren todlosen Leib in Elenas Wohnung zu stolpern.