An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

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Hifumi
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Hifumi »

Hifumi bezahlt ihre Einzelkarte in bar, die Münzen und Scheine bereits sorgfältig abgezählt. Fast schon entschuldigend erklärt sie ihrem Begleiter, als sie das Drehkreuz passieren:

"Das ist von dem Geld, das ich als Partyprinzessin verdient habe. Der Tempel sieht, was ich mit der Karte mache über die mein Stipendium läuft, und würde bestimmt hinterfragen was eine brave YWD-Leiterin an so einem Ort macht."

Während sie in Richtung der Umkleiden schlendern, fährt sie fort:

"Ich... weiß noch nicht ob ich weiterstudieren will. Ich bin damals eher in Psychologie und Sozialarbeit reingeschlittert, in meinem Auslandsjahr an der University of Southern Maine. Es schien ganz passend zu meinem Hauptstudium.

Und nach Southern Maine bin ich eigentlich auch nur gekommen, weil sie eine Partneruni der Risshō-Universität war. Ursprünglich wollten mich meine Eltern gar nicht studieren lassen und hätten lieber gesehen, dass ich direkt heirate. Am Ende hat es auch nur geklappt, weil ich so gute Noten hatte - und weil ich sie überzeugen konnte, dass ich mit so einem Abschluss bestimmt einen besseren Ehemann finden könnte. Und natürlich nur, wenn ich nur an Hochschulen ginge, wo Leute vom Tempel aufpassen können dass ich nicht unter die Räder komme und ich solche Flausen entwickle wie Kakushin Yakumari."


Kurz vor den Umkleiden hält sie an.

"Unsere Wege trennen sich jetzt. Treffen wir uns, hmm...", sagt Hifumi, die Karte an der Wand studierend und auf einen Punkt zeigend, "...an diesem Sprungturm?"

Sie beißt sich auf die Unterlippe und schaut ein wenig verlegen.

"I-ich traue mich noch nicht so ganz, mich so aufreizend zu zeigen. Mir wäre da wohler mit einem Beschützer. Nur falls mich jemand für eine Dirne hält und so behandelt."
"Auf jeden Winter wird unweigerlich ein Frühling folgen."
- Nichiren

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Liam Carpenter
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Liam Carpenter »

Liam nickte. Der Sprungturm war ein guter Ort um sich wiederzufinden. Er war schwer zu verfehlen.
„Das mach ich gern. Dann bis gleich.“
Er bog in Richtung der Männerumkleiden ab um sich umzuziehen. Er ging nicht davon aus das Hifumi einen Beschützer brauchen würde. Um diese Zeit bestand, seiner Erfahrung nach, das Publikum hauptsächlich aus Berufstätigen und einigen wenigen Studenten. Leuten die herkamen, weil sie Schwimmen als Sport betrachteten. Nicht unbedingt die Art Besucher denen er übergriffiges Verhalten zutraute. Aber wenn sie sich dadurch sicherer fühlte, war er gerne bereit ihr Gesellschaft zu leisten.
Es brauchte nicht lange um in seine Badesachen zu wechseln. Er schloss seine Tasche ein, duschte sich ab und fand sich dann am Sprungturm ein wie abgemacht. Er trug eine einfarbig dunkelblaue anliegende Shorts. Nichts Besonderes. Er war kein Fan von Speedos. Er hatte keine Ahnung wie so wenig Stoff so unbequem sein konnte. Aber genau so wenig konnte er es leiden, wenn seine Badehose super weit war und ihn in der Bewegung behinderte. Körperanliegende Shorts waren der perfekte Kompromiss.

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Hifumi
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Hifumi »

In der Damenumkleide lässt Hifumi sich einen Moment mehr Zeit. Nicht etwa, weil sie stereotypisch für ihr Geschlecht besonders trödeln würde (mit über fünf Frauen auf einem einzigen WG-Badezimmer gewöhnt man sich das schnell ab), sondern weil sie sich zwei Minuten Zeit nimmt, abseits der wachsamen Augen ihrer Mitsektiererinnen zu studieren, wie sie in dem ungewohnten Zweiteiler wirkt.

Der mit schrägen Regenbogenstreifen bedruckte Triangel-Bikini hatte Hifumi einfach gefallen, und brachte ihre zierliche Figur gut zur Geltung. Er war keinesfalls besonders aufreizend oder schlampenhaft geschnitten, aber für Hifumi war es das verruchteste und verführerischste, was sie jemals an einem so öffentlichen Ort getragen hatte.
Die junge Frau, die ihr aus dem Spiegel über dem Waschbecken entgegenblickte, sich drehte und posierte... Hifumi würde sie sehr gefallen, wenn sie sie anschauen und mit ihr flirten würde! Und Maddy würde sie hoffentlich auch gefallen!

Dieser kleine Boost im Selbstbewußtsein schmilzt mit jedem Schritt ab, der sie aus dem geschützten Raum für Frauen wegführt. In der Schwimmhalle ist ihre Körpersprache unsicher, ihr Gesichtsausdruck verlegen. Und obschon das Frühschwimmpublikum ihr nur beiläufiges Interesse schenkt, hat Hifumi das Gefühl, dass hinter ihrem Rücken jeder Mann sie anstarrt und mit Augen auszieht.
Und dass da sicher auch ein paar Mädchenhändler darunter waren, die sie alleine aufgrund ihres Kleidungsstils als Dirne einstuften und nur schon auf eine Gelegenheit warteten, sie mit Drogen bewußtlos zu machen und mit einem Schlampenstempel zu versehen, der es ihr unmöglich machen würde j e m a l s wieder einem ehrbaren Beruf nachzugehen. (Eine sehr ernsthafte Gefahr, laut den Lehrfilmen über Amerika, die sie und ihrer Mitsektiererinnen vor ihrer Reise anschauen mussten. An jeder Ecke waren Mädchenhändler, die nur darauf lauerten unschuldige Japanerinnen wie Hifumi beim kleinsten Fehltritt drogensüchtig zu machen, mit einem Schlampenstempel zu brandmarken und dann zu zwingen, sich mehrmals täglich ganzen Rudeln von Freiern hinzugeben.)

Als sie den schon ein wenig früher angekommenen Liam erkennt, beschleunigt sie ihre Schritte und stellt sich zu ihm und spricht ihn ganz offen an, einfach um den ganzen Mädchenhändlern zu zeigen dass da ein Mann war der ein Auge auf sie hatte und nicht kampflos zuließ, dass man sie unter Drogen setzte und verschleppte, um ihr einen Schlampenstempel zu verpassen.

"Starten wir erst einmal mit ein oder zwei Bahnen? Ich war schon seit Jahren nicht mehr im Wasser, ich denke ich muss erst einmal wieder reinkommen.
Es tut mir sehr leid, wenn ich Sie dadurch unnötig verlangsame, Mister Carpenter."


Hifumi beachtet Liams unbedeckten Oberkörper nicht einmal beiläufig, so als ob sie keinerlei Interesse daran hätte.
Umgekehrt erwartete sie bereits, von Liam mit Blicken ausgezogen zu werden - das war halt einfach, was Männer mit hübschen jungen Frauen wie Hifumi machten, wenn sie sich so schamlos und schlampenhaft präsentierten, und wenn sie so seine Wollust weckte war es einzig und alleine Hifumis Schuld. Sie hätte sich schließlich züchtiger kleiden können.
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Liam Carpenter
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Liam Carpenter »

„Ach das macht nichts. Ich freue mich, wenn ich ihnen helfen kann die Freude am Schwimmen wiederzufinden.“
Er meinte das ganz ehrlich. Für ihn war Schwimmen eine seiner liebsten Aktivitäten und er teilte diese Begeisterung gerne mit anderen.
Er musterte Hifumi einen Moment.
„Steht ihnen gut.“
Es war ein Kompliment ohne jeglichen Hintergedanken. Und tatsächlich blieb die sexuelle Anziehung zwischen ihnen trotz ihres Bikinis bei einer null auf einer Skala von eins bis zehn. Da war absolut nichts in Liams Blick, Worten oder Umgang mit ihr, dass irgendeine Form von Interesse verriet. Weil er schlicht und ergreifend kein Interesse an ihr hatte. Natürlich nahm er zur Kenntnis das sie gutaussehend war. Aber… sie war eben eine Frau. Ihr schien es nicht anders zu gehen. Und ehrlich gesagt war er froh darüber.
Er ließ sich vom Beckenrand ins Wasser gleiten und wartete bis sie ihm folgte.
„Schwimmen ist wie Radfahren. Man verlernt es nicht wieder, wenn man es einmal richtig kann. Sie kommen sicher schnell wieder rein.“

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Hifumi
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Hifumi »

Hifumi ist halb überrascht, halb enttäuscht und halb verblüfft, als ihre so verruchte Präsentation keine größere Reaktion auslöst. Drei Wünsche auf einmal? Aber das Leben keine Kinderüberraschung, und sie selbst zeigte ja auch keine Erregung darüber Liam so knapp bekleidet zu sehen.

Natürlich nur, weil sie so eine anständige Betschwester war, die sich so im Griff hatte und ihr natürliches Verlangen nach einem knackigen Mann, dem sie sich als Weib unterwerfen konnte, bereits überwunden hatte (im Gegensatz zu ihren Untergebenen, die einfach noch nicht so weit waren - als 25jähriger unverkäuflicher Weihnachtskuchen hatte sie oft genug den Schwärmereien ihrer so viel jüngeren und unreiferen Teenagerinnen zu lauschen, die teilweise schon verlobt waren).

"Sollten wir nicht zum 'du' wechseln? Ich meine wir haben einander bereits halbnackt gesehen."

Sie kichert etwas albern.

"Ich bin Hifumi. Oder Hifumi-chan, je nachdem was dir lieber ist."

Die junge Japanerin braucht eine halbe Bahn, bis sich die Muskelerinnerungen aus ihrer Zeit als Mädchen in der Mittelstufe und ihr heutiger Körper als junge Frau wieder im Einklang befinden. Halb unter Wasser befindlich ist sie auch nicht mehr so verlegen über ihre mangelnde Kleidung.
Sie konnte natürlich nicht von sich aus Schritt halten mit jemand Stärkeren, der regelmäßig schwamm, aber sie gab sich Mühe.

Sobald beide ungefähr gleichzeitig an einem Beckenrand antreffen, hält sie einen Moment an.

"Ich denke, ich kann noch eine Weile länger gehen. Wenn ich dich nicht zu sehr aufhalte."

Etwas furchtsam fügt sie hinzu:

"Aber sage bitte mir, wenn du gehen musst. Ich... ich wäre gerne in männlicher Begleitung auf dem Weg zur Umkleide, damit nicht ein Mädchenhändler denkt er könne mich auf meinem Steißbein als Schlampe abstempeln und seinem Stall hinzufügen."

Sie sieht keinen Grund, diese Bitte weiter zu elaborieren. Laut Hifumis Informationen durch ihre Sekte war Amerika voller Mädchenhändler, die japanische Mädchen ständig danach bewerteten wie sie sich kleideten und sie verschleppten und als Eigentum tätowierten, wenn sie so schlampenhaft auftraten wie Hifumi mit ihrem verruchten Bikini. Auch hier, in diesem frühmorgendlichen Hallenbad. Liam hatte als Amerikaner sicher auch schon davon gehört!
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Liam Carpenter
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Liam Carpenter »

Liam nahm das Angebot dankbar und gerne an. Er legte nicht übermäßig viel Wert auf solche Förmlichkeiten. Sie fühlten sich für ihn immer ein wenig gezwungen an und schafften Abstand und Hierarchie wo das häufig gar nicht nötig war.
„Ich bin einfach nur Liam.“, antwortete er lächelnd. Anfangs passte er sein Schwimm-Tempo sehr stark an ihres an. Aber je besser sie wieder in ihren Rhythmus fand umso weniger musste er sich zurückhalten.
„Ich weiß furchtbar wenig über die japanische Kultur und Sprache. Was bedeutet das -Chan hinter deinem Namen?“
Klar war ihm das in der Popkultur schon begegnet. Aber er war immer sehr vorsichtig damit den Bildern welche die Medien ihm von anderen Kulturen zeigten zu vertrauen. Dafür sah er seine eigene Kultur viel zu oft verzerrt und romantisiert in Film und Fernsehen.
Als sie beide einige Bahnen später gleichzeitig Beckenrand ankamen hielten sie einen Moment inne.
Das Hifumi ihn bat noch eine Weile zu bleiben war die eine Sache. Was ihn für einen Moment sprachlos machte war die Begründung die sie ihm dafür gab. Mädchenhändler… Steißbeinstempel… er konnte kaum glauben was er da von ihr hörte. Wenn das die Brille war durch die sie ihr Leben in Seattle betrachtete, dann war es kein Wunder, dass sie so große Angst hatte sich im Bikini zu zeigen.
„Woher kommt die Idee du wärst hier in Gefahr?“
Das hätte er sicher einfühlsamer formulieren können, aber er war schockiert von ihren Worten und das schlug sich in seiner Stimme und auf seinem Gesicht nieder. Es war ein regelrechter Dominoeffekt der in seinem Kopf ablief bei dem versuch das Schwimmbad von ihrem Standpunkt aus zu sehen.

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Hifumi
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Hifumi »

"Das -chan ist einfach ein Namenszusatz. Für ein Mädchen oder eine junge unverheiratete Frau wie mich, die halt einfach jung und noch ein weig kindisch ist. Du kannst den Zusatz auch einfach weglassen, Liam. Ich weiß von meiner Zeit in Southern Maine dass Amerikaner solche Zusätze üblicherweise nicht benutzen."

Es schien Hifumi nicht zu bekümmern, dass man sie ob ihres Personenstandes als minderwertig und infantil ansah. Aber andererseits legte sie nicht sonderlich Wert darauf, dass man sie bei jeder Interaktion daran erinnerte, im Gegensatz zu anderen Japanerinnen die weniger Erfahrungen mit den Gepflogenheiten des Auslandes hatten.

Um sie verblüffter reagiert sie, als Liam sie fragt ob sie in Gefahr wäre.

"Natürlich bin ich in Gefahr. Amerika steckt voller Mädchenhändler, die ständig ein Auge auf junge Japanerinnen wie mich haben. Wenn sie zu schlampenhaft auftreten, oder sich zu schlampenhaft kleiden, verschleppen sie sie und tätowieren ihnen einen Schlampenstempel auf das Steißbein, damit sie niemals wieder einer ehrbaren Tätigkeit nachgehen oder eine ehrbare Ehe schließen können und keine andere Wahl haben, als sich für die Mädchenhändler zu... hnng, als sich hinzugeben."

Es war schwer festzustellen mit der nassen Hifumi, aber es schien gut möglich dass sie eine Träne im Auge hatte.

"Bitte. Es ist mir wichtig, dass ich nicht so ende wie Kakushin Yakumari, die von jedermann als billigste Schlampe behandelt wird, mehrmals täglich ganzen Rudeln von Männer hergibt, wöchentlich die Abtreibungsklinik aufsucht und ein Negerbaby aufziehen muss."

Es war sehr unwahrscheinlich, das Liam jemals von Kakushin Yakumari gehört hatte, schließlich existierte sie nicht außerhalb von 'Aufklärungsvideos' von Hifumis Sekte. Aber es war vielleicht bezeichnend für ihr erzkonservatives Umfeld, dass ein dunkelhäutiges Kind auszutragen als etwas so viel schlimmeres galt, dass dieser Umstand gesondert und als Quelle tiefster Scham hervorgehoben werden musste.
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Liam Carpenter
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Liam Carpenter »

Es passte ins Bild das Hifumi sich selbst so bereitwillig herabsetzte. Sie war so tief in den sozialen Strukturen verhaftet in denen sie aufgewachsen war, dass sie ihr Selbstbild daran maß. In ihren Augen war sie genau das: infantil und unreif, weil sie in ihrem Alter noch unverheiratet war. Und so absurd es ihm auch vorkam, dass sie sich davon blenden ließ. Es war eine Realität der sie sich alle stellen mussten. Sie waren alle immer auch ein Produkt ihrer Erziehung und ihres Umfeldes. Sahen die Welt von ihrem ganz individuellen Standpunkt aus, gefiltert durch unzählige Linsen aus Erwartungen, Erfahrungen und Befürchtungen.
Das Wort Negerbaby ließ ihn innerlich zusammenzucken. Jeder andere hätte in diesem Moment von ihm massiv Gegenwind dafür bekommen. Rassismus war für ihn ein extrem wunder Punkt der ihn sehr konfrontativ und streitbar machen konnte. Aber eine Debatte darüber verfehlte hier und jetzt den Kern des Problems. Hifumi war nicht rassistisch. Sie war ein Opfer religiöser Propaganda.
Ehrlich gesagt hatte er keine Ahnung wie er damit umgehen sollte. Die Richtung die ihr Gespräch eingeschlagen hatte überforderte ihn. Wie ging man mit so einer Situation um…? Versuchte man diese Glaubenssätze herauszufordern oder würde er damit nur den Zugang zu ihr verlieren, weil sie sich von ihm angegriffen fühlte? Er hatte keine Ahnung.
„Das wird nicht passieren Hifumi.“
Egal wie irrational sie für ihn war. Für Hifumi war die Angst die sie empfand real. Also entschied er sich erstmal auf die ganz akuten Dinge zu konzentrieren. Sie schien aufgebracht und besorgt.
„Ich werde dich nachher zurück zur Umkleide begleiten.“, versicherte er ihr. Trotzdem kam er nicht umhin wenigstens ein bisschen vorzufühlen wie empfänglich sie für ein Gespräch zu dem Thema war.
„Weißt du warum mich das was du gesagt hast gerade so überrascht hat? Weil das Seattle von dem man dir erzählt hat nicht das Seattle ist in dem ich lebe. Und ich glaube es ist auch nicht die Stadt wie du sie bisher kennengelernt hast. Man hat dir Angst vor einem Seattle gemacht das es überhaupt nicht gibt.“

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Hifumi
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Hifumi »

Sie lächelt aufrichtig und erleichtert. Diese Angst, dass da Mädchenhändler waren, die junge Japanerinnen wie sie ständig beobachteten, beurteilten und sich herausgriffen, wenn sie unanständig auftraten oder sich so unanständig kleideten wie mit einem Bikini, war sehr real und erschien Hifumi auch völlig logisch im Zusammenhang mit den 'Hinweisen', die sie über das Leben in amerikanischen Großstädten erhalten hatte.

"Danke, dass du ein Auge auf mich hast, Liam."

Hifumi blickt ein bißchen überrascht angesichts der Andeutung, dass man ihr künstlich Angst machen würde.

"Welches Interesse hätte denn der Tempel, mir etwas vorzumachen? Diese Warnhinweise sind doch nur, damit wir Mädchen so fernab von zuhause nicht unter die Räder geraten und Opfer werden von Mädchenhändlern, oder haarigen Vergewaltigern in Kleidern die einem auf der Toilette auflauern, und alle den anderen Gefahren einer liberalen amerikanischen Großstadt."

Die behütete Betschwester räumt ein:

"Ich gebe zu, mit eigenen Augen habe ich es noch nicht gesehen. Aber irgend eine Grundlage müssen die Geschichten haben, von jungen Japanerinnen, die verschleppt, geschlampenstempelt und dann in die Prostitution gezwungen werden. Ich meine, euer Präsident warnt vor sehr ähnlichen Gefahren, und bestimmt kennt er das Land sehr gut."

Sie überlegt einen Moment.

"Wobei, ich habe hier in der Stadt schon junge Frauen mit Schlampenstempeln gesehen. Bestimmt unanständige Mädchen, denen genau das widerfahren ist, und die jetzt keine andere Wahl mehr haben, als für einen Mädchenhändler als Dirne zu arbeiten."
"Auf jeden Winter wird unweigerlich ein Frühling folgen."
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Liam Carpenter
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Liam Carpenter »

Tatsächlich war Hifumis Widerstand über das Thema zu sprechen nicht so groß wie er befürchtet hatte.
„Kontrolle Hifumi. Angst ist ein Mittel der Kontrolle. Insbesondere die Angst um irgendeine Form von Reinheit wird dabei häufig von konservativen Ideologien instrumentalisiert, um Frauen zu unterdrücken. Was Angst mit dir macht, ist dich in deinem konservativen Wertekonstrukt zu halten, indem sie ein Feindbild kreiert und dämonisiert das entweder bekämpft oder gemieden werden muss. Die Frauen mit den Schlampenstempeln zum Beispiel: Indem man dir gesagt hat diese Frauen minderwertig sind und ihr Umfeld gefährlich ist, hat man dich davon abgehalten mit ihnen in Kontakt zu kommen. Denn dann hätten diese Frauen dir erzählen können, dass sie Bankerinnen, Kassiererinnen, Ärztinnen oder Studentinnen sind. Warum sie sich für dieses Tattoo entschieden haben. Ob es ihnen immer noch gefällt oder ob sie es mittlerweile bereuen. Du hättest sie und ihr Leben kennenlernen können. Ein Leben, das vielleicht nicht in den Wertekanon passt, in dem du dich bewegst.“
Das Du in seiner Erklärung repräsentierte in diesem Fall ebenso sehr Hifumi wie es andere Frauen repräsentierte. Purity culture egal in welcher Form und Geschmacksrichtung war einfach so eine gefährliche Scheiße…
„Je mehr andere Menschen du kennenlernst deren Leben nicht so ist wie deins umso weiter wird dein Horizont. Umso bewusster wirst du dir deiner Handlungsspielräume.“

Er wagte sich noch einen Schritt weiter, indem er das Gespräch auf eine persönlichere Ebene hob in der Hoffnung, dass seine Worte so etwas greifbarer wurden. Weniger abstrakt.
„Ich kann das deshalb so gut nachempfinden, weil ich eins dieser Feindbilder bin. Nicht nur weil ich indigen bin, sondern weil ich homosexuell bin. Ich bin eine dieser Personen die in den Augen vieler konservativer Menschen die Reinheit anständiger Männer und Frauen bedrohen. Aber, abgesehen von dieser Magiersache… ich gebe zu die ist ziemlich schräg… habe ich ein ganz stinknormales langweiliges Leben. Ich studiere, ich gehe zum Sport. Eins meiner liebsten Hobbys ist wandern.“
Wandern war für viele Menschen der Inbegriff der Langeweile und Spießigkeit. Welche hippen, jungen Studenten gingen denn bitte wandern.
„Und auch die meisten dieser Frauen haben ein ganz normales langweiliges Leben. Weißt du, dass besonders perfide an diesem Spiel mit der Angst ist, dass sie oft einen wahren Kern hat. Wenn du danach suchst, wirst du Dinge finden, die deine Angst bestätigen. Es gibt Menschenhändler. Es gibt Zwangsprostitution. Es gibt Frauen, die ungewollt schwanger werden und sich für eine Abtreibung entscheiden. Es gibt auch Frauen, die das hinterher bereuen. Aber es gibt so viel mehr Menschen, die einfach ganz normale Leben leben. Die dir ihre Geschichten erzählen und dich inspirieren könnten. Tolle Menschen, die du nie kennenlernen wirst, weil du zu viel Angst vor ihnen hast.“
Wie immer, wenn ein Thema ihm nahe ging, wurde er recht leidenschaftlich. Er war nie gut darin gewesen sich von diesen Dingen abzuschotten. Diese Geschichten gingen ihm nah. Hifumis Geschichte ging ihm nah.

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