An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

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Hifumi
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An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Hifumi »

Es ist Dienstags früh um 7 in Queen Anne, einer sehr wohlhabenden Nachbarschaft nördlich von Belltown.

Trotz oder gerade wegen des Reichtums finden sich auch sehr erschwingliche mit öffentlichen Mitteln finanzierte Freuden in dieser Gegend, wie etwa das kleine Hallenbad Queen Anne Pool.
In der überschaubaren Schlange für die Früheröffnung steht Hifumi, gegen die morgendliche Kühle mit einem übergroßen Pullover geschützt, in dem die zierliche Frau fast versinkt, und eine Sporttasche um ihre Schulter geschlungen. Ein bißchen nervös schaut sie sich um.

Ich bin jetzt extra weit weg von Tukwila, damit ich nicht über jemanden stolpere der mich kennt. Und zu einer frühen Zeit, damit mich nicht zu viele Augen sehen. Aber die ganzen Leute, die schon da sind - was werden sie über mich denken?

Die junge Japanerin legte immer noch sehr viel wert darauf, wie andere über sie dachten und sie einordneten. Einerseits war sie neugierig darauf, wie in der frisch gekauften neuen Badekleidung aussehen würde - und sie abseits der Augen ihrer Untergebenen anzuprobieren. Aber dann war da auch die Furcht dass man sie für eine schamlose Dirne halten würde, wenn sie so herumlief.
Immerhin, es war sehr unwahrscheinlich dass sie so fern von ihrer eigenen Wohngegend in Tukwila jemand wiedererkennen würde, es würde also bestimmt nicht ganz so schlimm werden, wie sie sich ausmalte.
"Auf jeden Winter wird unweigerlich ein Frühling folgen."
- Nichiren

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Liam Carpenter
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Liam Carpenter »

Liam war einer der regemäßigen Besucher. Die frühe Öffnungszeit und dass er das Bad mit dem Rad erreichen konnte, kam ihm an Tagen an denen seine erste Vorlesung erst am späten Vormittag begann sehr entgegen. So konnte er aktiv in den Morgen starten und die Stunden im Hörsaal kamen ihm nicht ganz so lang und ermüdend vor. Ehrlicherweise empfand er besonders die langen, vorlesungsreichen Tage manchmal als strapaziös. Auch wenn ihm das Studium insgesamt sehr viel Freude machte. Das Stillsitzen in geschlossenen Räumen lag ihm einfach nicht besonders.
Mit seiner Sporttasche über der Schulter reihte er sich in die kurze Schlange vor dem Eingang ein. Ließ den Blick kurz über die Menschen vor sich gleiten. Den ein oder anderen kannte er vom Sehen. Leute mit denen er nicht wirklich bekannt war, aber denen er hier regelmäßig begegnete. Oft genug, dass man sich freundlich grüßte. Ein oder zwei hatten ihn nach seiner langen Abwesenheit tatsächlich wiedererkannt. Und mit Ann war er daraufhin sogar ins Gespräch gekommen. Allerdings war es nicht Ann an der seine Aufmerksamkeit schließlich hängen blieb, sondern ein ganz und gar unerwartetes Gesicht. Das war doch Hifumi. Im ersten Moment war er sich nicht ganz sicher. Er sah sie nur im Profil, halb verdeckt von den Leuten die zwischen ihnen in der Schlage standen. Doch als sie sich einen Moment nach hinten umwand räumte die Gebetskette die aus dem Kragen ihres Pullovers blitzte seine Zweifel aus.
Ein etwas unsicheres Lächeln wanderte über sein Gesicht und er hob grüßend die Hand. Nach ihrer letzten Begegnung war er unsicher wie er mit ihr umgehen sollte. Er hatte das Gefühl einen schlechten Eindruck bei ihr hinterlassen zu haben, auch wenn er nicht wirklich festmachen konnte was der Grund gewesen war.

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Hifumi
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Hifumi »

Hifumi blickt zu der Gestalt, die grüßend die Hand hebt - und erstarrt wie ertappt, als sie Liam wiedererkennt. Langsam schlendert sie nach hinten in die Schlange - sie hat es auf einmal sowieso nicht mehr sooo eilig, Schwimmen zu gehen.

"Oh, Mister Carpenter. Mit ihnen hatte ich gar nicht gerechnet, schon gar nicht um diese Zeit. Wir, hm, zählen wohl beide zu den Lerchen."

Ihr Smalltalk ist etwas unbeholfen, während sie nervös an der Sporttasche nestelt und sicherstellt, dass die Verschlüsse gut zugezogen sind. So als wollte sie nicht, dass irgendjemand reinspähen und sie verurteilen kann.
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Liam Carpenter
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Liam Carpenter »

„Guten Morgen. Die Überraschung ist ganz auf meiner Seite.“, antwortete Liam als Hifumi sich zu ihm nach hinten in die Schlange gesellte. Irgendwie hatte er sie nach ihrem letzten Treffen gedanklich in Richtung Tukwila verortet. Aber letztendlich war sie vielleicht auch nur dort gewesen, um zu arbeiten. Er hatte keine Vorstellung davon, wo sie wohnte.

„Lerche bin ich zumindest unter der Woche. Die langen Unitage fühlen sich für mich nicht ganz so lang an, wenn ich mich vorher ein bisschen bewegen konnte.“
Wobei er auch am Wochenende meist recht früh schon auf den Beinen war. Aber da fiel ihm die Wahl dafür sich doch noch einmal umzudrehen deutlich leichter. Wenn er sich an Tagen wie heute morgens nicht rechtzeitig aufraffte, wusste er, er würde es den Rest des Tages bereuen. Letztendlich fiel ihm das aufstehen normalerweise auch nicht so unendlich schwer.

Er musterte Hifumi kurz. Sie schien angespannt. Als würde sie sich unwohl fühlen. Hoffentlich nicht, weil sie einander hier getroffen hatten. „Also… ich… hatte das letzte Mal den Eindruck unsere Wege habe sich nach unserem letzten Treffen nicht mit einem guten Gefühl getrennt. Ich hoffe, das war nicht meine Schuld.“, wagte er dann doch den Kopfsprung und sprach seine Gedanken aus. Besser als sie mit ins Bad zu nehmen und sie noch mehr zu zerdenken. Zumal er jetzt und hier seine Pläne noch ändern und einfach joggen oder eine Runde Radfahren gehen konnte.

Vor ihnen begann langsam Bewegung in die Warteschlange zu kommen. Er sah auf seine Uhr: 7:03.

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Hifumi
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Hifumi »

Hifumi lächelt, ein wenig nervös. "Ich bin generell Frühaufsteherin. Ein anständiges Mädchen wie ich treibt sich nicht spät herum und verfaulenzt dann den ganzen Morgen, sondern geht mit gutem Vorbild und Tatenkraft voran.Es hat etwas so erhebendes, die aufgehende Sonne mit dem Daimoku zu begrüßen."

Sie blickt ein wenig überrascht, als Liam ungute Gefühle beim letzten Treffen erwähnt.

"Oh, diesen Eindruck habe ich nicht gehabt, und es tut mir leid, wenn ich einen solchen gemacht habe. Ich denke, wir waren einfach an einer Sackgasse."

Die junge Japanerin nestelt an ihrer Sporttasche herum und überlegt. Liam war Meeresbiologe und Student, und westlich geprägt - vielleicht würde er es nicht als so schlimm empfinden?

"Tatsächlich habe ich daraus viel mitgenommen. Zum Beispiel, dass ich das mit dem Schwimmen noch nachholen sollte, bevor ich es ab Herbst nie wieder kann."

Verstohlen blickt sie sich um und rückt mit ihrem Gesicht nahe heran, während sie leise spricht.

"Meine Schwestern dürfen nichts davon wissen, dass ich mich so schamlos und dirnenhaft zeige. Sie würden dann sicher schlecht von mir denken, als ein schlechtes Mädchen, das in den Männern bewußt das Verlangen nach Wollust erweckt.
Zumal ich mich nicht für einen Badeanzug entschieden habe, sondern für, hnnng..."


Es verschlägt ihr einen Moment die Sprache, und sie wirkt furchtbar beschämt. Ihre tief religiösen Moralvorstellungen waren furchtbar rückständig und antiquiert für die Verhältnisse des progressiven Seattle, und setzten Hifumi stark unter Druck, besonders darin wie sie auf andere wirkte und wie andere über sie dachten.
Instinktiv forscht sie Liams Zügen nach dessen Reaktion. Sicher würde er sie verabscheuen, als ein liederliches Frauenzimmer das sich nicht nur öffentlich halbnackt zeigte, sondern es obendrein nicht zur obersten Priorität machte, ihre Reize so züchtig wie möglich zu verhüllen. Ein gutes Mädchen wie Hifumi wusste schließlich, dass es da eine Bringschuld hatte, und dass es die Schuld des Mädchens war wenn es durch ihre Kleidung die Wollust in den Männern erweckte.
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Liam Carpenter
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Liam Carpenter »

Liam atmete auf und der Ausdruck von Anspannung verflüchtigte sich aus seinem Gesicht.
„Das beruhigt mich. Und es freut mich sehr, dass ich sie motivieren konnte. Waren sie lange nicht mehr schwimmen?“
Dass Hifumi sich seinen Vorschlag zu Herzen nehmen würde hatte er nicht erwartet. Sie hatte seinerzeit nicht sehr überzeugt gewirkt.
„Was ist denn im Herbst?“, fragte er unbedarft. Es war offensichtlich, dass er sich keinen Reim darauf machen konnte was sie meinte. Die meisten Hallenbäder hatte das ganze Jahr über geöffnet. Aber das wusste sie sicherlich und hatte das sicherlich auch so nicht gemeint. Es klang so… endgültig.
Während sie weitersprach wurde Liam das erste Mal wirklich bewusst wie konservativ das Wertekonstrukt war in dem Hifumi sich bewegte. Andeutungen davon waren in ihrem letzten Gespräch durchaus angeklungen, aber das Ausmaß war… bedrückend. Machte ihn irgendwie betroffen. Dieses Idealbild an dem sie sich maß… kein Wunder, dass sie daraus auszubrechen versuchte. Er konnte das ein Stück weit aus eigener Erfahrung nachempfinden. Er hatte das große Glück in einer Gemeinschaft groß geworden zu sein die sehr, sehr offen für die individuellen Charakterzüge und Bedürfnisse ihrer Mitglieder war. Auch wenn es sicherlich Reibungspunkte gab, wenn es um konkrete Lebensentwürfe ging. Anpassungsdruck hatte er hauptsächlich von außerhalb gespürt. Fast niemand der einer Minderheit angehörte hatte noch nie mit dem Bild gehadert, dass er der Welt von sich zeigte. Die Gradwanderung zwischen dazugehören wollen und Selbstausdruck, war manchmal ziemlich kompliziert. Und er hatte das große Glück gleich mehrfach aus dem Lostopf der Geburtenlotterie gezogen worden zu sein. Bei seiner Abstammung, seiner Kultur, seiner Religion und seiner Sexualität. Vermutlich haderte Hifumi auf ähnliche Weise, wenn auch mit anderen Dingen.
„Wenn sie das nicht möchten, dann werde ich mit niemandem darüber sprechen.“, antwortete er in bewusster Ernsthaftigkeit. Er wollte, dass sie sicher sein konnte, dass er seine Worte auch genau so meinte und sie nicht nur so dahinsagte.
„Viele Frauen tragen einen Bikini.“
Das war der einzige logische Schluss den seine begrenzte Kenntnis weiblicher Bademode zuließ.
„Damit werden sie genau so wenig auffallen wie in einem Badeanzug. Und man wird deswegen auch nicht schlechter von ihnen denken.“
Ihr forschender Blick forderte ihm irgendwie eine persönlichere Reaktion ab. Deswegen fügte er hinzu: „Und ich auch nicht. Tragen sie womit sie sich wohlfühlen.“
Er wünschte irgendwie bessere Worte zu finden. Aber erstens standen sie sich nicht sonderlich nah. Und zweitens war er ein Mann und wollte sich nicht anmaßen so zu tun als verstehen er das Problem aus ihrer Perspektive. Das konnte er nicht. Männer in Badehosen waren keiner moralischen Bewertung unterworfen. Nicht so wie Frauen.
„Ich bin wirklich nicht sehr gut darin die richtigen Worte zu finden befürchte ich. Aber mir fehlt dafür vermutlich ihre Perspektive. Die Moral eines Mannes wird selten über seine Badekleidung bewertet. Und es wäre irgendwie ignorant zu behaupten, dass das nicht Teil der Lebensrealtität von Frauen ist. Aber ich denke auch dass sie gerade viel schlechter von sich selbst denken als jede einzelne Person in diesem Bad.“

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Hifumi
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Hifumi »

Hifumis Augen weiten sich, als Liam das Wort 'Bikini' so offen ausspricht.

"Nicht so laut!"

Nervös blickt sie sich um, erwartend dass sich alle Köpfe zu der jungen Japanerin hinwenden und sie verurteilen. Ihre Haltung entspannt sich erst, als es niemanden zu kümmern scheint, oder das Gespräch an diesem Punkt ohnehin zu leise gewesen wäre.
Richtig überzeugt wirkt sie noch nicht, dass niemand sie verurteilen würde. Liam, sicher, den schien es nicht so sehr zu kümmern. Aber die restliche Gesellschaft?

"I... ich würde es wirklich sehr schätzen, wenn Sie es für sich behalten, Mister Carpenter. Ich war schon seit der Mittelstufe nicht mehr im Wasser, und das auch nur weil es verpflichtender Teil des Unterichts war. Ansonsten hätten meine Eltern es mir sicher verboten. Ich würde es jetzt gerne noch eine Weile ausnutzen, solange ich kann."

Der Anflug von Freude wird ersteckt, als die Rede auf den Herbst kommt.

"Im Herbst, genauer gesagt im November, werde ich heiraten. Ich bin inzwischen 25 Jahre alt und immer noch ledig, und der Tempel findet, dass ich ein schlechtes Vorbild für die anderen Frauen wäre als ein unverkäuflicher Weihnachtskuchen."

Ihr Schultern sinken ein wenig herab.

"Ich weiß noch nicht, wer mein Ehemann sein wird, aber der Tempel wird kaum jemanden aussuchen, der mir so liederliches Treiben erlaubt. Wahrscheinlich würden sie sogar jemanden wählen, der mich mit besonders strenger Hand führt, wenn sie von meinem Hobby wüßten."

Hifumi wirkt niedergeschlagen, aber nicht besonders alarmiert. Zwangsheiraten mit Unbekannten waren in ihrer Sekte üblich, und das Leben als untergeordnete und gefügige Hausfrau die einzige Rolle, die ihr nach dem Übergang von der ledigen Jugendlichen zur erwachsenen Ehefrau offenstand.

"Aber vielleicht habe ich auch Glück, und mein künftiger Mann will keine Kinder. Weil... hnnng..." Sie ringt einen Moment mit sich, und findet dann einen Weg sich auszudrücken. "Weil ich mit 25 immer noch Jungfer bin. Und noch nie das Verlangen hatte, das zu ändern, indem ich, hnng..."

Verlegen schaut sie zur Seite.
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Liam Carpenter
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Liam Carpenter »

Hifumis Antwort schockierte ihn. Das Zwangsheirat hier und heute in Seattle ein Thema sein konnte war etwas das er nicht erwartet hatte. Natürlich war ihm bewusst, dass es solche Praktiken gab. Aber er konnte sie wirklich schwer mit seiner eigenen Lebensrealität in Einklang bringen. Genau so wenig wie mit dem ersten Eindruck den Hifumi auf ihn gemacht hatte. Er hatte sie als moderne, selbstbewusste Frau wahrgenommen. Aber je besser er sie kennenlernte umso mehr wurde ihm der Zwiespalt bewusst in dem sie lebte. Ein Gefühl von Empörung kroch in ihm hoch. Doch er fing es ein bevor es sich in Worten manifestieren konnte. Es wäre Hifumi gegenüber nicht fair seine Meinung über diese Dinge, in diesem Ton, ausgerechnet über ihr auszugießen. Sie war hier die Betroffene und verdiente mehr Empathie.
„Ich hoffe sie nehmen mir meine Offenheit nicht übel, aber… sie wirken sehr unglücklich mit dieser Situation. Manchmal kommt uns unser Handlungshorizont sehr klein vor. Er endet an den Erwartungen die das Umfeld an uns hat. An den Erwartungen die wir an uns selber haben. An den Strukturen in denen wir aufgewachsen sind. Das muss er aber nicht sein. Ich werde mir nicht rausnehmen zu behaupten ich wüsste wie ihre Situation aussieht. Aber wenn das nicht der Lebensweg ist den sie gehen wollen, dann werden sie Leute finden die ihnen dabei helfen ihren Handlungshorizont zu erweitern.“
Allerdings war ihm auch klar wie wichtig Gemeinschaft sein und welchen Stellenwert Religion haben konnte. Er wusste selbst nicht zu sagen ob er das alles zurücklassen könnte.
„Tut mir leid, dass klingt irgendwie alles nach hohlen Phrasen.“, er lächelte schief. Irgendwie verlegen. Kluge Reden zu schwingen war schließlich immer kostenlos. Letztendlich kam er aber trotzdem nicht drum herum sich doch noch ein wenig zu ereifern.
„Ich halte die gesellschaftliche Erwartungshaltung wann man wie und mit wem zusammen ins Bett geht für übergriffig und gefährlich.“
Er hätte kein Problem damit gehabt das ganze klar und deutlich als Sex zu benennen, aber er wollte Hifumi auch nicht in die Ecke drängen.
„Das sollte ausschließlich eine Sache zwischen ihnen und ihrem Partner oder ihrer Partnerin sein. Und wenn sie letztendlich mit Niemandem schlafen wollen dann hat keiner das Recht sie dafür zu verurteilen.“

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Hifumi
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Hifumi »

"Ich... ich kann nicht einfach davonlaufen und tun was ich will."

Sie verfällt in eine salbvolle Redeweise und lächelt dabei zuckersüß.

"Aus Nichiren Daishonins Schriften über den Weg zur Buddhanatur für Frauen:
Frauen tragen eine schwere Schuldenlast durch die fünf Hindernisse und die drei Gehorsamkeiten. Die drei Gehorsamkeiten geben vor, dass die junge Frau sich ihren Eltern unterwerfen muss; dass die erwachsene Frau sich ihrem Ehemann unterwerfen muss; und das die alte Frau sich ihrem Sohn unterwerfen muss. Daher ist sie zu keiner Zeit in ihrem Leben frei, zu tun was sie will."


Sie muss keine Denkpausen machen, so als ob sie diese Passagen zigfach auswendig gelernt hätte, aber beim letzten Satz hört das Lächeln auf, ihre Augen zu erreichen.

"Aus Nichiren Daishonins Schriften über die Einheit von Mann und Weib:
Selbst wenn jeder andere ihr übel nachredet, gibt es für eine Frau kein größeres Glück als einen Mann zu finden, der sie inniglich liebt und führt. Allerdings, wenn der Glaube der Frau schwach ist, wird sie verstoßen und verlassen werden. So wie wenn der General schwachen Herzens ist, werden eine Soldaten feige sein. Wenn der Bogen schwach ist, wird die Sehne schlaff sein. Wenn der Wind schwach ist, werden die Wellen niemals hoch. All diese Dinge sind im Einklang mit den Prinzipien der Natur.
Das Schriftzeichen für "Frau" bedeutet "von etwas abhängen". Der Blauregen hängt von der Kiefer ab, so wie ein Weib von ihrem Mann abhängt. Ein gutes Weib blickt zu ihrem Ehemann auf, als ihrem Meister und Führer im Glauben an das Lotus-Sutra."


Mit jedem Satz scheint das Licht in Hifumis Augen immer weiter zu verlöschen, aber sie gibt sich große Mühe die Fassade aufrecht zu erhalten.

"Ich... ich habe eine große Verantwortung als YWD-Leiterin. Die anderen jungen Frauen sind auf dieser Missionreise nicht nur, um unseren Glauben zu verbreiten, sondern auch, um ihren eigenen Glauben unter meiner Anleitung zu festigen.
Da... da kann ich doch nicht einfach aus der Reihe tanzen. Am Ende stecke ich sie noch mit solchen Flausen an und mache sie aufmüpfig. Und was für eine Schande ich mit sowas auf meine Eltern laden würde, die mich schließlich zu einem anständigen und gehorsamen Mädchen erzogen haben."


Ihre eigenen Worte überzeugen sie nicht so ganz, und ihre Schultern sinken wieder ein Stück herunter.

"Die anderen Mädchen sind schon ganz Feuer und Flamme dafür, dass ich endlich unter die Haube komme, und pflegen schon ganze Pinterest-Bretter mit Brautkleidern, Brautfrisuren und Kurzvideos von glücklichen Tradwives. Ich... ich mag da schon gar nicht mehr reinschauen, aber es würde sie vor den Kopf stoßen wenn ich aufhöre ihre Funde zu liken. Und durch meine ganzen Likes sehe ich sogar noch mehr von diesem Hochzeitszeug, und Kalendersprüche von irgendwelchen Tradwives die mir erzählen wie erfüllend es ist, ein submissives Hausweibchen zu sein."

Ihre Stimme klingt ein wenig resigniert.

"Und ich wüßte jetzt auch nicht, wie ich meinen Lebensweg noch ändern sollte. Ich habe Nichiren-Studien und Buddhologie studiert, mit Abstechern in Sozialarbeit und Psychologie. Arbeit finde ich damit keine, und das was ich als Partyprinzessin dazu verdiene würde vorne und hinten nicht reichen. Ich kann eigentlich nur darauf hoffen, einen Partner zu finden für den ich in Vollzeit Hausfrau und Mutter sein kann.

Und die einzigen Menschen, die ich kenne, sind alle in meinem Tempel. Wenn ich da ausschere... dann wäre da niemand mehr, der mich unterstützt. Finanziell, oder sonstwie. Ich... ich habe gesehen, wie Leute verstoßen werden, die dem Tempel den Rücken kehren."
"Auf jeden Winter wird unweigerlich ein Frühling folgen."
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Liam Carpenter
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Re: An Königin Annes Hof [Liam, Hifumi]

Beitrag von Liam Carpenter »

Je länger Hifumi sprach umso mehr bröckelte die Fassade ihrer Überzeugung. Zerfiel vor Liams Augen.
„Sie sind erst Fünfundzwanzig. Ihnen stehen viele Wege offen. Sie könnten sich für ein Stipendium bewerben. Einen Bachelor oder Master in Psychologie oder sozialer Arbeit machen. Oder jedem anderen Fach das sie interessiert. Man kann als Student natürlich finanziell keine großen Sprünge machen. Aber mit einem Stipendium genügt ein Einkommen als Partyprinzessin.“
Er hatte keine Ahnung ob sie überhaupt ein Interesse daran hatte zu studieren. Aber er wollte ihr gerne… naja irgendwie Mut machen. Fünfundzwanzig. Mit fünfundzwanzig sollte man nicht das Gefühl haben am Ende seiner Möglichkeiten angekommen zu sein.
„Ich kann ihnen Infomaterialien zukommen lassen, wenn sie möchten.“, bot er an. Es war nicht viel. Aber es war etwas das er tun konnte.
„Und denken sie nicht ihre Mentorin würde sie unterstützen?“
Er konnte Elena Black nicht recht einschätzen. Aber eine gute Mentorin sollte sich um die Belange ihrer Schülerin kümmern, fand er. Mittlerweile hatten sie sich mit der Schlange fast bis zur Kasse vor bewegt und er kramte in seiner Tasche nach seiner Monatskarte.

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