Seite 2 von 3
Re: [24-08] License, registration, I ain't got none... [Hifumi, Le Guin]
Verfasst: Do 8. Aug 2024, 10:02
von Le Guin
Le Guin blinzelte eulenhaft ein, zwei Male und sah an sich herunter und dann zu Hifumi. Er schien erst langsam zu begreifen, dass sein Geschlecht oder das Geschlecht generell für sie tatsächlich irgendwie eine Bedeutung hatte.
"Ja, das geht", sagte er dann langsam. "Ich weiß selbst nicht genau, warum ich "er" bin. Oder 'Le Guin'."
Plötzlich hellte sich seine Miene auf und er erinnerte sich an etwas. "He, after all, had no standards of manliness, of virility, to complicate his pride*", zitierte Le Guin und selbst während er das tat, veränderte sich irgend etwas an ihm.
Sie war groß für eine Frau, wenn man sie so betrachtete. Sehr kurzhaarig und sehr wenig feminin gekleidet, doch sie konnte lachen wie eine Frau. Etwas in ihrem Stand und ihrer Haltung war einfach weicher, mit der Andeutung einer Kurve unter dem Taco-Hemd, die vorher nicht so sehr aufgefallen war.
"Liza ist - nein, war - meine Kollegin", sagte Le Guin und lächelte etwas wehmütig. "Sie ist schon etwas älter, arbeitete drei Jobs und jetzt wohl nur noch zwei und kam hierher, damit ihre Kinder in Amerika geboren werden. Jetzt hat sie schon Enkel."
---
*The Left Hand of Darkness, U. Le Guin
Re: [24-08] License, registration, I ain't got none... [Hifumi, Le Guin]
Verfasst: Fr 9. Aug 2024, 18:43
von Hifumi
"Du weißt nicht, warum du ein 'Er' bist?" Fragezeichen bilden sich über Hifumis Kopf.
"Naja, diskutieren wir das später, wenn wir unter uns sind. Wir sollten erst unseren Weg fortsetzen."
"YWD-Leiterin Takahashi Hifumi!" donnert ihr ihre Stellvertreterin Minato schon aus einiger Entfernung ihren vollen Namen und Titel entgegen, in einem sehr unamüsierten Ton. Im gleichen Tonfall setzt sie
auf japanisch fort.
"Sind wir den ganzen Weg hierher gekommen, nur damit wir zusehen können wie Sie sich einem Mann an den Hals werfen und mit ihm flirten!?"
Aiko wechselt ihr Gleichgewicht von einem Bein aufs andere, unsicher lächelnd, und ein wenig zurückweichend. Konflikt bereitet der kinderlieben einfachen Betschwester ersichtlich Unbehagen.
Etwas herrisch hebt Hifumi ihre Hand, und bringt ihre Stellvertreterin zum Schweigen.
"Stellvertretende YWD-Leiterin Suzuki Minato" kopiert sie die betont förmliche Ansprache ihrer Nummer Zwei, ehe sie
auf englisch fortsetzt, wohl auch um LeGuin nicht auszuschließen.
"Miss LeGuin wirkt vielleicht etwas burschikoser als wir, besonders aus der Ferne, aber ist doch offensichtlich auch eine junge Frau genauso wie wir." Mit diesen Worten deutet sie auf die Person neben sich, lädt dazu ein sie noch einmal genauer zu beschauen.
"Und obendrein eine Maid in Nöten, die meinen Trost notwendig hatte. Da war keine Berührung dabei, die nicht auch unter uns Schwestern statthaft gewesen wäre."
Demonstrativ berührt sie die verunsicherte Aiko an der Schulter, ähnlich wie sie das bei LeGuin gemacht hatte, eine beruhigende Geste die sie eben so gerne annimmt wie die entwaffenden Ausflüchte.
"Miss LeGuin wurde aus ihrer Wohnung geworfen, und wird eine Weile bei uns unterkommen müssen. Wir alle werden Miss LeGuin freundlich empfangen und ihr zeigen, welchen Mehrwehrt das Leben bei uns hat." Sie wechselt wieder ins
japanische:
"Seid fröhliche Sonnen des Glücks! Tretet in Dialog um Freundschaft und humanistische Ideale zu pflegen!" - beides feststehende, wortwörtlich wiedergegebene Grundsätze aus dem Programm der YWD.
Damit ist der Konflikt erst einmal bereinigt, auch wenn Hifumis Schwestern LeGuin geradezu anstarren.
Bei Aiko ist es eher ein großäugiges Staunen darüber, von Nahem eine Frau zu sehen die sich so ganz anders gibt.
Minatos Blick ist hingegen eher mißbilligend, besonders auf die kurzgeschnittenen Haare und die Beinkleider. Sie murmelt etwas, scheinbar nur für sich selbst, aber wohl extra so laut dass auch LeGuin sie nicht überhören kann - besonders da Minato ausnahmsweise
auf englisch spricht.
"Leute die den Nichiren-Buddhismus nicht praktizieren sind nicht verpflichtet Gongyo zu betreiben oder Treffen zu besuchen. Ein solch freies und unbeschwertes Leben, immer nur das zu tun was einem in den Sinn kommt, mag beneidenswert erscheinen. Aber das Leben ist nicht so einfach, es wird beherrscht vom unnachgiebigen Gesetz von Ursache und Wirkung.
Eine Person, die Philosophie und den Buddhismus studiert, wird das Leben tiefschürfend ausloten. Welch immense Freude es ist, wahre und dauerhafte Glück zu suchen und zu finden!"
Minato
zitiert da aus der Gründungsrede der YWD, die dem weit belesenen LeGuin vielleicht schon unterkam.
Die Nummer Zwei beendet ihre Ansage mit dem zentralen Daimoku-Chant:
"Nam Myoho Renge Kyo!" -
Gepriesen sei das Lotus-Sutra!
Hifumi und Aiko stimmen mit ein, und wiederholen den Chant mehrfach im dreistimmig im Gleichklang - etwas das sie schon sehr sehr oft getan haben und noch sehr sehr oft tun werden. In diesem Moment sprechen die Betschwestern das gleiche, denken das gleiche, und beginnen sich auch an den Händen zu fassen. Die gerade noch so individuellen jungen Frauen bilden eine Einheit, eine Gemeinschaft - von den Vibrationen des Chants durchdrungen, eng miteinander verbunden, aber auch ebenso aneinander gekettet.
Würde LeGuin außerhalb des Händchenhaltekreises verharren, oder würde er beitreten? Die Hände welcher beiden Betschwestern würde er im letzteren Fall ergreifen? Und würde er einstimmen, schweigen oder etwas ganz anderes tun?
Re: [24-08] License, registration, I ain't got none... [Hifumi, Le Guin]
Verfasst: Fr 16. Aug 2024, 10:44
von Le Guin
Liza verfolgte die Auseinandersetzung etwas besorgt, denn sie wollte Hifumi nicht in Schwierigkeiten bringen. Sie hatte ihm schon so viel Gutes getan, mit ihrem unerschöpflichen Quell an Wissen über diese Welt, über Smartphones, über Aufenthaltstitel, über das Arbeiten.
Sie verstand auch die Sprachwechsel oder zumindest, warum sie geschahen. Für einen verwirrend Moment verstand Liza keine der gesprochenen Sprachen, dann fiel sie zurück in die, die sie kannte, das Englische.
Was sie ebenfalls verstand, war ein universales Gesetz der Gastfreundschaft: Wenn sie unter das Obdach der Schwestern treten wollte, dann würde sie sich auch nach ihnen richten. Sie zögerte jedoch einen Moment lang, einfach in den Kreis zu treten, denn sie konnte förmlich spüren, wie er sich schloss und die Kräfte darin flossen. Ob Hifumi dies wusste? Wahrscheinlich ja, vermutete sie, denn es war ein Teil ihres Lebens.
Doch sie trat dann dazu oder bot zumindest ihre Hände an, eine für Minato, eine für eine derjenigen, die sonst neben dieser gestanden hätten. Vielleicht auch Hifumi selbst? Die Hände der anderen einfach zu greifen, erschien ihr grob unhöflich, also war es nur ein Angebot.
Das Lotus-Sutra zu preisen, brachte sie nicht über sich, denn sie wusste zu wenig darüber. Etwas in ihr stemmte sich mit aller Macht dagegen, irgend etwas zu preisen, das sie nicht kannte. Zugleich war da jedoch etwas Vertrautes. Da waren Fetzen, Bilder, Eindrücke, Gerüche, die in ihren Erinnerungen wacher wurden, also die Schwestern ihren Sprechgesang anstimmten. Als wäre es eine Zauberformel, die in Lizas Erinnerungen etwas heraufbeschworen, konnte sie den Geruch von Räucherstäbchen und Regen schmecken. Sie lächelte ein wenig. Der Moment war der Schönste an diesem Tag.
"Das Leben tiefschürfend ausloten", sagte sie leise anstelle von japanischen Formeln. Und dann fiel ihr etwas ein, das sie vor langer Zeit einmal gehört hatte, hundert- und tausendfach gesprochen aus tausend und abertausend Mündern, Kehlen und Herzen: "
Om Shanti Lokah Samastah Sukhino Bhavantu." Möge Frieden sein. Mögen alle Wesen in allen Welten glücklich und in Harmonie sein.
In dem Moment zwischen den Erinnerungen, die nicht ihre waren oder vielleicht doch, zwischen den Schwestern, fühlte sie sich unendlich, wundervoll dankbar. Es war diese Art von Dankbarkeit, die keinen zu festen Grund hat, die die ganze Welt meinen kann, aus der heraus man zu allem fähig werden kann.
--
Wurf, um den Fluss von Energie und Leben zu erspüren (Life 1, Prime 1): 9 8
https://discord.com/channels/1219681758 ... 0859380848
Re: [24-08] License, registration, I ain't got none... [Hifumi, Le Guin]
Verfasst: Fr 16. Aug 2024, 19:09
von Hifumi
'Liza' bekommt Minato und Aiko zu fassen - aber von Hifumi bekommt sie mit ihren übernatürlichen Sinnen auch etwas mit; vielleicht wegen des körperlich und spirituell verbundenen Zirkels, vielleicht weil Hifumi die einzige Quintessenzquelle ist. Altersverteilung: Hifumi 24 Jahre, Minato 20 Jahre, Aiko 19 Jahre.
Hifumi und Minato sind beide noch jungfräulich - ausgerechnet Aiko als jüngste ist es nicht.
Alle drei sind kerngesund - sie sollten vielleicht mehr Sport treiben, aber ihre traditionelle vegetarische Ernährung und der Verzicht auf Alkohol und Drogen feien sie vor vielen Zivilisationskrankheiten, die etliche Amerikaner plagen.
Die einzige Quelle von Quintessenz ist Hifumi selbst. Aber der Gebetszirkel wirkt sich selbst hier an diesem öffentlichen Ort auf die Magick aus. Die Wunder, die von Hifumis Sekte als ganz real empfunden werden, sind innerhalb des Zirkels ein Stück weit wahrscheinlicher und akzeptabler - während Dinge, die nicht in das archaisch-verschwurbelte Bild der jungen Damen von dreifacher Welt, Dharma und Karma passen, ein Stück weit unwahrscheinlicher sind.
In den harmonischen Dreiklang des NMRK platzt 'Liza's anders lautende Formel wie ein Misston und zerreißt die Atmosphäre. Minato rümpft ersichtlich pikiert die Nase. Aiko blickt unsicher zwischen ihrer obersten und zweitobersten Anführerin hin und her - so, als ob sie erwarte, dass jemand ihr vorzeigt, wie sie zu reagieren habe.
"'Liza'... hat schon ein bißchen was vom Buddhismus aufgeschnappt, aber sie weiß leider noch nicht viel von unserem Tempel, und davon was ihn anders und besser macht. Ich werde ihr davon später noch erzählen."
Hifumi beschließt, den Moment zu überspielen.
"Wo wir schon hier sind: 'Liza' hat ein paar Gartenzwerge in der Nähe entdeckt. Das sind solche angemalten Tonfiguren, auf die die ausländischen Teufel total stehen um ihre Gärten damit zu verzieren. Sehr europäisch, so etwas haben wir daheim nicht! Das sollten wir uns uuunbedingt mal angucken und ein paar Bilder machen!"
Re: [24-08] License, registration, I ain't got none... [Hifumi, Le Guin]
Verfasst: Mi 21. Aug 2024, 14:20
von Le Guin
Liza, die genau wie Hifumi nur ein paar vage Ahnungen und keine einzige wirkliche hat, nickt und lächelt etwas betreten und hält vor allem erst einmal den Mund. Sie wünscht sich sehr, irgendwo dazu zu gehören und diese jungen Schwestern scheinen sie wenigstens nicht grundsätzlich abzulehnen. Sie sticht unter ihnen hervor, zu groß, zu wenig japanisch, zu kurzhaarig und zu hosenbeinig. Aber sie jagen sie nicht davon, sperren sie nicht ein, verlangen keine unmöglichen Papiere, Stempel, Vergangenheiten.
Sie macht sich keine Illusionen darüber, dass dies dauerhaft sein würde. Dafür besitzt Liza nicht die Gesetztheit. Nur einem einzigen Glauben und Weltbild zu folgen, erscheint ihr merkwürdig. Sie hat Tausende. Auch wenn einige unter diesen vielen wohl den Anspruch darauf erheben, dass alle anderen fundamental ausgeschlossen werden. Dieses Paradox überlebt Liza jedoch mit derselben Leichtigkeit, mit der ein Leser eine neue Buchseite aufschlägt oder das nächste Buch zur Hand nimmt. Es gibt immer eine neue Geschichte.
Dass Hifumi die ganze Situation überspielt, lässt Liza aufatmen. Sie greift auch gern nach dem Rettungsanker und deutet in die herüber, in der sie die Gartenzwerge gesehen hat. "Was stellen sich die Leute in Japan in den Garten?", fragt sie dann erst einmal. "Hier in Amerika haben sie diese Halloween- und Weihnachtsdekos. Oh... und Flamingos! Aber ich glaube, die sind in Seattle nicht mehr verbreitet als Gartenzwerge."
Re: [24-08] License, registration, I ain't got none... [Hifumi, Le Guin]
Verfasst: Mo 26. Aug 2024, 02:35
von Hifumi
"Die wenigsten Leute haben Gärten, in die sie etwas reinstellen könnten. Fast alle leben in Wohnungen, sehr viel kleiner als Amerikaner es akzeptieren würden. Es ist alles sehr viel gedrängter als in den amerikanischen Vororten." Hifumi zögert kurz, ehe sie eine Einschränkung macht. "Also den typischen Vororten mit Einfamilienhäusern und weiß angemalten Gartenzäunen und so - Tukwila ist nicht so idyllisch. Aber du wirst den Ort noch früh genug kennen lernen."
Minato sieht darin eine gute Überleitung zum Predigen.
"Tukwila ist ein Ort voller schlechtem Karma, voller Depressionen und Leid und unerfülltem Verlangen. Er braucht dringend junge Frauen wie uns, die das Lotus-Sutra verbreiten und ein Vorbild für andere junge Frauen darstellen."
Die Nummer Zwei taxiert erneut missbilligend und verurteilend Liza, die nicht in ihr engstirniges und konservatives Bild von einer anständigen jungen Frau reinpasst - betont feminin aber züchtig und sittsam, sich in ihre zukünftige Rolle als Heimchen am Herd fügend und bereits dem Tag entgegen fiebernd, wo sie sich einem Ehemann untertan machen kann. Selbst Hifumi (die sich mit 24 Jahren immer noch vor der Ehe zierte) und Aiko (die einfach zu weich und nicht glaubensstreng genug war) wiesen aus ihrer Sicht Mängel auf, aber immerhin waren beide bereits eingeschworener Teil der YWD - und Hifumi ihr obendrein vorgesetzt, und sie würde als gute indoktrinierte Sektiererin sicher nicht an der tempelgegebenen Hierarchie rütteln wollen.
Währenddessen kommen die ersten Gartenzwerge in Sicht, mit ihren Schubkarren, Hacken, Laternen und den anderen Paraphernalia der Gartenarbeit.
Die junge Aiko kichert und macht Fotos mit ihrem Mobiltelefon. Hifumi nimmt sie zur Kenntnis und betrachtet sie. Minato verschränkt die Arme und schnauft hörbar.
Re: [24-08] License, registration, I ain't got none... [Hifumi, Le Guin]
Verfasst: Mi 28. Aug 2024, 11:45
von Le Guin
Man konnte sehr viel an Liza mißgünstig betrachten, wenn die eigene Schablone für die perfekte Frau Japanerinnen-förmig, konservativ und eng geschnitten war.
Liza, die noch etwas verwirrt über Hifumis Erklärungen und die Frage nachdachte, ob Tukwila in Japan lag, bemerkte diese Blicke nur eher am Rande und tatsächlich waren sie für Liza ein Stück traurige Normalität. Jemand, der (oder die) nirgendwo richtig dazu gehörte, bekam immer Blicke wie diese.
Doch Liza besaß die große Gabe, sich davon nicht oder wenigstens nicht lange aufhalten zu lassen. Die Ereignisse des Tages waren niederschmetternd gewesen, doch Hifumis Beistand war ihr mehr wert als tausend Lotusblüten.
Und darum konzentrierte Liza sich jetzt darauf, einen guten Gartenzwerg zu finden, der vielleicht vom Gartenbesitzer nicht zu schwer vermisst werden würde.
Vor einem der Zwerge, die Aiko fotografierte, ging sie in die Hocke und hob die kleine Figur auf. Mit einem Fingernagel kratzte sie ein wenig an der ehemals bunten und mittlerweile von Regen und Sonne schon reichlich ausgeblassten Farbe herum. Sie lächelte und schloss einen Moment die Augen, bevor sie dann Aiko, Hifumi und die anderen Schwestern einlud, ihr zuzuhören:
"Es war einmal in der Smaragdstadt, in der Wünsche wahr werden sollen, ein wunderschöner Garten, der für seine bunten Blumen und seine charmanten Gartenzwerge bekannt war. Jeder Zwerg war mit einer leuchtenden Farbe bemalt, die sie im Sonnenlicht glänzen ließ. Doch eines Tages entdeckte ein kleines Mädchen namens Himari etwas Seltsames... ." Behutsam stellte Liza den kleinen Zwerg wieder zurück in sein Beet.
"Himari spielte oft im Garten und mochte besonders einen der Zwerge, der einen roten Hut und eine blaue Jacke trug." Das sah schon ein wenig aus wie mindestens einer der Zwerge, der noch dazu auch eine Amerika-Flagge in einer Hand schwenkte.
"Eines Nachmittags, als er den Zwerg genauer betrachtete, bemerkte sie einen winzigen Kratzer auf dem blaugemalten Arm des Zwergs. Neugierig, wie Kinder nun einmal sind, kratzte Himari vorsichtig an der Stelle und zu ihrer Überraschung schimmerte darunter etwas Silbernes."
"Himari lief schnell zu ihrer Großmutter, die sich im Garten um die Blumen kümmerte, und zeigte ihr die Entdeckung. Die Großmutter lächelte und setzte sich neben ihr Enkelkind. "Weißt du, meine Liebe," begann sie zu erzählen, "es gibt eine alte Geschichte über diese Zwerge, die nicht viele kennen..."
"Vor vielen Jahren, so erzählte die Großmutter, lebten tief im Wald die Silberschmiede-Zwerge. Sie waren bekannt für ihre Kunstfertigkeit, und sie schmiedeten alles Mögliche aus Silber. Doch ihr größtes Geschenk an die Welt war die Freundschaft, die sie den Menschen anboten.
Eines Tages kam eine alte Hexe in den Wald und bat die Zwerge, ihr einen silbernen Spiegel zu schmieden, der ihre wahre Schönheit zeigen sollte. Die Zwerge, freundlich wie sie waren, erfüllten ihren Wunsch. Doch als die Hexe in den Spiegel blickte, sah sie nicht die Schönheit, die sie erwartete, sondern ihre wahre Gestalt – eine böse, alte Frau.
Wütend verfluchte die Hexe die Zwerge und verwandelte sie in steinerne Figuren, die nur als Gartenzwerge bekannt sein würden. Sie sagte, dass sie nie wieder glänzen würden, solange niemand ihre wahre Natur erkennt.
Aber die Hexe wusste nicht, dass der Fluch einen kleinen Fehler hatte: Sobald jemand das Silber unter der Farbe entdeckt und die Geschichte der Zwerge hört, würde ihr Glanz für immer zurückkehren. Indem Himari tiefer hingeschaut hatte als nur auf die oberste Farbschicht, hatte den silbernen Schimmer entdeckt und hatte den ersten Schritt getan, um den Fluch zu brechen.
Seit diesem Tag wissen die Menschen in dem Dorf, dass die Gartenzwerge in Wahrheit Silberzwerge sind, die nur darauf warten, dass ihre wahre Natur erkannt wird. Und so werden die Zwerge jeden Frühling von den Dorfbewohnern mit einem leichten Tuch poliert, damit ihr silberner Glanz alle an ihre magische Geschichte erinnert."
Liza lächelte ein bisschen verschmitzt und sah dann demonstrativ über die kleinen Figuren im Beet hinweg.
"Und wenn du das nächste Mal einen Gartenzwerg siehst, der unter seiner Farbe silbern schimmert", sagte die alte Großmutter, , "dann weißt du, dass auch du ein Stück dieser alten Märchenwelt entdeckt hast." Sie zwinkerte den Zuhörerinnen einmal zu und richtete sich dann wieder auf.
"Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leuchten sie noch heute." Diese letzten paar Worte klangen wie eine Zauberformel, wie etwas, das ebenso mächtig war wie "Es war einmal...", denn zwischen diesen beiden Formeln lag eingebettet eine Welt, in der alles möglich ist.
Re: [24-08] License, registration, I ain't got none... [Hifumi, Le Guin]
Verfasst: Mi 4. Sep 2024, 00:04
von Hifumi
Gebannt verfolgen die Japanerinnen das so fremdartige, so exotische europäische Märchen. Das hervor gekratzte Silber führt zu viel Gestaune und Geraune, besonders von der jungen Aiko, die natürlich viele Bilder mit ihrem Telefon davon schießt.
Wenig später findet sich die Gruppe beim nächstgelegenen Pfandleihhaus ein - "The Pawn Hub". Die junge und unreife Aiko kichert infantil angesichts des anzüglichen Namens, zumindest bis sie von ihrer obersten und zweitobersten Anführerin mit scharfen Blicken non-verbal zurückgewiesen wird.
Die Ladenfront wirkt wenig einladend - mit einem Drahtgeflecht verstärktes Plexiglas, hinter dem man ein paar Wertgegenstände erkennen kann: Ein angebliches Meteoritenbruchstück als Blickfang, eine Beinprothese, diverse Rattanmöbel und veraltete Smartphones, und aufgefächert den Playboy Jahrgang 1979, alle Hefte in hervorragendem Mint-Zustand und in Plastik verpackt um sie auch möglichst lange in diesem Zustand zu halten.
Letzteres Objekt erzeugt in Minato ein Naserümpfen und in Aiko ein infantiles Kichern, während Hifumis Blick vielleicht einen Moment länger darauf verharrt, als angemessen wäre für eine anständige Betschwester.
"Liza, ich würde dir vorschlagen dass ich den Verkauf übernehme und sage, dass es eine Sachspende an den Tempel wäre. Ich bin ordentlich hier, kann eine ID hinterlegen falls sie nach so was fragen, und die Amerikaner haben sowieso viel Ehrfurcht vor den Religionen. Sollte genug rausspringen, damit wir in deine Wohnung kommen und die wichtigen Sachen retten können. Da bleibt sicher auch noch etwas extra über."
Beim Stichwort Extra streifen Hifumis Pupillen kurz den so prominent ausgestellten '79er Playboy, mit den Covern auf denen die damals so jungen, attraktiven und drallen jungen Frauen sich so aufreizend präsentieren. Aber dann ist das Geschweife auch schon vorbei, und ihre Augen fokussieren sich wieder auf Liza.
Re: [24-08] License, registration, I ain't got none... [Hifumi, Le Guin]
Verfasst: Fr 13. Sep 2024, 13:47
von Le Guin
Liza zuckte mit den Schultern. Der Gartenzwerg mit all seinem Silber war für sie nicht mehr wert als die Keramik von zuvor. Die Geschichte war es, die Wert besaß. Und diese im Speziellen, war eine kleine, so wie ein am Straßenrand gepflückter Blumenstrauß, den man schön machte und jemandem mitbrachte. Sie hatte keine Vorstellung von Silberpreisen und nur eine sehr vage Idee von Pawnshops und Thriftstores.
Während die Frau hinter der Theke den Zwerg und vor allem das glitzernde Silber mit verkniffener Miene begutachtete und schließlich wog, sah Liza sich mit Hifumi um. Immerhin hatte sie keine - wirklich keine - Hemmungen, was quasi-antike Playboy-Hefte anging, aber sie wollte wohl auch Hifumi nicht vor den Kopf stoßen. Darum tat sich das nächstbeste und suchte ein paar gebrauchte oder vom Laster gefallene Klamotten von einem Kleiderständer herunter, ließ ein T-Shirt auf die Playboy-Sammlung fallen und hob dann ein, zwei der Hefte zusammen mit den Klamotten wieder auf. Hifumi aus ihrer Position heraus sollte das sehen können, aber Liza versuchte, es so hin zu bekommen, dass die anderen Betschwestern es nicht sehen konnten oder wenigstens gefahrlos so tun konnten als hätten sie nichts gesehen.
Der Betrug sollte auch kein Ladendiebstahl werden. Der gesamte Haufen würde auf der Theke landen und Liza würde darauf achten, dass der Playboy eher unter dem Radar flog. Nein, es ging eher um eine Geste für Hifumi. Darum, dass diese selbst entscheiden konnte und nun vielleicht musste.
Re: [24-08] License, registration, I ain't got none... [Hifumi, Le Guin]
Verfasst: So 15. Sep 2024, 17:37
von Hifumi
Die so prominent hervorgehobene Mint-Komplettsammlung von 1979 ist nicht so ohne weiteres zu erreichen. Aber es gibt ein wildes Sammelsurium von Einzelheften in schlechterem Zustand aus verschiedenen unvollständigen Jahrgängen, nicht nur vom Playboy, auch von Hustler und anderen, noch schlechteren und billigeren Kopien des grundlegenden Rezepts - großformatige Bilder von sich leicht verfügbar präsentierenden drallen Damen, aber ganz ohne den Versuch machen sie mit interessanten Artikeln zu flankieren.
Hifumis Brauen heben sich. Ihre Hände ballen sich, ersichtlich schwitzig. Sie macht Anstalten, sich zu äußern - blickt auf ihre Mitschwestern - und verkneift sich dann eine wahrnehmbare Reaktion. Sie schaut weg, dann flüchtig wieder hin, sich instinktiv die Lippen befeuchtend, dann angestrengt und schuldbewusst wieder weg zu einem ungemein interessanten verchromten Shuriken, der einmal zum Inventar eines Mallninjas gehört haben mag und sich beim ersten Wirktreffer wahrscheinlich eher verbiegen würde, als das Ziel zu verletzen.
Kurz bevor Liza abkassiert wird, stellt Hifumi sich einen Schritt hinter ihren beiden Mitschwestern, und verwickelt sie in ein Gespräch über ein J-Drama, das sie gerade anschauen - eine handverlesene Miniserie, nicht zu gewalttätig, nicht zu gruselig gruselig, und ohne schlüpfrige Romantik die über Händchenhalten hinaus ging.
Und ganz bestimmt ohne attraktive junge Damen, die andere junge Damen verführen und verwirren und von ihrer zukünftigen Bestimmung als fürsorgliche Ehefrauen und Mütter abbringen. Denn für solche Dinge war kein Platz für ein anständiges Mädchen, um das sehr enge unsichtbare Mauern gezogen waren, die nur einen schmalen Weg geradeaus für die weitere Lebensgestaltung offen ließen.
Damit dass Hifumi das nicht nur zuließ, sondern auch ermöglichte, wichen die Wände ein kleines Stück weit zurück, wirkten nicht so massiv. Aber sie waren immer noch da in Gestalt der Argusaugen ihrer Mitschwestern und ihres Tempels, und noch war sie in ihrer Unabhängigkeit nicht so weit sich in die kalte weite Leere außerhalb der Mauern zu wagen.
$203.25 reicher und um einen Gartenzwerg ärmer gibt es für Liza nur noch ihren Weg zu ihrer Wohnung - zur bald ehemaligen Wohnung. Oder jetzt schon ehemaligen Wohnung, an der nur noch Leichenfledderei betrieben werden sollte?