Mr. Houdin lässt sich schnurrend am Fußende des Bettes nieder und schläft genau wie Maddy.
Allerdings wird Mr. Houdin in der Nacht von einem Licht geweckt, welches von dem Sideboard her kommt, auf dem das Tagebuch liegt. Zwischen den Seiten strahlte golden, violettes Licht hervor. Während Mr. Houdin sich streckte breitete das Leuchten über das ganze Tagebuch aus und verblasste dann langsam. Nur auf dem Einband blieb ein goldviolett leuchtendes Zeichen zurück.
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Auch, wenn das Licht Maddy nicht weckte, so inspizierte die Katze das Buch sehr genau und legte die Pfote darauf, was aber keinerlei Effekt hatte.
"Es hat geleuchtet!" Noch bevor Maddy die Augen geöffnet hatte, hörte sie die vertraute Stimme des Katers. In seinen Worten schwang ein missbilligender Unterton mit, fast so, als wäre er verärgert darüber, dass Maddy sich nicht sofort an die Arbeit gemacht hatte. "Mhmmm..." Mehr brachte Maddy nicht über die Lippen. Mit flüchtigen Blick aus einem Augenwinkel stellte sie fest, dass ihr noch mehr als 3 Stunden blieben um das Café wieder zu öffnen. Mit einem Brummen kuschelte sie sich wieder tief in ihre Decke ein.
Mr. Houdin nun scheinbar tatsächlich etwas ungehalten, sprang vom Sideboard und war mit einem Satz neben ihr, saß direkt vor ihrem Gesicht und stupste mit einer Pfote ihre Nase an. "Echt jetzt! Du solltest Dich endlich darum kümmern!" Ein weiteres Stupsen später: "Maddy, steh auf! Du hast seit Wochen keine Fortschritte gemacht!" Und damit hatte er geschafft, was er erreichen wollte. Maddy schlug brummelnd die Decke zurück und huschte ins Bad um sich für den Tag zurecht zu machen.
Einige Zeit später kam sie heraus und nahm das Tagebuch vom Sideboard und brachte es zu dem Schreibtisch, der direkt vor dem Fenster zur Straße stand, hinüber. Sie setzte sich und bemerkte das Symbol auf dem Buchdeckel. Vorsichtig streichte sie hinüber, aber auch wie bei Houdin, passierte rein gar nichts. Grübelnd schlug Maddy das Buch auf und dann schien es als würde sich die Welt um sie drehen. Der Moment dauerte nur wenige Sekunden und fast schon hätte Maddy es als erneute Spinnerei abgetan, als sie die Seiten aufschlug zwischen denen sie die Karte gesteckt hatte.
Die Karte war schwarz. Sie war nicht nur schwarz sondern vollkommen leer. Maddy nahm sie in die Hand und drehte und wendete sie. Nichts. Leer. Schwarz. Und dann gingen ihre Augen zu den Seiten, die gestern Abend definitiv noch leer waren. Ganz schwach leuchteten Zeichen auf der Doppelseite auf. In blassem Gold und Violett schwammen sie über die Seiten. Staunend starrte Maddy darauf. Sie ergaben keinen Sinn und ihr Wabern erinnert an Blätter auf einem rauen See. Sie schwammen hin und her, vermischten sich, um sich dann wieder aufzulösen.
Ein letztes Herumwabern und die Symbole setzten sich aneinander, veränderten ihre Form, fast so als würden sie einen Satz ergeben. Das Leuchten wurde schwächer und die fremdartigen Symbole blieben still.
"Mr. Houdin! Komm her! Kannst Du das lesen? Was steht da?"
Zuerst Kaffee. Die Welt retten wir später. (C.George)
Der Kater, welcher sich, während Maddy im Bad gewesen war, auf der warmen Bettdecke zusammengerollt hatte, hob verschlafen den Kopf und mit der quälenden arroganten Langsamkeit, die nur eine Katze aufbringen konnte, erhob er sich langsam. Dann streckte er sich erst einmal ausgiebig, bevor er sich langsam zum Schreibtisch aufmachte. Dabei schien er es nicht eilig zu haben, auch nicht, als er schließlich vom Boden aus auf die Schreibtischplatte sprang und das Buch einmal umrundete. Seinen Schwanz rieb er Maddy dabei natürlich auch erstmal unter die Nase, bevor er sich vor dem Buch niederlies und die Seite studierte.
Der Katzenkopf drehte sich kurz zu Maddy, als wollte er sich versichern, dass sie auch wirklich aufpasste. Dann hörte sie seine Stimme in ihrem Kopf.
"Liebe Maddy,
wenn du dies lesen kannst, dann hast du endlich den ersten Schritt gemacht die wahre Welt zu erkunden, die ich vor dir stets verborgen habe. Ich weiß, dass war vielleicht nicht richtig, aber du warst noch nicht bereit. Sicher hast du bereits bemerkt das Mr. Houdin, eine nicht ganz gewöhnliche Katze ist. Immerhin ist er beinahe so alt wie du. Er war mir immer ein treuer Gefährte und das wird er auch dir sein. Du wirst aber auch füttern müssen. Sein Essen findest du im Keller. Es wird nicht für immer reichen, dir aber für einige Monate nach meinem Tod noch einen Vorrat geben. Es ist nicht nur normales Katzenfutter was er braucht.
Genug davon. Ich wusste immer, dass du besonders bist und das in dir eine alte Seele schläft. Nun ist sie scheinbar erwacht und dir steht ein neuer Teil der Welt offen. Sicher ist dieser Teil anfangs beängstigend und einschüchternd. Aber du darfst dich davon nicht abhalten lassen. Du wirst die Wahrheit hinter dieser Welt und deinem wahren Sein erst verstehen, wenn du dich traust in diese neue Welt einzutauchen. Du wirst auf Freunde und Feinde treffen und vielleicht nicht gleich erkennen, wer was für dich ist.
Du wirst wachsen müssen und dafür wirst du deine Suche fortsetzen müssen. Ich habe viel von meinem Wissen und meiner Macht, in diesem und den anderen, scheinbar, leeren Notizbüchern für dich hinterlegt. Du musst nur die Schlüssel finden.
Den ersten Schlüssel findest du an der Öse der Nadel, welche das Himmelszelt näht.
Bevor ich dich für diese Seite verlasse möchte ich dir sagen das du nicht allein bist. Solltest du jemals Hilfe brauchen und dich allein fühlen, dann kannst du jederzeit John oder Jasmin kontaktiere. Ihre Nummern findest du am Ende der Seite. Nun erblühe meine Liebe.
In liebe
Aunty"
Mr Houdins Stimme verblasste, nach den letzten Worten in ihrem Kopf und der Kater legte sich seelenruhig vor ihr auf den Tisch und betrachtete Maddy nun neugierig.
Tränen tropften auf das raue Papier - zuerst eine kleine, dann immer größere. Leise schluchzend saß Maddy vor dem Tagebuch und starrte auf die fremdartigen Schriftzeichen. Dass das Papier die salzigen Tropfen aufsaugte ohne die petrolfarbene Tinte zu verschmieren, bemerkte sie gar nicht. Trauer durchspülte Maddy und hielt ihr Herz fest im Griff. In den letzten Monaten hatte sie diese Gefühle und Emotionen gut mit Arbeit betäuben können, aber der Brief von Aunty traf sie unerwartet und hart. Eine Weile saß sie so da und ließ ihrer Trauer freien Lauf.
Mr. Houdin beendete schließlich ihre Lethargie und kam zu ihr hinüber. Er tat was ein gewöhnlicher Kater normalerweise tun würde. Er schmiegte sich an sie, gab ihr Trost und auch wenn man es nicht sah, auch er trauerte. Hatte er doch seine Gefährtin verloren, mit der er so viele Jahre unbeschreibliche Dinge erlebt hatte. Einen langen Augenblick kuschelten beide miteinander bis Maddys Tränen versiegten. Sanfter als gewöhnlich schnurrte die Stimme des Katers in Maddys Kopf: „So, jetzt ist aber wieder gut, ja? Was planst Du als nächstes zu tun?“
Seine Frage ignorierend betrachtete Maddy ihn, streichte ihm über den Rücken. „Ich vermisse sie einfach so schrecklich.“ Schluchzend holte Maddy Luft. „Ich dachte immer, dass sie einfach nur eine liebenswürdige, schrullige alte Dame ist.“ Ein weiteres weinerliches Schluchzen kam hervor. „Aber seit Monaten passieren Dinge mit mir, die ich wohl nicht weiter ignorieren kann. Sie lassen die Dinge, die Aunty getan oder gesagt hat irgendwie in einem anderen Licht erscheinen.“ Das Schluchzen versiegte. Wissend nickte der Kater. Als Beobachter konnte man darin so etwas wie eine väterliche Geste erkennen. „Ich wünsche mir so sehr mit ihr über all das reden zu können. Ich fühle mich so allein.“ Dann wischte Maddy die letzten Tränen von ihrem Gesicht und lächtelte Houdin an. „Wir haben eine Aufgabe, oder?“
Maddy schloss das Tagebuch, wickelte das Band sorgsam wieder herum und steckte es in die große Tasche vorne an ihrer Schürze, die sie bereits angelegt hatte. Dann atmete sie einmal tief durch und machte sich daran das Café zu öffnen, denn sie war bereits spät dran.
Einige Stunden bediente sie ihre Kundschaft und erfuhr etwas über den täglichen Klatsch und Tratsch des Viertels.
Und fast hatte sie das Tagebuch schon vergessen, als Mr. Houdin auf einen der Barhocker sprang um sich unerlaubterweise am Rand der Seitentheke zu positionieren. „Und?“ Das einzelne Wort brachte eine gewisse Ungeduld in Maddys Kopf mit. Und doch ignorierte sie es bis der vorerst letzten Kunden vor dem Mittag bedient war und das Café verließ.
Dann sah sie Houdin mit entschlossenem Blick an: „Nun werden wir John und Jasmin kontaktieren!“ Sie holte das Tagebuch und ihr Smartphone hervor, gab die erste Nummer ein und wählte, während ihr das Herz bis in den Hals hinein pochte.
Zuerst Kaffee. Die Welt retten wir später. (C.George)
Das Freizeichen wurde nach dem wählen der Nummer von einem leisen, monotonen, Tuten abgelöst und es dauerte tatsächlich ein paar Tuten, bevor jemand ran ging. "Hallo?" die Stimme der Frau war etwas schwer zu verstehen, da sie durch Wind, offenbar vom Mikrofon des Telefons weggetragen wurde. Fahrtwind möglicherweise.
Maddie konnte hören, wie weiter entfernt Autos hupten. War die Frau vielleicht auf einem Dach?
Mr. Houdin trabte einfach neben Maddie her und legte den Kopf schief. "Hat schon wer abgenommen? Wird das noch was? Hast du dich verwählt?" Der Kater war offenbar sehr ungeduldig in diesem Moment.
"Ähm.... Hallo!" Schweigen. Was sollte Maddy sagen? Alles was sie hatte war diese Namen und die Nummern. Das Schweigen dauerte schon viel zu lange. "Ähm.... Hallo..." Ein heiseres Räuspern. ".... Mein Name ist Madison..... Madison Reid..... Ähm...." Ein tiefer Atemzug.".... Spreche ich mit Jasmin?.... Ähm.... Ich habe ihre Nummer von meiner Tante erhalten.... " Nun war Maddys Stimme fest. "... und ich habe einige Fragen! Können Sie mir dabei vielleicht weiterhelfen?.... Aber falls es gerade ungünstig ist.... kann ich gerne später noch einmal anrufen.... Oder.... Sie rufen mich einfach zurück?"
Zuerst Kaffee. Die Welt retten wir später. (C.George)
"Äh..." war erst einmal alles was aus dem Hörer kam. "Moment..." dann endete das Rauschen des Windes im Hintergrund und Maddi konnte hören wie Füße auf den Boden landeten. "Ja. Ich bin Jasmin. Hallo Madison." sie seufzte. "Ich...hatte mich schon gefragt, wann der Anruf kommen würde." kurz hielt wieder diese fast unangenehme Stimme Einzug. "Wir können uns gerne treffen. Am Telefon sind die Antworten, die du suchst vielleicht nicht unbedingt gut aufgehoben." Durch das Telefon drang das klirren eines Schlüsselbundes und dann der unverwechselbare Ton, wie ein altes Schloss geöffnet und und eine Metalltür geöffnet wurde. "Schlag doch eine Zeit und einen Ort vor und dann beantworte ich dir gerne jede Frage, die ich beantworten kann." Die Stimme der Frau war sanfter und wärmer geworden. War sie doch anfangs noch skeptisch gewesen.
Maddy war erleichtert und schnell überkam sie Vorfreude darauf, dass sie ihre Suche nach Antworten nicht alleine begehen musste.
"Ich habe ein kleines Café an der Ecke 1st Ave, Marion Street. Sie können es nicht verfehlen. Ich schließe um 20Uhr. Falls Sie Zeit haben, würde ich mich dann gern mit Ihnen dort treffen."
Sie konnte verstehen, warum Aunty so viele Tagebücher geschrieben hatte. Auch Maddy verspürte mittlerweile den Drang ihr Wissen zu notieren und ihre Fragen auf den leeren Seiten zu sammeln. Allein der Gedanke zu jeder der unzähligen Fragen auch bald Antworten niederschreiben zu können, ließ sie eine innerliche Ruhe verspüren und Maddy lächelte zufrieden. Und nahm sich fest vor bereits heute Abend damit zu beginnen.
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"Das klingt hervorragend." erklang Jasmins Stimme nun hallend, als würde sie sich in einem Treppenhaus befinden. Zumindest hörte man ihre Schritte wohl eine Treppe hinab gehen. "Dann werde ich um kurz nach 8 bei Ihnen sein. Tun sie mir einen Gefallen...haben sie vielleicht einen schwarzen Kaffee für mich fertig." das Schmunzeln in ihrer Stimme verriet, dass es nicht ganz ernst gemeint war, aber sie hoffte vielleicht tatsächlich Kaffee zu bekommen. "Wir sehen uns Madison." Mit diesen Worten legte sie auf.
Die Sonne war gerade hinter dem Horizont verschwunden und die Blaue Stunde war angebrochen. Die Zeit in der nur noch das Leuchten der Sonne am Horizont den Nachthimmel erhellte und ihn in ein sanftes blaues Licht tauchte, welche alle scharfen Konturen aus der Welt zu waschen schien. Es war immer eine besondere Zeit, die nie lang andauerte, aber vielleicht war genau diese Vergänglichkeit des Augenblicks das Besondere daran. Um kurz nach 20 Uhr öffnete sich die Tür zum Café das bereits geschlossen hatte und eine jung aussehende Frau mit blonden langen Haaren und einem schwarzen langen Mantel, der wohl eher ein Umhang zum Überwerfen war, kam herein. "Hallo. Bin ich hier richtig?" fragte sie lächelnd und streifte den "Umhang" ab, unter welchem recht bunte und flippige Kleidung zu Vorschein kam. Was man unter ihrem Überwurf nicht gesehen hatte, war das sie noch eine Umhängetasche aus braunem Leder, welche andere vielleicht für Unterlagen genutzt hätten, trug und dazu noch eine kleine weiße lederne Handtasche.
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"Ich bin Jasmin. Ich glaube wir hatten telefoniert." lächelte sie Maddy einfach offen an.
Der restliche Tag verging wie im Fluge. Maddy hatte alle Hand voll zu tun. Langsam sprach sich wohl rum, dass ein neues Café eröffnet hatte, die anfängliche Flaute wurde von Tag zu Tag geschäftiger. Maddy freute sich sehr darüber.
Als Jasmin ins Café trat, wischte Maddy bereits den letzten Tisch ab. Sie stellte das Tablett mit den letzten Tassen des Tages ab, legte den Lappen darauf ab und lächelte Jasmin freundlich an. "Hallo Jasmin, schön, dass es heute noch geklappt hat." Maddy deutete ihr an einem gemütlichen Tisch Platz zu nehmen. Er war nah genug an der Theke und weit genug vom Eingang entfernt, dass man sie sehen und vermuten könnte, das Café hätte noch geöffnet. Dann brachte sie das Tablett hinüber zur Spüle und nicht viel später hörte Jasmin das unnachahmliche Geräusch einer Siebträgermaschine.
Jasmin hatte bereits Platz genommen, als Maddy mit einem weiteren Tablett zum Tisch hinüber kam. Sie stellte einen schwarzen Kaffee, ein Glas Wasser und einen Teller mit kleinen Himbeer-Schokoladenkeksen auf dem Tisch ab und setzte sich, mit einer Teetasse in der Hand, Jasmin gegenüber.
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