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Re: Wo die Stille Wurzeln schlägt (H.-H., Mateo)
Verfasst: Di 4. Nov 2025, 21:37
von Mateo
Mateo kratzte sich am Hinterkopf, sein Blick wanderte kurz über die Gräber hinweg.
Dann lächelte er schief – ein Lächeln, das die Augen nicht erreichte.
„Nur weil man scheinbar innerhalb einer breiteren Gesellschaft vielleicht unbedeutend ist,“ sagte er leise, „heißt das nicht, dass man auch für einzelne Individuen unbedeutend ist. Besonders nicht, wenn man ihnen in die Quere kommt. Oder sie einen einfach nicht mögen.“
Er schwieg einen Moment.
Überlegte.
Mateo war jemand, der schnell vertraute.
Der Menschen einen Vorschuss gab, weil er glaubte, dass Vertrauen der Anfang von allem war.
Und Skolem fühlte sich an wie jemand, dem man vertrauen konnte.
„Ob ich es mag?“
Er zuckte leicht mit den Schultern.
„Wohl kaum. Mit mögen hat das nichts zu tun. Aber ich kann es erzählen. Es hat ja irgendwie auch mit Ihrem Verein zu tun.“
Sein Blick wurde ernster, tiefer.
„Ich bin einem anderen Magus in die Quere gekommen. Dorian Vex. Vielleicht hat er sich mit mir angelegt. Vielleicht ich mit ihm. Kommt drauf an, wie man es sieht.“
Mateo atmete durch.
„Er hatte ziemlich verquere Vorstellungen. Eine selbst entwickelte Philosophie: die Liturgie der Stille. Er lehnt alles ab, was ekstatisch, emotional oder spirituell aufgeladen ist. Für ihn ist jede Form von ‚lauter‘ Magie ein Störfaktor im kosmischen Gleichgewicht.“
Ein Schatten huschte über sein Gesicht.
„Und ich… ich war ihm zu laut. In seinem Blick hab ich gestört. Und ich hab’s mir nicht gefallen lassen.“
Er sah kurz zu Boden.
„Wir sind aneinandergerasselt. Danach hab ich mein Glück herausgefordert. War erfolgreich. Hab gesehen, wie er sich mit ein paar Gestalten getroffen hat. Hab Bilder gemacht. Mit dem Handy. Hab sie gezeigt.“
Ein bitteres Lächeln.
„Stellte sich raus, dass es Sonnenbrillen waren. Aber Vex hat’s nicht gut aufgenommen, dass ich ihn bloßgestellt hab. Hat versucht, mich zu killen. Und ist seitdem verschwunden.“
Mateo sah Skolem wieder an.
„Ich bin gegangen. Untergetaucht. Um meine Familie und Freunde zu schützen. Hab die Stadt verlassen. Und jetzt bin ich hier.“
Re: Wo die Stille Wurzeln schlägt (H.-H., Mateo)
Verfasst: Di 4. Nov 2025, 22:05
von H.-H. Skolem
Mit jedem Wort, mit jedem Satz, den Mateo äußert, wird Skolems Miene finsterer, härter. Jedes Lächeln ist mit einem mal verschwunden, dafür holt er erneut den Flachmann heraus und leert ihn nun endgültig.
"Da haben wir es doch wieder. Es ist eine Sache, seine eigene Ansicht zu haben, wie verschieden sie auch von der der anderen sein mag. Das bleibt jedem unbenommen. Aber diese Ansicht dann als die alleinige Wahrheit zu sehen, das ist Fanatismus in seiner reinsten Form. Und diejenigen anzugreifen, die eben nicht dieser Ansicht sind, das zeigt letztlich nur, dass diese Personen tief in ihrem Inneren längst verstanden haben, dass ihre Ansicht falsch ist. Aber sie sind verblendet, halten daran fest, sind sogar bereit, dafür zu töten. Weil ihr Ego wieder einmal größer ist als ihr Verstand."
Skolem fasst sich wieder, presst die Lippen zusammen und beugt sich vor, fischt eine Hand voll Laub vom Boden. Dann schmeißt er die bunten Blätter in die Luft und sie wehen mit der nächsten Brise, mit der nächsten Windböe davon. Tänzeln über Gräber, wehen zwischen Bäumen und landen letztlich erneut irgendwo auf dem Boden.
"Was wie Zufall aussehen mag, dass hat einen tieferen Grund. Hätte der Wind aus einer anderen Richtung geweht, wären die Blätter an einem anderen Ort gelandet. Hätte ich eine andere Handbewegung gemacht, wäre dem ebenso. Wäre es Frühjahr, hätte ich nicht einmal Blätter aufheben können. Doch es ist nun einmal, wie es ist."
Skolem schaut Mateo ernst, aber doch offen und zugewandt an. "Bitte erzähl mir mehr über diesen ´Dexter Vex`. Natürlich nur, falls du kannst und willst. Wo war das, was genau für ein Typ ist es, wie sieht er aus?"
Dann jedoch greift Skolem mit beiden Händen Mateos Schultern, drückt sie kurz und hält sie fest, fast, als wäre es eine Umarmung. "Und wenn es dein Stolz erlaubt, bitte ich dich: gib mir Bescheid, falls der Knabe hier auftaucht. Du bist nicht allein. Wenn ich irgendwie helfen kann - und vor allem darf? - lass es mich wissen."
Re: Wo die Stille Wurzeln schlägt (H.-H., Mateo)
Verfasst: Di 4. Nov 2025, 23:25
von Mateo
Mateo lächelte ein wenig ratlos. Oder war es verzweifelt.
„Ja… da sind wir wieder bei den Fanatikern.“
Seine Stimme war ruhig, aber da lag etwas darin – eine Müdigkeit, die nicht körperlich war.
„Ich hab da meine eigenen Erfahrungen gemacht. Und ja, sein Ego ist groß. Ich kann das bestätigen.“
Er kaute kurz auf der Lippe, ließ den Blick über die Gräber schweifen.
„Ob das alles Zufall war oder nicht – ich weiß es nicht. Es fühlt sich ein bisschen an wie diese Frage nach dem freien Willen. Ob wir wirklich entscheiden… oder ob alles schon irgendwie geschrieben steht.“
Als Skolem ihn nach dem Aussehen von Vex fragte, öffnete Mateo den Mund, schloss ihn wieder.
Er überlegte.
Die Worte wollten nicht gleich kommen.
Etwas in ihm zögerte.
Dann spürte er Skolems Hände auf seinen Schultern.
Fest.
Warm.
Nicht bedrängend – sondern wie ein Anker.
Wie ein stilles Versprechen: Du bist nicht allein.
Mateo schloss kurz die Augen.
Als er sie wieder öffnete, war da etwas in seinem Blick.
Etwas zwischen Scham und Dankbarkeit.
Etwas, das sich langsam löste.
„Ich weiß nicht, wo er jetzt ist,“ sagte er leise.
„Oder ob er noch lebt. Aber ich hab das Gefühl… dass er noch irgendwo ist.“
Er atmete tief durch.
„Ehrlich gesagt bin ich nicht so stolz. Ich würd gern noch ein bisschen weiterleben. Noch ein bisschen mehr erleben.“
Ein kurzes, schiefes Lächeln huschte über sein Gesicht.
„Wenn ich ihn irgendwo sehe – sag ich dir Bescheid. Versprochen.“
Er ließ den Blick über die Gräber schweifen, als würde er dort nach einer Antwort suchen.
Dann sprach er weiter, seine Stimme ruhig, aber tastend.
„Ich kann nicht wirklich sagen, wie er aussieht.“
Ein kurzer Blick zu Skolem, dann wieder ins Leere.
„Es ist, als würde ich sein Gesicht vergessen haben. Oder als hätte ich es nie richtig gesehen. Alles verschwommen. Und ich glaub nicht, dass das nur Trauma ist.“
Er hielt inne, suchte nach Worten.
„Es fühlt sich magisch an. Als würde etwas in mir verhindern, dass ich ihn erinnere. Und wenn ich ehrlich bin – es war auch vorher schon so. Als hätte mein Kopf ihn nie ganz greifen können.“
Ein halb verzweifeltes, halb belustigtes Grinsen huschte über sein Gesicht.
„Sein Name ist Dorian Vex. Aber Dexter… das wär auch passend. Ein bisschen wie ein psychopatischer Serienkiller, der seine eigene Serie verdient hätte.“
Mateo schluckte.
„Als er mich töten wollte… es war, als hätte er mir zuerst die Stimme geraubt. Einfach weg. Und dann den Sauerstoff. Die Luft um mich herum war einfach nicht mehr da.“
Er sah zu Boden, die Hände in den Jackentaschen vergraben.
„Aber er kann noch mehr. Pater Francis – mein Mentor in Chicago – hat gesagt, Vex ist kein Anfänger. Und ich glaub ihm.“
Ein Moment Stille.
Dann sprach Mateo weiter, leiser.
„Warum ich überlebt hab… ich weiß es nicht. Ich glaub, ich hab ein gleißendes Licht gesehen. Als ich bewusstlos wurde. Oder gestorben bin. Vielleicht war’s eine Halluzination. Vielleicht nicht.“
Er hob den Blick wieder zu Skolem.
„Aber ich bin noch hier. Und das zählt.“
Re: Wo die Stille Wurzeln schlägt (H.-H., Mateo)
Verfasst: Di 4. Nov 2025, 23:56
von H.-H. Skolem
Skolem wirkt ob der Zusicherung Mateos, ihm Bescheid zu geben, sollte sich dieser Vex zeigen, sichtlich beruhigt und deutlich entspannter. "Denk immer daran", sagt er "du bist nicht hier wegen des Pfades, der noch vor der liegt, sondern aufgrund des Weges, den du bereits beschritten hast."
Er greif abermals nach seinem Flachmann, nur um festzustellen, dass dieser längst leer ist. Leichte Panik breitet sich in seinem Blick aus. "Wir können ja einmal schauen, ob du in irgendeiner Weise von ihm verhext wurdest. Doch dazu müsstest du zu mir ins Bestattungshaus kommen."
Dann wird sein Blick fester, er schaut Mateo direkt in die Augen: "Ja, du bist noch hier - und das ist gut so." Und in Gedanken fährt er fort *und auch ich bin noch hier - und das sollte nicht so sein.*
Re: Wo die Stille Wurzeln schlägt (H.-H., Mateo)
Verfasst: Mi 5. Nov 2025, 07:16
von Mateo
Mateo lächelte schief –
doch diesmal war es ein ehrliches Lächeln.
Eines, das sich in seinen Augen spiegelte und nicht nur die Lippen bewegte.
„Ja,“ sagte er leise, fast wie ein Versprechen.
„Wenn Sie das können… dann können wir gerne schauen. So ganz glaube ich nicht, dass er mich verzaubert hat, aber es kann
ja nicht schaden. “
Er nickte, mehr zu sich selbst als zu Skolem.
„Klar, ich komme gerne vorbei. Die Adresse hab ich ja aus einer der Werbungen.“
Ein Hauch von Humor lag in seiner Stimme, aber darunter war etwas anderes.
Etwas wie Erleichterung.
Nicht, weil alles gut war – sondern weil er nicht mehr alles allein tragen musste.
Skolems Worte hallten in ihm nach.
Du bist nicht hier wegen des Pfades, der noch vor dir liegt, sondern wegen des Weges, den du bereits beschritten hast.
Mateo spürte, wie sich etwas in ihm lockerte.
Ein Knoten, der sich nicht ganz löste, aber ein wenig nachgab.
Er dachte an all das, was hinter ihm lag.
An das, was ihn hergeführt hatte.
An das, was ihn noch erwartete.
Als Skolem nach dem Flachmann griff und ihn leer fand, huschte ein kurzes, fast kindliches Lächeln über Mateos Gesicht.
Ein Moment der Normalität inmitten all der Schatten.
Re: Wo die Stille Wurzeln schlägt (H.-H., Mateo)
Verfasst: Mi 5. Nov 2025, 08:06
von H.-H. Skolem
Wehmütig blickt Skolem erneut auf den leeren Flachmann, wirkt nun fast ein wenig unsicher, steckt ihn dann aber ein. "So sollten wir uns für demnächst verabreden. Was hältst du davon, wenn du nächsten Mittwoch, das müsste wohl der 5. Oktober sein, zu mir ins Bestattungshaus kommst? Am besten nach dem Tagesgeschäft. Da ich vielleicht noch etwas einkaufen muss - sagen wir gegen 20 Uhr?"
Skolem erhebt sich von der Bank, ist schon fast "auf dem Sprung". Da dreht er sich noch einmal zu Mateo um und blickt ihn kurz aber direkt an und lacht: "Zu viel kann man nicht trinken, doch trinkt man nie genug -in diesem Sinne: gehab dich wohl, lieber Mateo."
Re: Wo die Stille Wurzeln schlägt (H.-H., Mateo)
Verfasst: Mi 5. Nov 2025, 20:50
von Mateo
Mateo war überrascht, dass Skolem so plötzlich aufbrechen wollte.
Die Bewegung kam schneller, als er erwartet hatte – fast wie ein Schnitt durch die Stille.
Doch als Skolem sich erhob, erhob sich Mateo automatisch mit.
Nicht aus Gewohnheit, sondern aus Respekt.
Etwas in ihm sagte: Man bleibt nicht sitzen, wenn jemand wie Skolem geht.
„Oh ja. Äh, gerne,“ sagte er, noch ein wenig überrumpelt.
„Wäre Donnerstag auch möglich?“
Ein kurzer Moment der Unsicherheit, dann ein Nicken von Skolem.
„Ja? Super. Dann komme ich Donnerstag vorbei.“
Als Skolem sich noch einmal umdrehte und ihm sein Zitat entgegenschleuderte, war Mateo kurz verwirrt.
„Zu viel kann man nicht trinken, doch trinkt man nie genug…“ Es war so aus dem Kontext und paßte doch so gut zu Skolem.
Er grinste leicht – ein ehrliches, wenn auch leicht ratloses Grinsen.
„Äh… ja. Klar.“
Er hob die Hand, winkte ihm nach.
„Passen Sie auf sich auf, Herr Skolem. Bis bald.“
Dann blieb er noch einen Moment stehen.
Die Bank leer.
Die Luft bewegt.
Und in ihm ein leiser Gedanke:
Vielleicht war das der Anfang von etwas.
Etwas, das Wurzeln schlagen konnte.
In der Stille.
Re: Wo die Stille Wurzeln schlägt (H.-H., Mateo)
Verfasst: Mi 5. Nov 2025, 20:53
von Mateo
H.-H. und Mateo treffen sich auf dem Friedhof, wo H.-H. eine Andacht bei einer Beerdigung durchführt. Sie kommen ins Gespräch tauschen sich über Glaube und Philosopphie sowie Ereignisse in ihrer Vergangenheit aus. Sie verabreden sich im Bestattungsinstitut von H.-H., um das Gespräch fortzuführen und zu schauen, ob Mateo von einer Nemesis aus seiner Vergangenheit verzaubert wurde.