Royal Flush [Liam, Anastasia (SL)]

[Liam Carpenter]

Es war offensichtlich, dass diese Entscheidung für ihn einen völlig anderen Stellenwert besaß als für sie und dass sie ihn diesbezüglich nicht verstand. Auch wenn er versucht hatte es ihr deutlich zu machen. Es ging nicht nur um die Sache mit John. Auch wenn sie sein Bild von Seattles Magiergemeinschaft durchaus nachhaltig beschädigt hatte. Das hier war eine Frage ganz grundlegender Überzeugungen die sich ganz offensichtlich nicht miteinander teilten.
Er überlegte einen Moment darüber noch einmal in Diskussion zu gehen, entschied sich dann aber dagegen. Die wichtigen Dinge waren gesagt worden. Einfach nur mehr Worte über ein Thema zu verlieren schuf nicht zwangsweise mehr Verständnis.
„So viel wie ich brauche.“, antwortete er schlicht und ließ das Thema dann von seiner Seite auf sich beruhen. So willkommen ihm die Ablenkung auch war. Und so gerne er sich auch weiterhin darin geflüchtet hätte. Er konnte nicht ewig ignorieren was sich heute Abend im Casino ereignet hatte. Er spürte wie sich die Bilder in ihrem Gefängnis regten. Ein Gefängnis, dass er aus Notwendigkeit, Angst, Überlebensinstinkt und Panzertape gebaut hatte und dass von nichts als Verzweiflung zusammengehalten wurde. Trotzdem musste er darüber sprechen.
„Was unternehmen wir wegen dem Vorfall im Casino?“

[Mystiker]

Anastasia verdrehte dramatisch die Augen, während sie Liams Worten lauschte, lies dann Thema dann aber genauso wie der junge Indigene auf sich beruhen. Mit einem eleganten Schwung stand sie auf und warf ihr langes Haar zurück. Während sie sich eine Strähne aus dem Gesicht wischte runzelte sie die Stirn, als hätte sie nicht erwartet das er das Thema noch einmal hier und jetzt ansprach. Dann sah sie Liam aber doch noch mit einem Lächeln an. "Naja. Die Polizei wird kommen. Die Vorkommnisse werden nicht in den Medien erscheinen, bin ich mir sehr sicher. Die Technokratie wird das irgendwie biegen, dass die Schläfer das nicht mehr als "Da ist ein Mensch mutiert und hat ein Blutbad angerichtet" wahrnehmen." sie seufzte. Die NWO ist da sehr gründlich und ziemlich effizient. Ich vermute es wird eine Messerstecherei oder irgendetwas anderes Normales sein. Dann schieben sie es aufs Glückspiel und es wird ein paar Wochen über schärfere Gesetze diskutiert. Dann verschwindet das Thema wieder."

Nachdenklich tippte sie sich dann die Lippen, während sie die Arme vor dem Körper kreuzte. "Wenn du aber herausfinden willst was den Mann verwandelt hat, weil das Casino oder der Geist waren es sicher nicht, dann wirst du wahrscheinlich Polizeiarbeit machen müssen...also ganz altmodisch Nachforschungen anstellen, deine Nase in Dinge stecken, die dich, laut anderen Leuten, nichts angehen und dann findest du vielleicht die Quelle. Ich vermute er wurde verzaubert...oder verflucht." sie seufzte und stemmte die Hände in die Hüften. "Wenn du das tust....sei aber vorsichtig. Du willst nicht das die Technokratie auf dich aufmerksam wird. Ich werde Nachforschungen in den Anderswelten dazu anstellen. Mir ist sowas nämlich noch nicht unter gekommen."

[Liam Carpenter]

Ihr Augenrollen erstickte die aufkeimende Sympathie die er für sie empfand fast augenblicklich und ließ seine Entscheidung umso vernünftiger erscheinen. Er erwartete nicht, dass sie seine Beweggründe verstehen konnte. Oder dass sie ihre Haltung zum Thema änderte. Aber dass sie nicht bereit war anzuerkennen, dass ihm das hier wichtig war, oder sich zumindest genug zurückzuhielt um ihm nicht das Gefühl zu geben, dass sie seine Bedenken albern oder enervierend fand, weckte ganz automatisch die Frage wie sie in anderen Situationen damit umgehen würde, wenn sie unterschiedlicher Meinung waren oder Dinge unterschiedlich bewerteten. Vielleicht war das einfach ihre Art. Allerdings war es keine Art die er an Leuten mochte.
Aber er musste sie auch nicht mögen um mit ihr in dieser Sache zusammenzuarbeiten.
„Ich werde sehen was ich herausfinden kann. Kann ich dich irgendwie weniger umständlich erreichen?“

[Mystiker]

Sie nickte. "Dann sei aber vorsichtig und sprich besser nicht mit den Mitgliedern deines Stammes, die nichts von unserer Welt wissen. Es könnte sie unabsichtlich ins Fadenkreuz der Technokratie rutschen lassen." fuhr sie noch fort. Dann hob sie die linke Hand und produzierte aus dem Nichts eine weitere Tarotkarte, die sie Liam dann reichte. "Ja kannst du." Wenn Liam erwartet hatte, auf der Karte wieder nichts zu finden, sondern nur ein weiteres Rätsel wurde er überrascht. Zwar war die Karte "Der Magier" eine Tarot Karte, aber darauf geschrieben war eine Handynummer.

"Wunder dich aber nicht, wenn du mich nicht immer erreichst." schmunzelte sie. "Im Umbra gibs leider keinen Empfang." Dann sah sie sich um. "Ich glaube hier können wir wieder zurück. Oder willst du noch bis zu dir nach auf dieser Seite laufen?"

[Liam Carpenter]

Liam betrachtete die Karte einen Moment und steckte sie schließlich in die Tasche. Gab sich alle Mühe dabei das Blut zu ignorieren, dass als rotbraune Flecken auf dem Jeansstoff eingetrocknet war.
„Hier drüben zu bleiben wäre gut. Wenn man mich so irgendwo aufgreift nimmt man mich fest.“
Er führte das nicht weiter aus, aber das musste er vermutlich auch nicht. Er sah vermutlich aus als wäre er an einer Messerstecherei beteiligt gewesen. Abgesehen davon wollte er die Chance nutzen diese Welt noch ein kleines bisschen länger kennenzulernen. Er hatte erwartet sich an diesem Ort, der ganz offensichtlich nicht für Menschen gemacht war, wie ein Fremdkörper zu fühlen. Und natürlich war das alles auch irgendwie befremdlich. Trotzdem empfand er irgendwie einen vagen Eindruck von Vertrautheit. Ganz ähnlich wie er ihn jedes Mal verspürte, wenn er nach einer langen Woche in Seattle am Wochenende ins Reservat zurückkam. Etwas mit dem er nicht gerechnet hatte und dass er sich nicht erklären konnte.

„Ist der Übergang hierher immer so schmerzhaft oder lag, dass daran, dass es so hastig passiert ist?“
Er hoffte inständig, dass es Lontra gut ging. Er selbst hatte sich mittlerweile einigermaßen berappelt.
Dann schwieg er einen Moment, weil er nicht recht wusste wie er die nächste Frage formulieren sollte. Irgendwie war sie zu komplex und wog zu schwer um sie in einfache Worte zu verpacken.
„Hatte John eine Erklärung dafür warum er in unserem Stamm so eine Ausnahme war? Ein Magus? Hat er dir was dazu gesagt?“

[Mystiker]

Anastasia betrachtete Liam einmal von oben bis unten und verzog dabei das Gesicht. "Ja wahrscheinlich. Du siehst aus, als hättest du jemanden abgestochen." Sie seufzte. "Jain..." sie schien kurz zu überlegen. Zwischen dem Tellurischen und dem Umbra hängt eine Art Schleier, der die Welten voneinander trennt. Wir nennen ihn den Todesgürtel. Den muss man durchschreiten, um hier her zu kommen. Seit..." sie machte unbestimmende Handbewegung. "Keine Ahnung wie lange...auf jeden Fall länger, als ich Maga bin, gibt es dazu diese weitere Barriere. Den Avatarsturm. Wenn ich Gambit richtig verstanden habe besteht er aus unendlich vielen Splittern von zerbrochenen Avataren. Sie schaden zwar nicht unserem Körper, aber sie verursachen Schmerzen bei unseren Avataren. Ich weiß aber tatsächlich nicht, was das verursacht hat, oder wieso es diesen Sturm gibt. Ich weiß nur aus Erzählungen das es den früher nicht gab."

Auf Liams letzte Frage schien sie kurz zu verstummen und nachzudenken. "Ich hatte mit John da mehrfach drüber gesprochen und wir waren uns aber nie sicher, ob er jetzt so etwas wie ein Auserwählter ist, oder ob es wie bei anderen Blutgeschwistern einfach so ist, dass sein Werwolfblut nicht stark genug ist...seine Seele aber stark genug zum Erwachen gewesen ist." Sie schüttelte den Kopf. "Also...nein er hatte auch keine genaue Erklärung, wieso er erwacht ist und kein Werwolf wurde. Er hat das nur am Ende als Chance gesehen und...ich glaube so ein wenig als Auserwählter hat er sich manchmal schon gefühlt." sie lächelte versonnen, wohl als sie an ihren Schüler zurück dachte.

[Liam Carpenter]

„Ich finde nicht, dass es sich besonders gut anfühlt auserwählt zu sein…“, seufzte Liam leise und schien die Worte eher an die Welt als an Anastasia zu richten. Er hatte sich lange nicht mehr so einsam gefühlt.
Um dieses Loch nicht noch tiefer auszuheben als es ohnehin schon war ließ er den Gedanken ziehen.

„Du hast mich bei unserem letzten Treffen nach meinem Avatar gefragt.“
Wobei sie nicht direkt gefragt aber zumindest Interesse bekundet hatte.
„Wir haben uns mittlerweile kennengelernt. Sie heißt Lontra und sie ist die mächtigste Ottermagierin der Welt.“
Er sprach von ihr mit einer hörbaren Wärme in der Stimme. So sehr es ihr auch Spaß machte ihn zu triezen, er hatte sie und ihre unvergleichlich charmante Art sehr liebgewonnen. Er gab ihren kleinen dunklen Knopfaugen die Schuld. Das war die Art von Magie der man einfach nichts entgegenzusetzen hatte.
„Ich soll dir übrigens schöne Grüße von dem... ich zitiere: dummen Samurai ausrichten. Er würde sich gerne mal wieder mit dir treffen.“

[Liam Carpenter]

Als er ihr von Lontra erzählte wanderte ein Lächeln über ihr Gesicht, dass ihn in seiner Intensität überraschte und dass er nicht recht deuten konnte. Es schien sie irgendwie positiv zu berühren, auch wenn er überhaupt nicht fassen konnte was genau es war. Er fasste allerdings nicht nach. Langsam aber sicher kam er an die Grenze dessen was er an Eindrücken auf einmal verarbeiten konnte.
Als er Masamune erwähnte grinste sie. Bat ihn auszurichten dass sie sich in Kürze bei ihm melden würde und dass sie Lust auf eine Sparringeinheit mit ihm hätte und er erbot sich es weiterzugeben.
Der Rückweg aus dem Umbra gestaltete sich deutlich angenehmer als die überstürzte Flucht aus dem Casino. Liam war sich nicht sicher wie Anastasia sich auf dieser Seite orientierte, aber er fand sich in der Nähe des Wohnheims wieder als er durch das Tor trat das sie für ihn öffnete. Er hatte erwartet, dass er sein Kontingent an Staunen für den heutigen Tag bereits aufgebraucht hatte. Doch dabei zuzusehen wie ihre langsamen irgendwie tänzerischen Bewegungen die Barriere zwischen dem Drüben und dem Hier zu einer Öffnung teilten erfüllte ihn erneut mit einer tiefen Faszination. Hoffentlich würde er diese andere Welt noch einmal besuchen können. Sie weckte in ihm eine fast kindliche Neugier.

Trotzdem war er froh als er die Zimmertür hinter sich zu ziehen und den Tag hinter sich aussperren konnte. Die Bilder aus dem Casino irrlichterten am Rande seiner Gedanken. Suchten Zugang in sein bewusstes Erinnern und er musste sie immer wieder ganz bewusst daraus zurückdrängen. Leise um seinen Mitbewohner nicht zu wecken tappte er ins Bad, stopfte seine Klamotten in den Beutel mit Dreckwäsche und stieg unter die Dusche. Er würde sich morgen darum kümmern ob sich davon noch irgendetwas retten ließ. Während das Wasser die roten Spuren von seiner Haut wusch konnte er die Tränen schließlich nicht länger zurückhalten.