Kollisionen (Press, Adrian)

[Presston Caldwell]

Die Türen zischten.
Supermarktluft. Kühl, nach Brot und Waschmittel.

Press stapelte.
Milch. Zwei Brote. Nudeln. Tomatensauce.
Ein Turm aus Angeboten.
Obendrauf: Klopapier. König auf wackligem Thron.

"Nur schnell zum Wagen."

Er sah fast nichts mehr.
Links piepte eine Kasse.
Rechts brummte ein Kühlschrank.

Der Wagen stand da. Drei Regale weiter.
Er setzte sich in Bewegung.
Schritt. Balanciert.
Noch ein Schritt. Balanciert.

Ein Rad quietschte. Nicht seins.
Er wich aus. Ein bisschen.
Ein Stück zu viel.

Die Spitze des Turms kippte.
Er ruderte.
Stabilisierte.
Beinahe geschafft.

Dann der Fuß.
Nicht seiner.
Ein kleiner Huckel.
Ein großer Fehler.

Stolpern.

"Oh—!"

Die Milch segelte.
Die Tomatensauce folgte.

Platsch.
Pling.
Rrrrutsch.

Die Nudeln wie Konfetti.
Das Brot wie zwei erschrockene Fische.
Das Klopapier rollte davon.
Majestät auf der Flucht.

Die Sauce traf zuerst.
Nicht nur den Boden.
Auch den anderen Gast.
Punktlandung. Tomate de luxe.

Press riss die Arme hoch.
Zu spät.
Ein Joghurt wählte die Schwerkraft.
Flopp.

Stille.
Dann klebte alles.
Auch sein Schuh.

"Es… tut mir so leid!"

Er bückte sich.
Rutschte in seinen eigenen Nudeln.
Fing sich am Regal.
Das Regal sagte: Klirr. Ein Löffel.

"Ich—Ich mach das sauber."

Er nestelte nach einem Taschentuch.
Fand eine Quittung.
Unnütz. Sehr.

Ein Verkäufer guckte um die Ecke.
Press hob zwei Brote hoch, als Friedenszeichen.

"Ich zahl das alles. Versprochen."

Kurzes, schuldbewusstes Lächeln.

Er sammelte Tüten, Deckel, Würde.
Schnappte nach dem flüchtigen Klopapier.
Es entkam.
Er hinterher.
Schließlich hatte er es.

Zurück zum Tatort.
Blick zum anderen Gast.

"Oh verdammt, das tut mir leid."

Ein weiteres Taschentuch.
Er reichte es rüber.

"Sie haben da Tomatensosse ..."

[Adrian Williams]

"FUCK!" schrillte es aus der Kehle des Getroffenen, der jetzt mit ausgebreiteten Armen im Gang stand wie ein teures Kunstwerk, an dem Aktivisten ein Exempel statuiert hatten. Er guckte an sich herunter, wie die Sauce noch nachtropfte. Dann zu der Person, die sich hinter dem Produkteberg versteckt hatte. Wie der arme Kerl am Boden herum kroch, panisch bemüht, die Situation zu entschärfen.
Irgendwie ging es dem noch schlechter als Adrian. Wenn er die Jacke schnell einweichte, würden die Flecken das Nachsehen haben. Alles halb so wild. Kam nur auf die To-Do-Liste, wo es kaum auffallen würde. War sowieso mal wieder Zeit für Waschtag.

Er stellte schnell einen Fuß vor eine davon rollende Klopapierrolle. Abenteuer am Fußboden geziemten sich nicht für einen König. Er hob sie auf und reichte sie dem Fremden, lachte dabei ein bisschen um die Stimmung aufzulockern.

"War 'n bisschen hoch der Turm, huh?" er winkte ab "Ist schon gut. Ich mag die Nudeln zur Sauce nur lieber gekocht." das Taschentuch nahm er trotzdem entgegen und wischte sich ein wenig damit ab.
Als das gröbste bereinigt war, hielt er dem Mann die Hand hin.

"Adrian." er guckte sich um "Haben sie gar keinen Wagen?"

[Presston Caldwell]

Der Kopf seines Gegenübers war fast so rot, wie die Sosse die Adrians Pullover getroffen hatte.

Er warf ihm einen kurzen überraschten Blick zu.
Nahm einer herbeieilenden Servicekraft Besen und Kehrschaufel ab.
Begann manisch den Schaden den er verursacht hatte zu beseitigen.

Warum schrie der Fremde ihn nicht an ?
Wollte der sich jetzt, hier, nach dem ganzen Desaster wirklich mit ihm unterhalten?
Hielt sich denn hier keiner ans Drehbuch des üblichen üblen Miteinanders?

„Prrr….“, stotterte er von unten her , „Prrr…. Ähhhhh …. Preston Caldwell.“

Noch im wischen, schien ihm aufzufallen, dass dies nicht gerade der kompetenteste Start einer Konversation war.
Also versuchte er es mit Smalltalk.

„Schöner Pulli, Sir.“

Bevor ihm auffiel, dass das nun irgendwie auch daneben war.

[Adrian Williams]

"Hi, Preston." wiederholte er den Namen mit einem leichten Seufzer, während sein Blick schon wieder woanders hin ging. Er suchte noch immer den Einkaufswagen. Hatte Presston das alles wirklich bis zur Kasse tragen wollen? Wenn der das immer so machte, kannten die ihn hier bestimmt schon und warteten auf seinen nächsten Besuch, statt selbst zu putzen.

Er guckte auf seinen Pullover. "Ja..." es klang eher skeptisch. Aber er wollte dem verunfallten Chaoten kein noch schlechteres Gewissen einreden, also fügte er hinzu "Naja, wird schon wieder."

Jetzt warf Adrian einen Blick auf sein Smartphone, das Gott sei Dank in der Jackentasche trocken geblieben war. Es war ein HMD Skyline mit türkisem Case. Nicht unbedingt ein high end Gerät, aber man konnte es selbst reparieren. Er schob es zurück in die Tasche. Eine Stunde vor dem Abendessen.
Er guckte Presston an, lächelte skeptisch "Also, der Wagen?"
Er war selbst noch gar nicht dazu gekommen, seine paar Einkäufe einzusammeln.

[Presston Caldwell]

Der Dicke grinste, ein wenig beschämt.

Dann deutete er auf die Regale.
Dahinter stand ein Einkaufswagen.

Kein Wunder, dass Adrian ihn nicht auf dem Zettel hatte.
Der Wagen war über und über beladen.
Tiefkühlpizza. Fast Food. Alles stapelte sich.

Press hatte die gröbsten Scherben inzwischen auf die Kehrschaufel bugsiert.
Er folgte Adrians Blick.

Klar: Ambitioniert war’s schon.
Den ganzen Kram, den er eben verteilt hatte, hätte er nie in den Wagen bekommen.

Er grinste schief.

„Ich hasse Einkaufen.
Lieber einmal richtig — und dann zwei Wochen Ruhe.“

[Adrian Williams]

Als er den Wagen hinter dem Regal entdeckte, krochen seine Augenbrauen immer weiter nach oben. Er blinzelte. "Okay." quittierte er. In diesem Tonfall, den man hat, wenn man eigentlich keine Aussage treffen möchte, aber was gesagt haben will.
Er befeuchtete seine Lippen, guckte wieder hinunter auf Presston und fuhr sich einmal durch das Haar, das seidig zurück an Ort und Stelle fiel. "Okay." sagte er noch einmal. "Ich hab meinen Wagen da." er deutete beiläufig ein paar Meter weiter, wo ein gänzlich leerer Wagen eng an die Regale geschoben stand. Adrian hatte das Kühlregal zu Fuß aufsuchen wollen, weil sich die Kundschaft vor den Milchprodukten immer scharte wie ein Haufen Tauben vor einem Rentner im Park. Dabei war er dann mit Presston zusammengeknallt.
"Wie wär's, wenn wir das ganze Zeug hier mit bei mir einladen? Ich brauch' nicht so viel, das passt noch daneben. Können wir an der Kasse trennen. Bist Du mit dem Auto hier?" fragte er. Er hatte das Gefühl, der Kerl brauchte Hilfe um aus diesem Chaos wieder herauszukommen.

[Presston Caldwell]

„Oh.“

Das war… nett.
Fast zu nett für sein Motorik-Level.

„Ja… äh… gerne.“

Er griff nach der Milch.
Daneben. Zweiter Versuch. Treffer.
Rein in Adrians Wagen.
Brot hinterher. Nudeln.
Er nickte fachmännisch, als hätte er einen Abschluss in Einräumkunde.

Tomatensauce balancieren wie eine olympische Disziplin.
Deckel suchen.
Deckel finden.
Deckel fallen lassen.
Deckel retten.
Er tat so, als sei das genauso geplant gewesen.

„Danke fürs… äh… Nicht-Lachen.“
„Ich trainiere noch für die Einkaufswagen-Liga.“

Er sortierte viel zu ordentlich.
Ein Zentimeter vor. Zwei zurück.
Ein auditiv zufriedenes „hm“. Von ihm. Peinlich.

„Du bist echt nett.“

Alles drin.
Hände plötzlich arbeitslos.
Quittung in der einen Hand, Würde in der anderen.
Beides knitterte.

„Ähm… brauchst du noch was?
Ich hab jetzt Level-Up: Greifen auf 2.“

Kurzer Blick hoch, schiefer Grinser.
Rasch wieder runter, bevor das Grinsen umfiel.

„Was wolltest du eigentlich einkaufen?“

[Adrian Williams]

Adrian beobachtete seinen neuen Einkaufsgefährten einen Moment lang mit unsicheren Blicken. Er überlegte kurz, ob er Presston dessen Einkäufe anreichen sollte, damit der sie dann in den Korb sortieren konnte. Er schien eine ziemlich feste Vorstellung davon zu haben, wie das getan werden musste. Eine, die Adrian nicht nachvollziehen konnte.*

"Ach, pff." machte er auf dessen Einwand, er hätte nicht über ihn gelacht. Er fand das ganze schon nicht amüsant, weil es ihm Zeit raubte. Jetzt und später beim Waschen seiner Jacke. Aber davon abgesehen: was für ein Arsch müsste er sein um Presston auch noch dafür auszulachen? Eine absurde Vorstellung.
"Du, ich trainiere auch mal. Den Kurzdistanzsprint für die Liga, okay?" dabei deutete er in Richtung einer Regelreihe. "Bin gleich wieder da."
Und so machte er sich zügig davon. Während Presston noch am Räumen war, trug Adrian immer mal ein, zwei Produkte herbei und legte sie irgendwo möglichst seitlich in seinen Korb um Presston nicht in die Quere zu kommen. Wer wusste schon, wie der auf sowas reagierte?
Er kaufte Milch, Soft Burritos, Avocado, Mais, Erdnussbutter und Hot Dogs.
Etwas außer Atem kehrte er an Presstons Seite zurück und schaute mit ihm auf das vollendete Kunstwerk im Drahtgestell. Er klopfte Presston freundschaftlich und anerkennend auf den Rücken und nickte lächelnd, so als wäre er voll in Presstons Vorhaben drin. "Sieht gut aus!" attestierte er ebenso fachmännisch. Vielleicht würde das den chaotischen Kerl emotional etwas stabilisieren und in die Gänge bringen, damit sie möglichst bald das Gebäude verlassen konnten. Er gestikulierte auf die Frage nach seinem eigenen Einkauf grob über die Ansammlung von Dingen, auf denen seine Waren deutlich durch ihre unmotivierte Platzierung hervorstachen und schob seine Packung Milch sinnlos ein Stück woanders hin, als hätte er Presstons Blick fürs Detail. Hatte er aber nicht.

"Kasse?" schlug er enthusiastisch vor. So als würden sie den Tag des Kassierers mit dem Anblick eines richtig gut eingeräumten Wagens gleich ordentlich auf den Kopf stellen.


Empathiewurf: Misserfolg
Motivieren (Ausflüchte): 4 Erfolge

[Presston Caldwell]

Er nickte.

"Kasse klingt gut."

Spur drei.
Vor ihnen ein Rentner mit Gurken.
Hinter ihnen eine Familie mit Apfelsaft.

Keine Trennleiste.
Seine Sachen und Adrians zusammen.
Zerbrechliches nach oben.
Die Tomatensauce extra.
Die verbeulte Milch auch.

Er sah zu Adrian.

"Geht auf mich, ja? Ausgleich fürs Chaos."

Der Scanner piepte.
Piep. Piep. Piep.
Telefon ans Lesegerät.
Pieeep.
Gezahlt.

Vier Tüten auf.
Drei für ihn. Eine für Adrian.

Er packte.
Schweres nach unten.
Kühlwaren zusammen.
Nudeln obenauf, Brot als Airbag.

Tüte eins voll.
Tüte zwei voll.
Tüte drei voll.
Die vierte leichter. Für Adrian.

Er richtete die Griffe.
Reichte eine Tüte rüber.

"Danke für die Geduld."

Er nahm seine drei.
Kurz Balance testen.
Alles hielt.

Er hielt die Tür auf.
Abendluft. Ruhiger.

"Ich ruf mir ’n Uber."
"Wenn du magst, nehm ich dich mit und setz dich ab. Sag einfach, wohin."

Er schwitzte immer noch.

Doch der Puls näherte sich so langsam Normalniveau.

[Adrian Williams]

Adrian schaute auf den alten Herrn mit der Gurke, presste die Lippen aufeinander. Manchmal konnte es dauern, wenn die Augen nicht mehr so gut waren und die Hände nicht mehr so schnell. Aber schon gut. Er schmunzelte den Eltern hinter ihnen freundlich zu, als er den Blick gelangweilt schweifen ließ und zwinkerte den Kindern schelmisch zu, die gerade auf dem Wagen herumkletterten.

”Hey…” begann er abwehrend und wollte Presstons Angebot schon ablehnen. Aber er ließ es bleiben. Es war wirklich eine nette Geste. Und außerdem konnte der Kerl das Gefühl, sich von der eigenen Schuld freizumachen, sicher gebrauchen. Das half sicher besser als jede Beteuerung, dass es wirklich nicht so wild war. ”Danke, Presston.” willigte er schließlich mit gesenkter Stimme ein und half beim zusammenpacken der Einkäufe. Am Ende hatte es doch ganz gut funktioniert.

”Ist cool.” erwiderte Adrian zum Thema Geduld. Es war nicht wirklich hundertprozentig cool. Aber hey. ”Bist du sicher, dass du das weggetragen kriegst?” er schaute skeptisch auf den Warenberg, der neben ihm lief.

Draußen schaute er sich um, atmete tief ein und aus. Geschafft. Ein Uber? Er zog noch mal das Smartphone aus der Tasche, er hatte ja schließlich eine Hand frei. Seine Augen wurden etwas größer, er nickte. ”Danke, das wär‘ echt nett. Ist nicht so weit, aber ich werd‘ erwartet. Da kann ich dann aber die Hälfte zahlen. Ich schick's dir per Venmo.” er lächelte sachte. ”20th Avenue, Ecke northeast 47th. Soll ich kurz was halten?”