Game time [Liam, Mateo]

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Liam Carpenter
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Game time [Liam, Mateo]

Beitrag von Liam Carpenter »

In der letzten halben Stunde hatte die Gruppe sich nach und nach aufgelöst. Spiele waren zu Ende gespielt oder aus Zeitgründen abgebrochen worden und langsam kehrte eine gewisse Ruhe in den Gemeinschaftsraum im Wohnheim ein.

Mateo hatte sich gerade von seinen Mitspielern verabschiedet und Liam saß bereits seit einer ganzen Weile unbeschäftigt auf dem Sofa. Hin und hergerissen zwischen der vernünftigen Entscheidung zurück in sein Zimmer zu gehen und zu schlafen und der Unvernünftigen das Unvermeidliche noch ein bisschen hinaus zu zögern. Die letzte Nacht war besonders unruhig gewesen und er war mehrfach aus verschiedenen Variationen ein und desselben Albtraums aufgewacht. Mal hatte er den Feuerlöscher erreicht und damit nicht das Geringste ausrichten können. Mal war er vorher mit zerfetztem Rücken auf dem Boden ausgeblutet.

Er erhob sich, griff nach einer der Schachteln die im allgemeinen Fundus im Regal lag und schob sie Mateo über den Tisch zu.
„Hast du noch Lust auf eine Runde Spirit Island? Oder willst du los?“

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Mateo
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Re: Game time [Liam, Mateo]

Beitrag von Mateo »

Mateo ließ den Blick über die leeren Stühle schweifen, über die halb geöffneten Spielschachteln, die verstreuten Würfel und Karten.
Es war sein erster Abend hier – und irgendwie fühlte es sich an, als hätte er einen Ort gefunden, der ihn nicht fragte, wer er war, sondern einfach sagte: *Setz dich dazu.*

Er hatte schon mal Brettspiele gespielt.
Aber das hier war anders.
Hier war es ernst.
Hier war es Leidenschaft.

Die Leute kannten sich aus, sprachen über Spiele, die klangen wie fremde Sprachen: *Terraforming Mars*, *Gloomhaven*, *Root*.
Rollenspiele, Computerrollenspiele, Miniaturen mit bemalten Bases.
Eine ganz andere Welt.

Und doch…
Er fühlte sich wohl.
Es war nerdig, ja.
Aber ehrlich.
Keiner verstellte sich.
Und das war viel wert.
Es war bunt, aber hey, bunt ist eine schöne Farbe.

Als Liam ihm die Schachtel zuschob, hob Mateo eine Braue, dann grinste er breit.
„Wenn du zum Ende des Abends nochmal verlieren willst – dann natürlich gerne.“

Innerlich dachte er sich, dass er heute nicht ein einziges Mal gewonnen hatte.
Nicht mal das Gefühl gehabt, in die richtige Richtung zu gehen.
Aber hey – dabei sein ist alles.

Er nahm die Schachtel, drehte sie in den Händen.
Dann wurde sein Blick etwas ernster.
Besorgter.

„Spaß beiseite… ist alles fit bei dir?“
Sein Ton war ruhig, aber direkt.
„Du siehst ziemlich geschafft aus.“

Er sagte es nicht, um zu bohren. Nur, weil es ihm auffiel. Liam war wirklich ziemlich schlecht darin sich zu verstellen.

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Liam Carpenter
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Re: Game time [Liam, Mateo]

Beitrag von Liam Carpenter »

„Nochmal impliziert, dass ich heute schon irgendwas gewonnen habe.“, antwortete er mit einem schiefen Lächeln, öffnete die Schachtel und begann die Einzelteile und Figuren des Spielbretts herauszunehmen. Er war müde und deswegen unkonzentriert. Das hatte sich auch deutlich in seiner Gewinnbilanz gezeigt die gegenwärtig bei null Komma gar nicht lag.
Als Mateo ihn so direkt darauf ansprach überlegte er einen Moment der Frage auszuweichen, resignierte dann aber innerlich vor seiner eigenen Unfähigkeit sich zu verstellen. Es war ja ohnehin offensichtlich, dass nicht alles fit bei ihm war,
„Ich hab einfach richtig mies geschlafen. Ich hab in letzter Zeit oft Albträume. Übermüdet zu sein hilft nicht gerade dabei gut auszusehen.“

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Mateo
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Re: Game time [Liam, Mateo]

Beitrag von Mateo »

Mateo ließ sich in den Stuhl sinken, die Hände locker auf dem Tisch, während Liam die Spielteile sortierte.
Ein leises Lächeln huschte über sein Gesicht.

„Frag mich mal,“ sagte er mit einem leichten Kopfschütteln.
„Ich kann mich nicht erinnern, wann ich jemals so oft verloren habe. Ich glaub, ich hab heute mehr Niederlagen kassiert als in den letzten Jahren.“

Er versuchte, es locker zu sagen, aber sein Blick blieb bei Liam hängen.
Da war etwas in dessen Haltung – nicht nur Müdigkeit.
Etwas, das sich zwischen den Spielsteinen und dem schiefen Lächeln versteckte.

Mateo lehnte sich ein wenig vor, die Stimme sanft.
„Willst du drüber reden?“

Ein kurzer Moment des Zögerns.
Dann, leise:
„Hängt es mit dem… du weißt schon was, zusammen?“

Er sprach nicht weiter.
Ließ die Worte stehen.

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Liam Carpenter
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Re: Game time [Liam, Mateo]

Beitrag von Liam Carpenter »

Liam seufzte und ließ die Spielsteine schließlich einen Moment Spielsteine sein. Er sollte wirklich darüber reden. Es zu verdrängen war ganz offensichtlich keine besonders erfolgsversprechende Taktik. Stumm hing sein Blick einen Moment in der Leere zwischen ihnen während er versuchte einen Anfang zu finden. Irgendeinen Moment in seiner Erinnerung von dem aus er das ganze für Mateo verständlich erklären konnte. Schließlich griff er sich einfach irgendeinen heraus.
„Ich wollte… ich wollte mich mit Anastasia treffen. Sie ist…“
Er zögerte einen Moment.
„… viele Dinge… jedenfalls, sie ist ebenfalls erwacht.“
Das war vermutlich für den Moment die relevanteste Information.
„Wir waren in einem Casino verabredet in dem sie an einem Pokerturnier teilgenommen hat. Ich weiß, ich darf da nicht rein und all das… aber zum Glück hat mich niemand nach meinem Ausweis gefragt.“
Er musste sich selbst bremsen keinen Nebenkriegsschauplatz aufzumachen nur um dem Rest der Geschichte irgendwie auszuweichen.
„Jedenfalls… die Stimmung war von Anfang an komisch. Irgendwie gereizt.. so als würde sich jeden Moment jemand umdrehen um den Besucher neben sich zu schlagen. Ich hab auf der Tribüne gestanden und wollte mir Anastasias Spiel ansehen, als mir ein junger Mann auffiel. Er wirkte irgendwie unruhig… merkwürdig. Ich dachte erst er wäre vielleicht krank. Also bin ich rüber gegangen um zu fragen ob er Hilfe braucht und dann ist er… es…“
Er stockte hörbar. Wirkte angespannt. Regelrecht verkrampft.
„… Er hat sich einfach verwandelt. Ich kann es gar nicht wirklich beschreiben. Wenn ich jemals etwas gesehen habe, dass das Wort Monster verdient hat dann wars diese Kreatur. Und dann…“
Seine Stimme brach als er spürte wie ihm bei der Erinnerung an jenen Abend die Tränen kamen.
„… dann fing es an wahllos Gäste zu töten.“
Die letzten Worte bevor er abbrach waren so leise, dass Mateo sie nur mit mühe überhaupt noch verstehen konnte.

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Mateo
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Re: Game time [Liam, Mateo]

Beitrag von Mateo »

Mateo hatte still zugehört, die Worte aufgenommen wie Wasser, das langsam durch Risse in der Erde sickert. Nicht alles ergab Sinn. Anastasia? Erwacht? Ein Casino? Vieles war ihm fremd, manches wirkte wie aus einem anderen Leben. Aber das war nicht wichtig. Nicht jetzt.

Als Liams Stimme leiser wurde, beugte sich Mateo unmerklich vor, um ihn besser zu verstehen. Er sah, wie sich die Spannung in dessen Schultern sammelte, wie die Erinnerung schwer wurde, wie die Tränen kamen – nicht laut, nicht dramatisch, sondern leise, wie Regen, der nachts fällt.

Mateo stand auf, ohne ein Wort. Setzte sich neben ihn, langsam, bedacht. Legte den Arm um ihn, nicht fest, nicht drängend – einfach da. Eine Geste, die nicht fragte, sondern einfach nur sagte, du bist nicht allein.

Er schwieg. Nicht weil ihm nichts einfiel, sondern weil Worte jetzt zu viel wären. Er ließ Liam Raum. Raum zum Atmen, zum Erinnern, zum Sein. Er hatte geteilt, was ihm passiert war, aber noch nicht, was es mit ihm oder aus ihm gemacht hat. Und das schien das größere Problem.

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Liam Carpenter
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Re: Game time [Liam, Mateo]

Beitrag von Liam Carpenter »

Liam zuckte leicht zusammen als Mateo ihn berührte wies die Geste aber nicht ab. Stumm liefen ihm die Tränen über die Wangen während er um Worte rang. Worte die auszudrücken vermochten warum ihn ausgerechnet diese Erinnerung fast jede Nacht in seinen Träumen heimsuchte. Es war nicht nur der pure Schrecken den er an jenem Abend durchlebt hatte. Nicht nur dieser rohe, ungefilterte, sinnlose Ausbruch von Gewalt. Es war dieses Gefühl unendlicher Machtlosigkeit gewesen einer Kreatur gegenüber zu stehen die ihm so grundlegend überlegen gewesen war. Und die Frage danach ob er wirklich alles versucht hatte. Ob er nicht doch Jemanden hätte retten können, wenn er nicht gestürzt wäre. Schneller reagiert. Anders gehandelt hätte.
Als er schließlich weitersprach klang seine Stimme heiser vom Weinen.
„Ich wollte etwas unternehmen. Ich hab versucht nach einem Feuerlöscher zu greifen, wurde aber zu Boden gestoßen. Dann hat… dann hat Anastasia uns beide aus dem Casino geholt.“
Wieder schwieg er einen langen Moment.
„Jedes Mal wenn ich aus diesem Albtraum wach werde, spüre ich wieder das Blut auf meinem Gesicht und frage ich mich ob ich… ob ich nicht doch irgendwas hätte tun können. Ob ich jemanden hätte retten können, wenn ich ein kleines bisschen schneller gewesen wäre.“

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Mateo
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Re: Game time [Liam, Mateo]

Beitrag von Mateo »

Mateo spürte, wie Liam unter seinem Arm leicht zusammenzuckte.
Aber er wehrte sich nicht.
Blieb.
Und das reichte.

Er hörte zu.
Wirklich zu.
Nicht nur den Worten, sondern dem, was zwischen ihnen lag.

Als Liam verstummte, sprach Mateo leise.
„Das erklärt die Albträume.“

Seine Stimme war ruhig, fast meditativ.
„Dieses Gefühl von Machtlosigkeit auf der einen Seite… und Schuld auf der anderen.“

Er ließ die Worte wirken.
„Du hast deinen Frieden noch nicht damit gefunden. Deshalb sucht es dich weiter heim. Immer dann, wenn dein Geist nicht beschäftigt ist.“

Ein kurzer Blick zur Seite, als würde er die Schatten in Liams Gedanken sehen.
„Aktuell sind es die Albträume. Aber auch das Wirken der Magick braucht einen freien Geist. Wenn du nicht aufpasst…“

Er hielt inne.
Nicht drohend.
Nur ehrlich.

„… könnte es dich nicht nur daran hindern, voranzukommen. Es könnte dich so ablenken, dass du die Magick nicht kontrollieren kannst.“

Ein Moment der Stille.
Dann fuhr Mateo fort.

„Ich würde mich genauso fühlen. Ganz ehrlich. Ich kenn das. Dieses ‚Was wäre wenn‘. Aber Liam… es ist nicht deine Schuld.“

Seine Stimme war ruhig und klar.
„Wenn Anastasia schon länger eine Maga war… und sich entschieden hat zu fliehen… dann hättest du nichts tun können.“

Ein Atemzug.
„Außer zu sterben. Oder es noch schlimmer zu machen.“

Er ließ die Hände sinken, aber sein Blick blieb.
„Wir sind beide noch Rookies. Weit entfernt davon, die Mächte da draußen zu verstehen. Oder auch nur unsere eigenen Kräfte.“

Er stand langsam auf, trat vor ihn, ging in die Hocke.
Nah.
Nicht über ihm – sondern auf Augenhöhe.

Sanft nahm er Liams Kopf in beide Hände.
Nicht fest.
Nur haltend.

Dann, leise, fast wie ein Gebet: „Es ist nicht deine Schuld. Du hättest nichts tun können.“

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Liam Carpenter
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Re: Game time [Liam, Mateo]

Beitrag von Liam Carpenter »

„Ich weiß.“, antwortete Liam leise.
„Mein Kopf weiß das alles. Aber…“
Er musste sich räuspern, weil ihm die Stimme brach.
„… der Rest kann den Gedanken einfach noch nicht loslassen.“
Auf rein rationaler Ebene war ihm das alles vollkommen klar. Und auch Anastasia hatte ihm genau dasselbe gesagt. Er hätte nichts tun können. Es lag schlicht und ergreifend nicht in seiner Macht etwas an dem was passiert war zu ändern.
„Und irgendwie fühlt sich Hilflos zu sein noch beschissener an als einfach versagt zu haben.“
Mittlerweile hatte seine Atmung sich etwas beruhigt und er weinte nicht mehr völlig haltlos. Mateos Zuspruch tat gut, genau wie das ganze einfach mal zur Gänze auszusprechen. Gegenüber seiner Familie und seinen Freunden hatte er das Thema gezwungenermaßen immer vermieden.

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Mateo
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Re: Game time [Liam, Mateo]

Beitrag von Mateo »

Mateo nickte langsam, sein Blick blieb ruhig auf Liam gerichtet.

„Es ist scheiße,“ sagte er leise.
„Und es ist scheiße, dass dir das passiert ist. Ich müßte lügen, um zu sagen, dass es einfach ist oder jeemals einfach sein wird, damit klarzukommen“

Keine Floskeln.
Keine Ausflüchte.
Nur Ehrlichkeit.

„Aber du bist nicht hilflos, Liam.“

Seine Stimme wurde fester, nicht laut, aber klar.
„Im Gegensatz zu 99,9 Prozent der Menschen da draußen bist du ein fucking Magus.“

Ein kurzer Moment des Schweigens, dann:
„Vielleicht bist du jetzt noch nicht ausgebildet. Vielleicht fühlst du dich verloren. Aber das wird sich ändern. Wenn du deine Kräfte beherrschen kannst, wird sich alles ändern.“

Er ließ die Worte stehen, ließ sie Raum nehmen.
„Und du hast nicht versagt.“

Dann beugte er sich leicht vor, die Stimme wieder sanfter.
„Hast du jemals mit jemand anderem darüber gesprochen? Außer Anastasia?“

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