Wenn sonst nichts geschieht

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H.-H. Skolem
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Registriert: Di 2. Sep 2025, 18:15

Wenn sonst nichts geschieht

Beitrag von H.-H. Skolem »

Wieder ist es einer dieser Abende, an dem Skolem keinerlei Verabredungen hat. Wo sollte er also sonst sein als in seinem Büro im Bestattungshaus. Glücklicherweise war er heute Nachmittag noch einkaufen: Drei 5-Minuten-Terrinen, drei Dosen Whiskas und … drei Flaschen Jameson. Er füllt Nepomuks Napf mit einer halben Dose und kippt den letzten Rest der ersten Flasche in sein Glas, bevor er sie wie üblich in der untersten Schublade seines Schreibtisches verstaut.

Nach einem kräftigen Schluck fährt sein Blick wie immer durch den Raum. Als ob es heute etwas anderes zu sehen gäbe als gestern … oder vorgestern … oder ...ach, wann auch immer. Und wie immer bleibt er auf dem Mitarbeiterphoto haften. Und wie immer hallt es durch seinen Kopf: "Vieles fängt nicht einmal an." Aus dem CD-Spieler klingt https://www.youtube.com/watch?v=hoFDmda9OVg

Der Refrain geht Skolem unter die Haut, dringt direkt in seine Seele, trifft ihn hart und schmerzhaft. So heftig, dass er zu weinen beginnt.
"Bin ich nichts wert?
Hab ich denn gar nichts, was dir helfen kann?
Ist deine Welt denn wirklich besser ohne mich?"

Er schmeißt sein leeres Glas gegen die Tür. Hört, wie es zerbirst. Sieht den Scherben hinterher. Sieht, wie die scharfkantigen Splitter zu Boden gehen. Erst fährt sein Blick über den Boden mit den Scherben, dann auf seine Handgelenke. Doch während seine Augen sich noch erneut in Richtung der Scherben ausrichten, greift Skolem fasst instinktiv an den Griff der Schublade ganz unten am Schreibtisch.

Und er greift nahezu mechanisch nach dem Jameson, dreht den Deckel auf, taucht den Zeigefinger hinein, um einen tropfen Whiskey auf dem Boden zu vergießen, spricht die ewigen Worte, setzt die Flasche an seinen Mund und nimmt einen tiefen Schluck - nein, es sind eher drei oder vier Schlucke.

Er setzt die Flasche ab und flüstert - nein - haucht nur:
"Ich trink auf dich mein Freund
Auf jeden Tag aus unserer Zeit
Auf das was geht und das was bleibt.
Ich trink auf dich mein Freund
Ich heb auf dich mein Glas
Auf das was kommt und das was war."

Dann bricht er in Tränen aus ...

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