Mateo schaute Skolem fragend an, als dieser kerzengerade auf ihn zuschritt und mit erhobener Stimme Shakespeare zitierte.
*Oh Hamlet*, dachte er sofort.
Ein bitterer Geschmack stieg ihm auf.
Sein Blick blieb ruhig, aber innerlich war er längst woanders.
Bei seinem alten Englischlehrer.
Rassistisches Schwein.
Der ihn immer besonders triezte, immer mit dem Satz: „Ich fördere dich, damit du mal eine gute Zukunft hast. Dafür brauchst du gutes Englisch.“
Mateo hatte nie geglaubt, dass es um Förderung ging.
Es war Kontrolle.
Demütigung.
Und Shakespeare war das Werkzeug.
Auch wenn die Narben seines Körpers seit seiner Erweckung verschwunden waren – die seelischen Narben saßen noch immer dort, wo sie immer waren.
Er hasste Shakespeare.
Nicht wegen der Sprache.
Sondern wegen dem, was sie für ihn bedeutete.
*Als ob irgendwann irgendwer sich dafür interessieren würde, ob ich Hamlet auswendig kann,* dachte er. Hatte es auswendig gelernt, nur um keine rassistischen Sprüche mehr zu bekommen.
In seinem Kopf ratterte es.
Die Zeilen kamen wie aus einem alten, verstaubten Buch, das er nie wieder öffnen wollte.
„Wenn der Wirrwarr stille schweigt…“
Seine Stimme war leise, fast mechanisch.
„Wer der Sieger ist, sich zeigt…“
Ein Zögern.
Ein Atemzug.
Dann:
„Das ist, eh’ der Tag sich neigt…?“
Das letzte klang fast wie eine Frage.
Nicht sicher, ob es richtig war.
Nicht sicher, ob er es überhaupt sagen wollte.
Er hatte versucht, dieses Kapitel aus seiner Erinnerung zu tilgen.
Aber manche Seiten brennen sich ein.
Auf ein Glas... zuviel (Kitty, H.-H., Mateo)
- H.-H. Skolem
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- Registriert: Di 2. Sep 2025, 18:15
Re: Auf ein Glas... zuviel (Kitty, H.-H., Mateo)
Skolem nickt anerkennend. Anscheinend lernen die jungen Leute heute ja doch noch etwas in der Schule. Doch wie ein inneres Jucken, wie ein Akkord, der nicht zu Ende gespielt wurde, so drängt es ihn, das Zitat zu vervollständigen. Und so fährt er mit einer Stimme fort, die deutlich lauter und klarer ist als die Mateos:
"Wo der Ort?
Die Heide dort.
Da wird Macbeth sein - Fort, fort!"
"Hach" entfährt es ihm mit einem breiten Grinsen im Gesicht, "wenn nicht wir Zauberer" - Skolem wählt das Wort ganz bewusst, da es den jungen Mann vor ihm bereits zuvor ein wenig aus der Reserve locken zu schien - "die erste Szene aus Shakespeares Macbeth zitieren können, wer sollte es sonst? Doch die wichtigste Passage fehlt noch:
"Schön ist hässlich, hässlich schön
Schwebt durch Dunst und Nebelhöhn"
Skolem geht auf Mateo zu, bleibt kurz vor ihm stehen und lächelt ihn breit an. "Schön, dass du das Stück kennst. Auch wenn ich merke, dass es wohl nicht zu deiner Lieblingslektüre gehört?"
Dann setzt er sich wieder auf seinen Hocker und schaut, ob die liebe Miss Kitty ihm vielleicht noch einmal nachgeschenkt hat.
"Doch genau dieser Satz - Schön ist hässlich, hässlich schön - fasst doch schon das gesamte Werk zusammen. Es geht um Schein und Sein, und zwar fortwährend durch das gesamte Stück. Und gerade deshalb sollten wir diese Textpassage niemals aus dem Gedächtnis strichen. Denn jedes Mitglied unserer Zunft ist stets in eben genau dieser Gefahr, nämlich Schein und Sein zu verwechseln."
"Wo der Ort?
Die Heide dort.
Da wird Macbeth sein - Fort, fort!"
"Hach" entfährt es ihm mit einem breiten Grinsen im Gesicht, "wenn nicht wir Zauberer" - Skolem wählt das Wort ganz bewusst, da es den jungen Mann vor ihm bereits zuvor ein wenig aus der Reserve locken zu schien - "die erste Szene aus Shakespeares Macbeth zitieren können, wer sollte es sonst? Doch die wichtigste Passage fehlt noch:
"Schön ist hässlich, hässlich schön
Schwebt durch Dunst und Nebelhöhn"
Skolem geht auf Mateo zu, bleibt kurz vor ihm stehen und lächelt ihn breit an. "Schön, dass du das Stück kennst. Auch wenn ich merke, dass es wohl nicht zu deiner Lieblingslektüre gehört?"
Dann setzt er sich wieder auf seinen Hocker und schaut, ob die liebe Miss Kitty ihm vielleicht noch einmal nachgeschenkt hat.
"Doch genau dieser Satz - Schön ist hässlich, hässlich schön - fasst doch schon das gesamte Werk zusammen. Es geht um Schein und Sein, und zwar fortwährend durch das gesamte Stück. Und gerade deshalb sollten wir diese Textpassage niemals aus dem Gedächtnis strichen. Denn jedes Mitglied unserer Zunft ist stets in eben genau dieser Gefahr, nämlich Schein und Sein zu verwechseln."
Re: Auf ein Glas... zuviel (Kitty, H.-H., Mateo)
Mateo lächelte etwas gequält, als Skolem fortfuhr, und konnte sich ein leichtes Augenrollen nicht verkneifen, als das Wort „Zauberer“ fiel. Natürlich.
„Ich geb’s zu… ich mag guten Shaky – ähm, ich meine Shakespeare - nicht besonders. Aber das liegt weniger Shakespeare – als vielmehr an schlechten Erinnerungen an die Schulzeit.“
Er lehnte sich ein wenig zurück, drehte sein Glas zwischen den Fingern.
„Hat er eigentlich nicht verdient. Seine Stücke haben schon etwas Ewiges, Monumentales. Aber man kann nicht aus seiner eigenen Haut heraus. Und meine war damals ziemlich wund.“
Mateo spürte, wie sich alte Narben kurz meldeten. Nicht körperlich – die waren längst verschwunden. Aber die seelischen, die blieben.
Als Skolem über Schein und Sein sprach, hob Mateo die Augenbrauen.
„Wow… so hab ich das nie gesehen. Aber ja, das hat was. Es gibt da wirklich Parallelen.“
Er sah Skolem an, mit echtem Interesse.
„Ob Shakespeare einer von ihnen war? Ein Magus? Ich mein, seine Stücke haben so viele Anspielungen auf Themen, die Teil unserer Welt sind. Ein Sommernachtstraum zum Beispiel.“
Mateo lächelte, diesmal offener.
„Vielleicht war er auch einer von denen, die zwischen den Welten schreiben konnten. Oder einer, der zu viel gesehen hat und es in Verse verpacken musste, damit man ihn nicht für verrückt hielt.“
„Ich geb’s zu… ich mag guten Shaky – ähm, ich meine Shakespeare - nicht besonders. Aber das liegt weniger Shakespeare – als vielmehr an schlechten Erinnerungen an die Schulzeit.“
Er lehnte sich ein wenig zurück, drehte sein Glas zwischen den Fingern.
„Hat er eigentlich nicht verdient. Seine Stücke haben schon etwas Ewiges, Monumentales. Aber man kann nicht aus seiner eigenen Haut heraus. Und meine war damals ziemlich wund.“
Mateo spürte, wie sich alte Narben kurz meldeten. Nicht körperlich – die waren längst verschwunden. Aber die seelischen, die blieben.
Als Skolem über Schein und Sein sprach, hob Mateo die Augenbrauen.
„Wow… so hab ich das nie gesehen. Aber ja, das hat was. Es gibt da wirklich Parallelen.“
Er sah Skolem an, mit echtem Interesse.
„Ob Shakespeare einer von ihnen war? Ein Magus? Ich mein, seine Stücke haben so viele Anspielungen auf Themen, die Teil unserer Welt sind. Ein Sommernachtstraum zum Beispiel.“
Mateo lächelte, diesmal offener.
„Vielleicht war er auch einer von denen, die zwischen den Welten schreiben konnten. Oder einer, der zu viel gesehen hat und es in Verse verpacken musste, damit man ihn nicht für verrückt hielt.“
- H.-H. Skolem
- Beiträge: 51
- Registriert: Di 2. Sep 2025, 18:15
Re: Auf ein Glas... zuviel (Kitty, H.-H., Mateo)
Skolem hatte inzwischen festgestellt, dass Miss Kitty so nett war, sein Glas aufzufüllen - direkt mit einem Doppelten, was ihn um so mehr erfreute. Daher erhebt er sein Glas und prostet Mateo zu, jedoch nicht, ohne den obligatorischen Tropfen auf den Fußboden träufeln zu lassen und die ewigen Worte zu sprechen.
Nachdem Mateo jedoch die Andeutungen in Richtung seiner Schulzeit erwähnte, wendet sich Skolem ihm sehr direkt zu - sowohl sein Körper als auch sein Blick ruhen nun offen direkt vor ihm. Es wirkt, als würde Skolem jede Faser seines Körpers, jeden Gedanken seines Geistes auf den jungen Mann vor ihm richten. Dass er hier einen Nerv getroffen hat, ist ihm sofort bewusst. Und während er sich auf Mateo konzentriert, spürt er tatsächlich ein wenig von diesem Schmerz, der gerade in Mateo aufwallt. Sachte legt Solem ihm die rechte Hand auf die Schulter, beugt sich etwas näher zu ihm heran und sagt mit ruhiger und freundlicher Stimme:
"Glaub mir Mateo, du bist nicht der erste, dem in seiner Jugend übel mitgespielt wurde. Ich mag mir nicht ausmalen, wie es dir früher ergangen ist - doch kann ich dir zumindest ein wenig aus meiner Schulzeit berichten."
Er zieht die Hand wieder zurück, nimmt noch einen kräftigen Schluck und führt seinen Gedanken weiter aus: "Mich selbst haben sie damals in die Mülltonne gesteckt. Erst einmal, dann ein zweites mal, und dann wurde für sie eine Tradition daraus. Jede Woche fand ich mich mehrfach zwischen Plastikverpackungen, Apfelkernen und weggeworfenem Papier wieder - damals gab es halt noch keine Mülltrennung."
Bei diesen Worten ringt Skolem sich ein äußerst gequältes Lächeln ab. "Als ich meinen Eltern davon berichtete, sagten sie nur: "Du musst dich auch mal wehren." Kurz schweift sein Blick zur Seite, gleitet dann aber schnell wieder zu Mateo. Dabei denkt er sich nur <<Als ob ein kleiner Grundschüler mit seinen 6 bis 8 Jahren es gegen 10- oder sogar 11-jährige aufnehmen könnte>>
"Doch es ist bzw. war nun einmal wie es ist oder auch war. Und bin sicher, dass auch du irgendetwas in dieser Richtung erlebt hast. Nach meiner Erfahrung hat das jeder, der später mal halbwegs vernünftig wurde. Seien es Mitschüler, Lehrer oder sogar die eigene Eltern. Nahezu jedes Mitglied unserer Zunft fühlt sich zwar in dieser, jedoch nicht von dieser Welt. Genau diese Geworfenheit, dieses "gefallen" sein - darüber sollten wir uns noch einmal in aller Ruhe unterhalten."
Skolem greift nach seinem Glas, leert es nun mit diesem Zug, und stellt es zurück auf den Tresen. "In diese Rubrik fällt dann auch unsere noch offene - und meiner Ansicht nach nie zu beendende oder auch nur ansatzweise zu klärende Frage nach gut und böse bzw. richtig und falsch."
Währenddessen hatte er etwas auf dem Handy getippt und zeigt nun Kitty den Bildschirm. "Wären Sie, liebe Miss Kitty, vielleicht so freundlich, uns einmal dieses Lied hier vorspielen zu lassen?"
https://www.youtube.com/watch?v=56E2-o_UpgE
Nachdem Mateo jedoch die Andeutungen in Richtung seiner Schulzeit erwähnte, wendet sich Skolem ihm sehr direkt zu - sowohl sein Körper als auch sein Blick ruhen nun offen direkt vor ihm. Es wirkt, als würde Skolem jede Faser seines Körpers, jeden Gedanken seines Geistes auf den jungen Mann vor ihm richten. Dass er hier einen Nerv getroffen hat, ist ihm sofort bewusst. Und während er sich auf Mateo konzentriert, spürt er tatsächlich ein wenig von diesem Schmerz, der gerade in Mateo aufwallt. Sachte legt Solem ihm die rechte Hand auf die Schulter, beugt sich etwas näher zu ihm heran und sagt mit ruhiger und freundlicher Stimme:
"Glaub mir Mateo, du bist nicht der erste, dem in seiner Jugend übel mitgespielt wurde. Ich mag mir nicht ausmalen, wie es dir früher ergangen ist - doch kann ich dir zumindest ein wenig aus meiner Schulzeit berichten."
Er zieht die Hand wieder zurück, nimmt noch einen kräftigen Schluck und führt seinen Gedanken weiter aus: "Mich selbst haben sie damals in die Mülltonne gesteckt. Erst einmal, dann ein zweites mal, und dann wurde für sie eine Tradition daraus. Jede Woche fand ich mich mehrfach zwischen Plastikverpackungen, Apfelkernen und weggeworfenem Papier wieder - damals gab es halt noch keine Mülltrennung."
Bei diesen Worten ringt Skolem sich ein äußerst gequältes Lächeln ab. "Als ich meinen Eltern davon berichtete, sagten sie nur: "Du musst dich auch mal wehren." Kurz schweift sein Blick zur Seite, gleitet dann aber schnell wieder zu Mateo. Dabei denkt er sich nur <<Als ob ein kleiner Grundschüler mit seinen 6 bis 8 Jahren es gegen 10- oder sogar 11-jährige aufnehmen könnte>>
"Doch es ist bzw. war nun einmal wie es ist oder auch war. Und bin sicher, dass auch du irgendetwas in dieser Richtung erlebt hast. Nach meiner Erfahrung hat das jeder, der später mal halbwegs vernünftig wurde. Seien es Mitschüler, Lehrer oder sogar die eigene Eltern. Nahezu jedes Mitglied unserer Zunft fühlt sich zwar in dieser, jedoch nicht von dieser Welt. Genau diese Geworfenheit, dieses "gefallen" sein - darüber sollten wir uns noch einmal in aller Ruhe unterhalten."
Skolem greift nach seinem Glas, leert es nun mit diesem Zug, und stellt es zurück auf den Tresen. "In diese Rubrik fällt dann auch unsere noch offene - und meiner Ansicht nach nie zu beendende oder auch nur ansatzweise zu klärende Frage nach gut und böse bzw. richtig und falsch."
Währenddessen hatte er etwas auf dem Handy getippt und zeigt nun Kitty den Bildschirm. "Wären Sie, liebe Miss Kitty, vielleicht so freundlich, uns einmal dieses Lied hier vorspielen zu lassen?"
https://www.youtube.com/watch?v=56E2-o_UpgE
Re: Auf ein Glas... zuviel (Kitty, H.-H., Mateo)
Mateo bemerkte, dass wie durch Zauberhand ein neuer Cocktail vor ihm stand. Kitty hatte ihn wohl im Vorbeigehen abgestellt, während sie die anderen Gäste versorgte. Er lächelte kurz, fast dankbar, und hob das Glas leicht an, als wollte er ihr stumm Respekt zollen.
Dann wandte er sich wieder Skolem zu.
Sein Blick war weich, mitfühlend.
„Es tut mir leid zu hören, was Sie erlebt haben. Das mit der Mülltonne… das ist so entwürdigend. Und dass Ihre Eltern das einfach abgetan haben – das tut weh.“
Mateo drehte das Glas langsam zwischen den Fingern.
„Mit den Schülern hatte ich nie wirklich Probleme. Wenn du mit acht Jahren in die USA kommst und da schon mehrere Jahre Kampfkunsttraining hinter dir hast, macht das nach einer kleinen Demonstration viele Dinge einfacher. Sowohl mit Gleichaltrigen als auch mit denen, die ein paar Jahre älter sind.“
Er lächelte schief.
„Und es machte auch für einige, die unterdrückt wurden, die Dinge einfacher. Nachdem ich klargemacht hatte, dass sie unter meinem Schutz stehen. Diese Bullies sind keine Raubtiere. Sie sind Aasfresser. Sie greifen nur an, wenn sie Schwäche wittern.“
Mateos Stimme wurde etwas dunkler.
„Mein Problem waren eher die Lehrer. Alte weiße Männer, die Rassisten waren – oder schlimmeres. Mein Englischlehrer hatte es besonders auf mich abgesehen. Immer mit dem Vorwand, mich fördern zu wollen. Aber es war Kontrolle. Erniedrigung.“
Er nahm einen Schluck aus dem Glas.
„Vor ein paar Monaten ist mein Glück dann zu Ende gewesen. Ein paar Mitschüler haben mir aufgelauert. Rassisten. Die wollten mich zusammenschlagen. Ich hab mich gewehrt, obwohl es zu viele waren. Dann hatte einer plötzlich ein Messer. Hat mich abgestochen.“
Mateo sah kurz zur Seite, als müsste er sich sammeln.
„Sie sind gerannt. Hatten wohl nicht damit gerechnet, dass man mit einem Messer wirklich jemanden abstechen kann. Ich weiß nicht, was sie sich gedacht haben. Wahrscheinlich gar nichts.“
Er atmete tief durch.
„Ich hab mich mit letzter Kraft in eine Kapelle geschleppt. Dort gebetet. Und meine Gebete wurden erhört. Wäre ich nicht erwacht – ich wäre gestorben.“
Ein kurzer Moment der Stille.
„Am nächsten Tag war ich wieder in der Schule. Unverletzt. Mehr als einer dieser Psychos hatte nasse Hosen. Sie nannten mich hinter meinem Rücken ‚Il Diavolo‘.“
Mateo lachte leise, bitter.
„Ironisch, oder?“
Dann sah er auf das halbvolle Glas vor sich.
„Aber ja… vielleicht führen wir das Gespräch ein andermal weiter. Auch die Diskussion über gut und böse, richtig und falsch. Ich glaub, ich bin heute nicht mehr in der Verfassung für Philosophie und Ethik. Aber ein anderes mal gerne.“
Er hob das Glas, prostete Skolem zu.
„Auf das Überleben. Und auf die, die uns nicht brechen konnten.“
Dann wandte er sich wieder Skolem zu.
Sein Blick war weich, mitfühlend.
„Es tut mir leid zu hören, was Sie erlebt haben. Das mit der Mülltonne… das ist so entwürdigend. Und dass Ihre Eltern das einfach abgetan haben – das tut weh.“
Mateo drehte das Glas langsam zwischen den Fingern.
„Mit den Schülern hatte ich nie wirklich Probleme. Wenn du mit acht Jahren in die USA kommst und da schon mehrere Jahre Kampfkunsttraining hinter dir hast, macht das nach einer kleinen Demonstration viele Dinge einfacher. Sowohl mit Gleichaltrigen als auch mit denen, die ein paar Jahre älter sind.“
Er lächelte schief.
„Und es machte auch für einige, die unterdrückt wurden, die Dinge einfacher. Nachdem ich klargemacht hatte, dass sie unter meinem Schutz stehen. Diese Bullies sind keine Raubtiere. Sie sind Aasfresser. Sie greifen nur an, wenn sie Schwäche wittern.“
Mateos Stimme wurde etwas dunkler.
„Mein Problem waren eher die Lehrer. Alte weiße Männer, die Rassisten waren – oder schlimmeres. Mein Englischlehrer hatte es besonders auf mich abgesehen. Immer mit dem Vorwand, mich fördern zu wollen. Aber es war Kontrolle. Erniedrigung.“
Er nahm einen Schluck aus dem Glas.
„Vor ein paar Monaten ist mein Glück dann zu Ende gewesen. Ein paar Mitschüler haben mir aufgelauert. Rassisten. Die wollten mich zusammenschlagen. Ich hab mich gewehrt, obwohl es zu viele waren. Dann hatte einer plötzlich ein Messer. Hat mich abgestochen.“
Mateo sah kurz zur Seite, als müsste er sich sammeln.
„Sie sind gerannt. Hatten wohl nicht damit gerechnet, dass man mit einem Messer wirklich jemanden abstechen kann. Ich weiß nicht, was sie sich gedacht haben. Wahrscheinlich gar nichts.“
Er atmete tief durch.
„Ich hab mich mit letzter Kraft in eine Kapelle geschleppt. Dort gebetet. Und meine Gebete wurden erhört. Wäre ich nicht erwacht – ich wäre gestorben.“
Ein kurzer Moment der Stille.
„Am nächsten Tag war ich wieder in der Schule. Unverletzt. Mehr als einer dieser Psychos hatte nasse Hosen. Sie nannten mich hinter meinem Rücken ‚Il Diavolo‘.“
Mateo lachte leise, bitter.
„Ironisch, oder?“
Dann sah er auf das halbvolle Glas vor sich.
„Aber ja… vielleicht führen wir das Gespräch ein andermal weiter. Auch die Diskussion über gut und böse, richtig und falsch. Ich glaub, ich bin heute nicht mehr in der Verfassung für Philosophie und Ethik. Aber ein anderes mal gerne.“
Er hob das Glas, prostete Skolem zu.
„Auf das Überleben. Und auf die, die uns nicht brechen konnten.“
- H.-H. Skolem
- Beiträge: 51
- Registriert: Di 2. Sep 2025, 18:15
Re: Auf ein Glas... zuviel (Kitty, H.-H., Mateo)
"Eine weise Entscheidung, mein Lieber." Trotzdem schiebt Skolem sein Glas noch einmal über den Tresen hinüber in Richtung Kitty, die auf der anderen Seite steht, und blickt sie gleichermaßen erwartungsvoll wie sehnsüchtig an. "Ich würde gerne noch einen letzten Absacker nehmen, bevor ich mich gleich zurück auf den Weg zu mir machen werde." Dabei spricht er immer noch völlig klar - kein Lallen in seiner Stimme, kein Schwanken seines Leibes - da ist schlichtweg nichts, was auch nur ansatzweise darauf deuten würde, dass er inzwischen bereits diverse Drinks zu sich genommen hatte.
"Letztlich schließt sich wieder einmal der Kreis', beginnt Skolem in ziemlich resignierter Tonlage. "Junge Burschen werden von ihren Vätern gezüchtigt und geschlagen, woraufhin sie die Schwachen aus ihrer eigenen Schulklasse zusammenschlagen oder sogar noch jüngere Mitschüler. Studenten, die gerade ihren Abschluss an der Universität gemacht haben und nun mit viel Elan in den Beruf starten, werden von ihren Seminar- und/oder Schulleitern zurückgepfiffen, weil diesen ihre Ideen zu fortschrittlich sind und entwickeln dadurch selbst eine Aversion gegen alles Neue und sehen in den Kindern vor Ihnen ebenso eher eine Konkurrenz denn unsere Zukunft."
Skolem lässt sein - wie durch Zauberhand erneut gefülltes - Glas gegen das in der Hand Mateos Hand klirren. "Der Mensch war schon immer so: Was er nicht versteht, das fürchtet er. Was er nicht erklären kann, das verteufelt er. Und was er nicht begreift, das versucht er zu vernichten."
Mit diesen Worten erhebt er sich, ext seinen Whiskey in einem Zug und legt Kitty einen 100-Dollar Schein auf den Tresen. "Ich hoffe, dies deckt Ihre Unkosten, Miss Kitty?"
Bevor er jedoch die Bar verlässt, wendet er sich ein letztes mal zu Mateo: "Du bist ein guter Junge. Das fühle ich und das hat auch Nepomuk gespürt. Bleib dir treu."
Damit geht er in Richtung Ausgang, hat bereits die Tür geöffnet, und doch wendet er sich noch einmal zu Mateo: "Ich meinte das ernst: bleib DIR treu. Keinem Verein oder sonst irgendetwas. Auf bald"
Und mit einem letzten Tippen an den Bowler verlässt Skolem die Bar.
"Letztlich schließt sich wieder einmal der Kreis', beginnt Skolem in ziemlich resignierter Tonlage. "Junge Burschen werden von ihren Vätern gezüchtigt und geschlagen, woraufhin sie die Schwachen aus ihrer eigenen Schulklasse zusammenschlagen oder sogar noch jüngere Mitschüler. Studenten, die gerade ihren Abschluss an der Universität gemacht haben und nun mit viel Elan in den Beruf starten, werden von ihren Seminar- und/oder Schulleitern zurückgepfiffen, weil diesen ihre Ideen zu fortschrittlich sind und entwickeln dadurch selbst eine Aversion gegen alles Neue und sehen in den Kindern vor Ihnen ebenso eher eine Konkurrenz denn unsere Zukunft."
Skolem lässt sein - wie durch Zauberhand erneut gefülltes - Glas gegen das in der Hand Mateos Hand klirren. "Der Mensch war schon immer so: Was er nicht versteht, das fürchtet er. Was er nicht erklären kann, das verteufelt er. Und was er nicht begreift, das versucht er zu vernichten."
Mit diesen Worten erhebt er sich, ext seinen Whiskey in einem Zug und legt Kitty einen 100-Dollar Schein auf den Tresen. "Ich hoffe, dies deckt Ihre Unkosten, Miss Kitty?"
Bevor er jedoch die Bar verlässt, wendet er sich ein letztes mal zu Mateo: "Du bist ein guter Junge. Das fühle ich und das hat auch Nepomuk gespürt. Bleib dir treu."
Damit geht er in Richtung Ausgang, hat bereits die Tür geöffnet, und doch wendet er sich noch einmal zu Mateo: "Ich meinte das ernst: bleib DIR treu. Keinem Verein oder sonst irgendetwas. Auf bald"
Und mit einem letzten Tippen an den Bowler verlässt Skolem die Bar.
Re: Auf ein Glas... zuviel (Kitty, H.-H., Mateo)
Mateo zog eine Augenbraue hoch, als er beobachtete, wie Skolem seinen Absacker trank – mit einer Gelassenheit, die fast rituell wirkte. Es erinnerte ihn an seine Onkels und Cousins auf den Philippinen, wenn sie abends zusammensaßen, Flaschen kreisen ließen und Geschichten erzählten, die mit jedem Schluck ein wenig größer wurden. Einige von ihnen tranken die ganze Nacht durch, als wäre es Wasser.
Er selbst spürte den Alkohol. Nicht unangenehm, hatte den Point of no return noch nicht erreicht, aber deutlich. Er war es nicht gewohnt. Vielleicht fünf, sechs Mal überhaupt in seinem Leben.
Mateo hörte Skolems Worte, ließ sie wirken.
„Ja… ein immerwährender Teufelskreis. Opfer, die zu Tätern werden, und wieder neue Opfer erschaffen. Oft ist der Mensch sein größter Feind. Nicht?“
Er sah Skolem an, mit einem Blick, der mehr sagte als Worte.
„Danke für das Gespräch. Und für den Abend. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen – ich bleib mir treu.“
Als Skolem zur Tür ging, schaute Mateo ihm nach.
Der Bowler, die Haltung, die letzten Worte – irgendwie hatte das etwas Würdevolles.
Mateo trank den Rest seines Drinks, langsam, nachdenklich.
Dann stand er auf, strich sich die Jacke glatt und warf Kitty ein letztes Lächeln zu. Winkte noch einmal zum Abschied, verließ er die Bar, die Nacht draußen kühl und still.
Aber in ihm war etwas wärmer geworden.
Er selbst spürte den Alkohol. Nicht unangenehm, hatte den Point of no return noch nicht erreicht, aber deutlich. Er war es nicht gewohnt. Vielleicht fünf, sechs Mal überhaupt in seinem Leben.
Mateo hörte Skolems Worte, ließ sie wirken.
„Ja… ein immerwährender Teufelskreis. Opfer, die zu Tätern werden, und wieder neue Opfer erschaffen. Oft ist der Mensch sein größter Feind. Nicht?“
Er sah Skolem an, mit einem Blick, der mehr sagte als Worte.
„Danke für das Gespräch. Und für den Abend. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen – ich bleib mir treu.“
Als Skolem zur Tür ging, schaute Mateo ihm nach.
Der Bowler, die Haltung, die letzten Worte – irgendwie hatte das etwas Würdevolles.
Mateo trank den Rest seines Drinks, langsam, nachdenklich.
Dann stand er auf, strich sich die Jacke glatt und warf Kitty ein letztes Lächeln zu. Winkte noch einmal zum Abschied, verließ er die Bar, die Nacht draußen kühl und still.
Aber in ihm war etwas wärmer geworden.
Re: Auf ein Glas... zuviel (Kitty, H.-H., Mateo)
Im Black Dahlia begegnen sich Mateo und Skolem erneut und tauschen sich mit Kitty aus. Mißtrauisch wegen der rituellen Handlungen, die Skolem immer wieder ausführt, schaut Mateo Skolems Aura an und findet heraus, dass auch er ein Magus ist. Zwischen Whiskey und Erinnerungen entfaltet sich ein tiefes Gespräch über die Vorkommnisse in Seattle, Skolems Rückkehr und alte Zeiten, die sie geprägt haben. Am Ende verabschieden sich mit Respekt: Mateo verspricht, sich treu zu bleiben – Skolem mahnt ihn, genau das zu tun.