Realität ist spannend nicht wahr? [Le Guinn, Rorrim, SL]

[Mystiker]

Der Vorschlag für ein Treffen wurde bereits auf dem Konzil gemacht. Der Magnolia Tidelands Park wurde vorgeschlagen. Ein Tag und eine Uhrzeit wurde gewählt. Tatsächlich recht früh morgens, bereits kurz vor Sonnenaufgang war das Treffen angesetzt. Dafür lag das Wasser des Pudget Sounds ruhig da und nur kleine Wellen brandeten leise an die großen Felsbrocken, die das Ufer bildeten. Die Segeljachten des anliegenden Yachtclubs lagen noch vertäut und kaum schaukelnd an den langen Stegen. Einige Vögel waren zu hören und Möwen kreisten über den Booten, während auf dem asphaltierten Weg, welcher in den angelegten kleinen Wald dahinter hinein führte Rorrim, regungslos stand. Von seinen Wunden war nichts mehr zu sehen auch die Kleidung war wieder ordentlich, adrett und sauber. Gut das Konzil war auch bereits einige Zeit her.

Die Augen hinter der Maske waren noch dunkel. Fast als wäre der Magus im Stehen eingeschlafen.

[Le Guin]

Das Treffen war auf Le Guins freien Tag gelegt worden. Oder er hatte seinen freien Tag auf heute gelegt. Regelmäßige Arbeitszeiten waren ohnehin ein eher verschwommenes Konzept für ihn: Wenn das Zischen, Rauchen und Hantieren mit Tacos ihn genügend fesselte, konnte er Überstunden-lange in blau-organene Gasflammen starren und heißen Fetten beim Brodeln zusehen während sich die Hitze um ihn her wie in Blüten entfaltete. Und an anderen Tagen vergaß er einfach, dass er irgendwo hin gemusst hätte, weil andere Dinge wichtiger geworden waren oder weil er unvorbereitet auf die Tatsache stieß, dass ein Mensch schlafen oder essen musste.

Heute aber war er ungefähr zur verabredeten Zeit am verabredeten Ort. Es war Sommer und Le Guin trug weite Leinenhosen und ein Second-Hand-Shirt, das wahrscheinlich aus den 90ern kam, in Kunstseide, violett und mit rötlich-rosa-farbenen Delfin-Silhouetten. Es war ein Hemd wie ein Fashion-Statement oder jedenfalls eine völlige Verleugnung von zurückhaltender Eleganz in Farben und Schnitt. Doch Le Guin selbst war auch nicht unbedingt zurückhaltend und konnte es tragen.

"Guten Morgen", grüßte er Rorrims Gestalt, als er sich zu ihr gesellte. "Gut, dass das von Letztens keinen bleibenden Schaden bei dir hinterließ." Le Guin hatte mittlerweile mehr als eine Theorie zu Rorrims Erscheinung und war ehrlich erfreut, dass nichts dauerhaft beschädigt schien. "Wer rechnet auch mit einem solchen Angriff aus dem Nichts?"
Das letzte klang unbekümmert und unschuldig, aber Le Guin sah sich dann trotzdem um, ob irgendwo irgend etwas lauerte.

[Mystiker]

Rorrims Augen glimmen golden auf, als er von Le Guinn angesprochen wird. Der Kopf drehte sich in die Richtung des jungen Magus und ein abgehacktes Nicken erwiderte die Begrüßung. "Guten Morgen." erklang wieder die ernste Stimme, welche ihn schon zu dem Treffen eingeladen hatte. "Ich entschuldige mich, dass ich nicht ganz persönlich vor dir stehe. Aber die derzeitigen Entwicklungen in der Stadt veranlassen mich dazu meine Aufmerksamkeit eher darauf zu lenken. Lass uns einige Schritte gehen."

Die Gestalt Rorrims machte eine einladende Geste und wandte sich in Richtung Wald, während am Horizont die Sonne orange über den Horizont kletterte und die Szenerie in weiches Licht tauchte. Das wiederum lies den abgehackten Gang Rorrims noch etwas weltfremder wirken. "Ich gehe davon aus, dass du viele Fragen hast. Zu dem was auf dem Konzil passiert ist, wer wir sind. Und was du bist." schloss der andere Magus.

[Le Guin]

"Ja, ständig. Kleine und große", bestätigte Le Guin. "Ich verstehe viele Sachen nicht. Andere schon, aber ich weiß nicht, woher oder weshalb." Le Guin ging mit langen, langsamen Schritten neben Rorrim her und seine Sandalen machten leise, schlappende Geräusche dabei.

"Was meinst du mit den 'derzeitigen Entwicklungen in der Stadt'? Ich weiß nicht, was hier normal ist und was nicht. Ich war schon sehr froh, dass Werwolf-Angriffe wohl eher nicht gewöhnlich sind." Er machte eine vage Geste mit beiden Händen als wären diese die beiden Schalen einer Waage. "Ich versuche auf der einen Seite, heraus zu finden, wie die Dinge hier überhaupt justiert sind. Wie sie funktionieren."

[Mystiker]

"Meinst du...wie die Welt funktioniert? Oder wie die politische Lage zwischen Magiern, Werwölfen, den Technokraten und den Schläfern funktioniert?" erfragte der Magus, dessen Schritte sich scheinbar denen Le Guinns anpassten. "Werwolf Angriffe passieren innerhalb der Stadtgrenzen eigentlich nicht. Aber dieser Zwischenfall auf dem Konzil hat die Beziehungen zwischen Werwölfen und Magiern beschädigt. Er hat uralte Verträge gebrochen und das wird in der nächsten Zeit ziemlich viel Staub aufwirbeln."

Der Blick der Gold leuchtenden Augen legte sich auf den jungen Magus. "Hattest du jemals vorher Kontakt zu dieser Yubileé? Oder anderen Magiern, die nicht auf dem Konzil waren?" Irgendetwas sagte Le Guinn das die Frage tiefer zielte, als nur das was die Worte aussagten. Aber er konnte nicht den Finger darauf legen.

[Le Guin]

"Ja, solche Sachen meine ich. Doch auch andere Teile der Welt. Schwerkraft, zum Beispiel. Der menschliche Körper oder der von anderen Lebewesen! Stoffe und Materie. Fantasie und Realität. Es hängt alles zusammen und ich weiß so wenig, also ist es schwer, irgendwo einen Anfang zu machen", versuchte Le Guin, sein Dilemma zu erklären.

"Yubileé war die Kontrahentin von John, richtig? Die, die ihre Niederlage nicht stehen lassen konnte? Ich habe sie dort zum ersten Mal gesehen, glaube ich. Doch als ich auf die Space Needle kam, war jemand anderes da. Er hat mir ein paar Sachen gesagt und mich gewarnt, nicht einfach jedem zu vertrauen. Er ging dann auf seinen eigenen Wegen weiter. Doch ich vermute, dass er mich vom Konzil wissen ließ?"
Le Guin überlegte einen Moment.
"Ich hatte auch überlegt, ob er vielleicht zu meiner Geschichte gehört oder ich zu seiner. Vielleicht bin ich ja auch nur eine notwendige Nebenfigur für eine Szene? Aber es schien für mich doch sehr so als hätte er eine eigene Geschichte und sogar so als wäre seine Figur schon früher aufgetaucht und in verschiedenen Geschichten." Le Guin fischte sein zugegebenermaßen sehr schmales Portemonnaie aus der Hosentasche und zog dort eine Spielkarte heraus, einen Herzbuben. Hergeben wollte er ihn nicht, doch er hielt ihn kurz so, dass Rorrim ihn sehen konnte.

[Mystiker]

"Dies ist ein langer, aber für dich sicher interessanter Weg zu diesem Wissen. Ich würde gerne mehr darüber wissen, wie du diese Reise angehst." Auch wenn unter der Maske keine Gesichtsregung zu sehen war, konnte Le Guinn ein gewissen Lächeln hören. Aber die Stimme hatte sich verändert. Es war nicht mehr die abgehackte Stimme Rorrims, sondern eine andere ernstere Stimme, die dem Lächeln irgendwie entgegen stand.

"Ja die Maga, welche gegen John gekämpft hat war Yubileé. Nun ist noch nicht klar, ob sie an dem Tod Johns tatsächlich schuld ist, da die Wölfe seinen Körper beanspruchen. Aber sie werden uns diesen Mord anhängen und das wiederum ist nicht sonderlich gut. Aber das sollte euch junge Magier weniger belasten. Es wird aber die politische Lage in der geheimen Welt, welche die normalen Menschen nicht wahrnehmen, ziemlich durcheinander wirbeln." er schüttelte den Kopf.

Für einen kurzen Augenblick wechselte das glimmen der Augen zu einem dunklen Rot, als Le Guinn die Karte hochhielt. Die Tonart der Stimme hatte sich dann erneut geändert. "Gambit." presste Rorrim hervor. Auch, wenn es immer noch die Stimme war, die scheinbar nicht zu Rorrim gehörte.

"Eine Pestbeule der Stadt, die genauso gut den Tod Johns orchestriert haben könnte. Besser du hälst dich von ihm fern. Er wird dich benutzen wie ein Werkzeug und wegwerfen, wenn er dich nicht mehr braucht."

[Le Guin]

Le Guin stockte angesichts des roten Leuchtens und schon die Karte schnell wieder zurück in das Portemonnaie.
"Er hat mir guten Rat gegeben. Das sollte ich wenigstens mit Höflichkeit erwidern", meinte er und hatte das Gefühl, Gambit verteidigen zu wollen. Vielleicht aus Dankbarkeit, vielleicht auch, weil er eine Kraft des Chaos durchaus zu schätzen wusste. Ein kompliziert orchestrierter Mord, der die Politik dieser Welt in Aufruhr versetzte, schien ihm nicht zu dem Mann zu passen, der ihn gefunden und in dieser Welt begrüßt hatte. Doch es klang nach einer spannenden Geschichte.
"Ich kann nicht unterscheiden, wer wer ist, was du möchtest oder er oder sonst irgendeiner hier. Doch ohne ihn wäre ich nicht zum Konvent gekommen und wir wären einander niemals begegnet."
Er deutete auf Rorrim und auf sich. "Du müsstest mir erklären, wie du zu deiner Meinung gekommen bist, um mich zu überzeugen", meinte er dann. "Oder wir schieben das Thema beiseite und vielleicht verstehe ich es später, wenn ich mehr über dich, ihn und die anderen weiß." Das zumindest erschien ihm logisch genug.

Zu den anderen Dingen erklärte er dann: "Ich weiß nicht genau, wie ich den Weg anfangen soll. Wahrscheinlich bin ich schon mitten darauf, aber ich bin erst ein paar Wochen alt und habe einen Körper, der ständig essen, schlafen und alles mögliche andere machen muss. Ich habe überlegt, ob ich einfach ohne Essen auskommen kann und auf der Straße wohne. Das machen auch einige Menschen und sie kommen irgendwie zurecht. Aber das ist wieder ein ganz neues Sortiment an Fragen." Le Guin lächelte und zuckte mit den Schultern. Doch er versuchte trotz seiner allgemeinen Ratlosigkeit zu erklären, wo die Schwierigkeiten lagen:
"Eine Welt, eine Realität, hat ein Gerüst aus Werten, Normen, natürlichen Gesetzen. Menschen sind hier normal, aber Sidhe sind es nicht, Laserwaffen auch nicht, aber Taschencomputer schon. Kräfte und Materie wirken auf eine bestimmte Weise miteinander, die in anderen Welten nicht genau so gilt, aber meistens ähnlich. Ich bin noch dabei, den Schlüssel zu verstehen. Ich weiß nicht genau, wer ich bin, was diese Welt ist und wie alles zusammenhängt. Und ein paar Dinge muss ich schneller verstehen als andere, damit ich nicht unterwegs verhungere oder die Technokraten mich aus der Deportationshaft ziehen, um mich auseinander zu schneiden", versuchte er, die Parameter seiner Probleme irgendwie zu umreißen.

[Mystiker]

"Wie schätzt du ein, dass ein Rat gut oder schlecht ist? Woran machst du das Fest?" Rorrims Schritte hatten sich nicht verlangsamt während des Gesprächs. Er schien auch nicht ins Stocken gekommen zu sein. "Lass mich dir aber einen weiteren Rat geben. Sei bei Gambit auf der Hut. Er ist ein Spieler, der mit höheren Einsätzen spielt, als er preis gibt und er hat keine Probleme damit sein Blatt abzuwerfen." dabei machte er eine nickende Kopfbewegung in Richtung der Spielkarte, die Le Guin weggesteckt hatte.

Offenbar spielte Rorrim, oder wer auch immer mit ihm gerade sprach nicht nur auf Spielkarten an. Er überging das Thema dann aber vorerst und lies Le Guin seine eigenen Schlüsse ziehen.

"Mir ist so ein Wesen wie du noch nicht untergekommen. Ich habe Vermutungen wie du in die Welt gekommen bist, aber ich würde gerne mehr darüber erfahren." kurz stockte die Stimme, bevor sie fortfuhr. "Dein Körper wird regelmäßig Essen, Wasser und Schlaf benötigen um zu funktionieren. Dies sind einige Grundsätze des menschlichen Lebens. Ein Dach über dem Kopf wirst du insbesondere im Winter brauchen, denn wenn die Temperaturen in den negativen Bereich sinken, kann dein Körper erfrieren und du sterben." ein leises Auflachen folgte bei den weiteren Worten des jungen Magusses.

"Die Realität wird geformt von den Lebewesen die darin leben. Ihr Glaube ist es der die Realität formt und der wir uns unterordnen. Unsere Macht biegt diese Grenzen, erweitert sie sacht oder bricht sie auseinander. Es gibt sehr viele Möglichkeiten die Realität zu formen und einige funktionieren besser hier, als andere. Wohingegen andere wiederum an anderen Orten besser funktionieren wie hier. Keine Realität ist gleich und alle Reiche haben ihre eigenen Regeln. Mach nicht den Fehler zu denken, sie wären ähnlich, nur weil es so wirkt." ermahne der Magus ihn.

[Le Guin]

Le Guin sagte nichts mehr zu Gambit und dem Vertrauen. Was er sagen konnte, hatte er gesagt - und das war vielleicht sogar schon mehr gewesen, als höflich gewesen war. Er hatte den Spieler durchaus gemocht, aber die Bekanntschaft war sehr kurz und diese Bekanntschaft war seine allererste überhaupt gewesen.

"Ich wüsste auch sehr gern mehr über ein Wesen wie mich!", sagte er dann jedoch durchaus mit Enthusiasmus. "Wie habe ich gestaunt, als ich das erste Mal Kinder gesehen habe!" Er lächelte plötzlich zu Rorrim herüber. "Ich glaube, ich bin unterschiedliche Realitäten mit unterschiedlichen Gesetzen besser gewöhnt als nur diese eine hier. Sie ist, als wollte sie eine Art Mutterschiff für alle Menschen sein, aber ich bin neu bei den Menschen. Wie ein Kind. Nichts ist normal oder steht fest. Kinder-Orte müssen Magik-Orte sein."